• 31.08.2014 10:11

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Tavo Hellmund: Der Milliarden-Dollar-Mann der Formel 1

Vom Laufburschen im Brabham-Team von Bernie Ecclestone zu dessen Milliarden-Dollar-Mann: Die spannende Lebensgeschichte des Mexiko-Grand-Prix-Promoters

(Motorsport-Total.com) - Vergangenen Monat hat die Formel 1 Geschichte geschrieben, als verlautbart wurde, dass der Grand Prix von Mexiko 2015 wieder in den Kalender aufgenommen wird. Das Rennen in Mexiko-Stadt kehrt nach 23-jähriger Abwesenheit zurück. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb die Bekanntgabe historisch war.

Titel-Bild zur News: Tavo Hellmund

Tavo Hellmund ist der Mastermind hinter den Grands Prix in Mexiko und den USA Zoom

Mexiko ist bereits der zweite Grand Prix, den der amerikanische Motorsport-Geschäftsmann Tavo Hellmund in die Formel 1 bringt, nachdem er zuvor bereits Drahtzieher hinter dem US-Grand-Prix in Texas war, der 2012 erstmals ausgetragen wurde. In der 64-jährigen Geschichte der Formel 1 gibt es, abgesehen von Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone, niemanden, der mehr als einen Grand Prix vermittelt hat.

Und das ist ein lohnendes Geschäft. Laut US-Wirtschaftsmagazin 'Forbes' spülen die Grands Prix in Mexiko und den USA über ihre gesamte Vertragslaufzeit zusammengerechnet mehr als eine Milliarde US-Dollar in die Kassen der Formel-1-Dachgesellschaft Delta Topco.

Verträge laufen über zehn Jahre

Der Vertrag für den US-Grand-Prix läuft über zehn Jahre. Die ursprüngliche Grand-Prix-Gebühr lag bei 25 Millionen Dollar und steigt mit jedem Jahr um geschätzte zehn Prozent. Das bedeutet, dass sich die Einnahmen alleine aus der Grand-Prix-Gebühr auf 398,6 Millionen Dollar belaufen. Aber das ist noch nicht alles.

Delta Topco streift auch die Einnahmen des Paddock-Clubs ein, einem VIP-Bereich, in dem bei jedem Grand Prix Gäste mit besonders teuren Eintrittskarten bewirtet werden. Die jährlichen Einnahmen aus dem Paddock-Club belaufen sich auf 78,7 Millionen Dollar, also durchschnittlich 4,1 Millionen bei jedem der 19 Grands Prix. Ein Dreitagesticket kostet rund 4.600 Dollar und die Preise steigen jährlich um 0,7 Prozent. Das bedeutet, dass der Paddock-Club in den USA im Jahr 2021 zu erwartende 4,4 Millionen Dollar einnehmen wird, oder 42,3 Millionen Dollar über die gesamte Laufzeit des Vertrags.

Delta Topcos dritte Einnahmequelle bei Formel-1-Rennen ist der Verkauf von Bandenwerbung an den Rennstrecken. Im vergangenen Jahr hatten beim US-Grand-Prix sechs Firmen Bandenwerbung gebucht, darunter Luxusuhrenhersteller Rolex und die Investmentbank UBS. Zusammengerechnet bezahlten die sechs Sponsoren geschätzte 7,5 Millionen Dollar. Das liegt etwas unter dem Durchschnitt aller Rennen, weil der Grand Prix der USA derzeit keinen Titelsponsor mit Namensrechten hat. Über zehn Jahre ergibt das weitere 75 Millionen Dollar beziehungsweise Gesamteinnahmen aus dem US-Grand-Prix in der Höhe von 509,6 Millionen Dollar.


Tavo Hellmund im Interview

In Mexiko ist die Situation nur unwesentlich anders, denn das Land besitzt einen Fünfjahresvertrag mit einer Option auf fünf weitere Jahre. Die jährliche Grand-Prix-Gebühr beläuft sich auf 23 Millionen Dollar und steigt ebenso jährlich um rund zehn Prozent an. Daraus ergeben sich Gesamteinnahmen von 392,2 Millionen Dollar.

Mehr als eine Milliarde Dollar für Delta Topco

Es wird angenommen, dass der Vertrag den Organisatoren in Mexiko das Recht einräumt, einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen aus Bandenwerbung und Paddock-Club selbst einzubehalten, doch dafür muss eine zusätzliche Gebühr bezahlt werden, sodass die Gesamteinnahmen für Delta Topco nicht reduziert werden. Demnach werden sich diese Einnahmen ähnlich wie beim US-Grand-Prix auf 117,3 Millionen Dollar belaufen. Beide Rennen zusammengerechnet spülen also mehr als eine Milliarde Dollar in die Kassen der Formel-1-Dachgesellschaft.

In Anbetracht der Tatsache, dass beide Grands Prix in Nordamerika liegen, ist es wohl nur passend, dass der größte Profiteur der Einnahmen ebenfalls in der Region beheimatet ist. Größter Teilhaber der Formel 1 ist nämlich das Private-Equity-Unternehmen CVC Capital Partners, das 35 Prozent von Delta Topco kontrolliert.

CVC verwaltet zahlreiche Fonds, die sich in Unternehmungen einkaufen, jeder mit unterschiedlichen Investoren. Laut CVC-Internetseite handelt es sich dabei um insgesamt 300 institutionelle, staatliche und private Investoren. All diese Investoren sind beteiligt, wenn CVC aus seinen Investments aussteigt oder Gewinne abschöpft.

US-Bundesstaat Kalifornien an der Formel 1 beteiligt

Die Formel 1 gehört zu den besten Performern des CVC-Portfolios. Die Rennserie wurde 2006 von CVCs Fonds IV für rund zwei Milliarden Dollar übernommen. Auch wenn CVC die Investoren geheim gehalten hat, ist ein Name an die Öffentlichkeit gedrungen. Dabei handelt es sich um CalPERS, den Rentenfonds für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Kalifornien. Das ist der größte Rentenfonds in den USA, der dem US-Bundesstaat Kalifornien gehört.

CalPERS-Aufzeichnungen belegen, dass 350,1 Millionen Dollar in Fund IV investiert wurden. Daraus ging bisher ein 1,8-facher Return of Investment hervor. Die Formel 1 alleine zeichnet für einen großen Teil davon verantwortlich, denn CVC hat bisher 4,4 Milliarden Dollar an Cash abgeschöpft und damit einen Return on Investment in der Höhe von 350 Prozent erzielt. Die Statuten von Fonds IV besagen, dass die Investoren alle Gewinne ausbezahlt bekommen, bis sie ihr investiertes Geld vollständig zurück haben. Anschließend erhalten sie aus dem Verkauf 80 Prozent, während CVC die restlichen 20 Prozent einbehält.

Bernie Ecclestone und Tavo Hellmund

Tavo Hellmund im Gespräch mit seinem langjährigen Freund Bernie Ecclestone Zoom

Das bedeutet in anderen Worten, dass der Staat Kalifornien durch CalPERS direkt von den Grands Prix in den USA und in Mexiko profitiert. Passend, wo doch auch der Architekt dieser beiden Rennen Amerikaner ist.

Der Grand Prix von Mexiko bedeutet für den 48-jährigen Hellmund eine Art Rückkehr. Sein inzwischen verstorbener Vater, Gustavo Hellmund-Rosas, war Präsident des Organisationskomitees für das Rennen, als es 1986 nach einer 15-jährigen Abwesenheit wieder in den Formel-1-Kalender aufgenommen wurde.

Auf den Spuren seines Vaters

Hellmund genoss durch seinen Vater, der auch in die Organisation der IndyCar-Rennen in Mexiko in den 1980ern und der Fußball-Weltmeisterschaft 1986 involviert war, eine frühe Ausbildung im Veranstalten von Grands Prix. In seinen späten Teenager-Jahren und frühen 20ern arbeitete Hellmund in allen Bereichen des Unternehmens mit, angefangen vom Ticketverkauf bis hin zur Aktivierung und Promotion auf operativer Ebene.

Allerdings erlag er selbst dem Reiz des Automobilsports und zog über den Atlantik, um in Ecclestones Brabham-Formel-1-Team Laufbursche zu werden. Damit wollte er keine weiteren Erfahrungen als Promoter sammeln, sondern am liebsten selbst in die Fußstapfen der amerikanischen Formel-1-Weltmeister Phil Hill und Mario Andretti treten.

Circuit of The Americas in Austin, Texas, USA

In Austin hat die Formel 1 in den USA endlich wieder eine echte Heimat gefunden Zoom

Hellmund begann IMCA-Modifieds zu fahren, Hybride aus Formelautos und Stockcars, und arbeitete sich hoch bis in die Grand-National-Serie, eine regionale Unterdivision der NASCAR. Dann zog er nach England - mit dem Ziel, Formel-1-Fahrer zu werden. Also begann er auf Teilzeitbasis für Brabham zu arbeiten, was damals logisch erschien, wo doch sein Vater und Ecclestone befreundet waren.

Hellmund fuhr mit unterschiedlichem Erfolg in der Formel Ford, der Formel Vauxhall Junior und der Formel 3, wurde den Veranstaltervirus aber nie ganz los. Wann immer er konnte, organisierte er große Partys, Konzerte oder Heißluftballon-Festivals. Durch eine unerwartete Wendung rutschte er noch tiefer in dieses Metier hinein.

Don't drink and drive

In den frühen 1990er-Jahren bewegte ihn der Tod eines Freundes im Unfallauto eines alkoholisierten Fahrers dazu, eine Kampagne mit dem Titel "safe and sober" ("sicher und nüchtern") zu initiieren. Im Zuge der Kampagne besuchten Rennfahrer Schulen und erklärten den Kindern, wie wichtig Dinge wie das Anschnallen oder nüchtern am Steuer zu sein sind.

Er startete die Kampagne mit Hilfe von General Motors und mehrerer Chevrolet-Verkäufer in Texas. Das Ziel war, Bewusstsein für angeschnalltes und nüchternes Autofahren zu schaffen. Hellmund hielt 350 Präsentationen in 400 Highschools im Südwesten der USA. Daraus entwickelte sich bald ein nachschulisches Programm mit dem Namen "Racing for Education". Die später landesweite Kampagne war so erfolgreich, dass sich sogar der damalige US-Präsident George Busch dafür zur Verfügung stellte.

Das Promoten eines Autorennens war der nächste logische Schritt, also veranstaltete Hellmunds Firma Full Throttle Promotions im Jahr 2004 das sogenannte Texas Racefest in Austin. Der Event war ausverkauft, nicht zuletzt aufgrund der einmaligen Kombination eines Grand-National-NASCAR-Rennens mit der USAC-Midget-Car-Serie. Am Start waren so prominente Fahrer wie Jeff Gordon und Tony Stewart.


Fotostrecke: F1 Backstage: Austin

Während eine Karriere in der Formel 1 inzwischen längst außer Hellmunds Reichweite war, erschien es immer realistischer, einen Grand Prix selbst zu veranstalten, denn die Rennserie befand sich gerade inmitten einer turbulenten US-Phase in Indianapolis. 2007 brach Indianapolis die Brücken zur Formel 1 ab. Das war Hellmunds Antrieb, die Formel 1 stattdessen nach Texas zu bringen.

Streckenlayout auf einem Taschentuch

Im gleichen Jahr zeichnete er das Layout des Circuit of The Americas in der texanischen Hauptstadt Austin auf das Taschentuch eines Barbecue-Restaurants. 2008 engagierte er den deutschen Architekten Hermann Tilke, um das Projekt zu entwickeln. Die Strecke wäre aber ein Traum geblieben, wäre es Hellmund nicht gelungen, staatliche Zuschüsse zu sichern.

2004 hatte die Regierung in Texas einen Gesetzesentwurf verabschiedet, um einen Fonds zu kreieren, mit dem Großveranstaltungen wie die Superbowl, die Fußball-Weltmeisterschaft und Olympische Spiele finanziert werden könnten. Hellmund realisierte, dass nur die Formel 1 als globale Motorsportserie diesem Profil entsprechen würde, obwohl sie nicht explizit auf der Liste stand.

Nigel Mansell, Riccardo Patrese, Gerhard Berger, Michael Schumacher

Im Jahr 1992 fand zum bisher letzten Mal ein Grand Prix von Mexiko statt Zoom

Er beantragte eine Aufnahme der Formel 1 und erreichte sein Ziel, denn heute subventioniert der Fonds den US-Grand-Prix mit bis zu 25 Millionen Dollar pro Jahr. Klugerweise kommen die Zahlungen aus erhöhten Steuereinnahmen durch den Grand Prix, sodass der Bundesstaat nicht draufzahlt.

Das war ein spektakulärer Coup, schließlich erhält der US-Grand-Prix heute mehr öffentliche Subventionen als der britische Grand Prix, der schon seit 1950 Teil des Formel-1-Kalenders ist, aber dennoch nicht regierungsunterstützt wird. Die staatliche Unterstützung trug dazu bei, dass für den Grand Prix der USA grünes Licht gegeben werden konnte, und im Jahr 2010 sicherte sich Hellmund seinen Platz in der Formel-1-Geschichte, als er den Formel-1-Vertrag unterzeichnete.

Rennen in den USA stets vor Hindernissen

In den vergangenen fünf Jahren gab es mehrere Versuche, Formel-1-Rennen in den USA zu lancieren, doch nur Hellmund war damit erfolgreich. Leo Hindery jun., Teilhaber des Private-Equity-Unternehmens InterMedia Partners, hat bereits mehrere Anläufe unternommen, einen Grand Prix in New Jersey auf die Beine zu stellen. An der Westküste ist der Motorsportmanager Chris Pook, Veranstalter des Grand Prix in Long Beach 1975, damit gescheitert, ein Formel-1-Rennen zu veranstalten.

Die Reise bis zum ersten US-Grand-Prix im Jahr 2012 war zwar eine Achterbahnfahrt, doch letztendlich ändert das nichts daran, dass Hellmund in drei Jahren bis 2010 den Formel-1-Vertrag und die staatlichen Subventionen sicherte und sogar das Design der Strecke und deren Namen entwickelte.

Volle Tribünen beim Grand Prix der USA in Austin

Bisher stets gut besucht: Volle Tribünen beim Grand Prix der USA in Austin Zoom

Der Circuit of The Americas ist benannt nach einer Pferderennbahn seiner mexikanischen Partner, die den neuen Grand Prix in ihrem Heimatland unterstützen und ursprünglich das Rennen in Austin finanzieren hätten sollen. Aber das Projekt lockte bereits in der Frühphase neue Investoren an, sodass die mexikanischen Geldgeber ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf einen Grand Prix in ihrer Heimat wandten. Das Management-Team wird von zwei Schlüsselfiguren geleitet.

Einer davon ist Hellmund selbst, der zweite sein mexikanischer Gegenpart Alejandro Soberon, Geschäftsführer der drittgrößten Live-Entertainment-Firma der Welt, Corporacion Interamericana de Entretenimiento (CIE). Unterstützt werden die beiden von mehreren Teammitgliedern, darunter auch Carlos Slim Domit, Sohn des reichsten Mannes der Welt, Carlos Slim Helu. Slim Domit verfügt über jede Menge Motorsporterfahrung durch seinen Sitz im FIA-Senat. Die anderen Mitglieder des Managementteams sind George Gonzalez, Geschäftsführer der CIE-Tochter Ocesa, und Federico Alaman, Ocesas Präsident der Motorsportabteilung.