• 29.01.2014 11:20

  • von Rencken, Sharaf & Ziegler

Tausendmal ist nichts passiert - und auf der Strecke Fiasko

In Jerez sehen viele Teams vor lauter Problemen kein Land, obwohl in den heimischen Büros die Saison 2014 schon mehrmals über die Bildschirme ratterte

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 gilt als Atomwissenschaft. Alles ist bis ins Detail geplant, jede Kleinigkeit ist auf den Punkt vorbereitet, die Komponente Zufall gibt es scheinbar gar nicht - möchte man meinen. Die Testfahrten in Jerez erinnerten am Dienstag eher an freudiges Experimentieren als an eine gezielte Saisonvorbereitung, schließlich fuhren die meisten Autos wenig, viele gar nicht und die Ingenieure "sprangen im Dreieck", wie es Nico Hülkenberg formulierte. Dabei ist doch alles schon tausendmal passiert - im Simulator.

Titel-Bild zur News: V6-Turbo, Entwicklung, Design, CAD, Renault

Die Tücken der Realität überraschen so manchen Techniker immer wieder Zoom

Kollege Computer scheint die Königsklasse jedoch im Stich zu lassen. Insbesondere bei der Telemetrie, über die während eines Tests Unmengen an Daten (während eines Rennwochenendes sind es mehrere Gigabyte pro Auto) laufen, macht Schwierigkeiten. "Die Software-Leute werden das über kurz oder lang lösen", hofft Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost, der mit dem Fiasko nach eigener Aussage rechnete - schließlich lief der neue V6-Turbomotor beim Rollout in Misano erst am vergangenen Donnerstag erstmals.

Das war rund 36 Stunden nach dem geplanten Termin. "Ich erinnere mich, als ich gesagt habe: 'Mamma Mia'", so Tost. "Man kann das zuhause nicht simulieren." Sebastian Vettel hingegen ist der Meinung, dass die Daten aus Bits und Bytes zuverlässig sind: "Aus der Erfahrung kann man sagen, dass das, was wir im Simulator zusammenrechnen, ungefähr auf der Strecke passiert", findet der Red-Bull-Pilot. Dennoch unterliegen Erprobungen bei Filterkaffee und Zimmertemperatur in Milton Keynes anderen Gesetzmäßigkeiten.

Versagen ist kollektiv

Zum Beispiel dem allzu menschlichen Phänomen Zeitdruck. Das weiß der amtierende Weltmeister: "Man darf nicht vergessen, dass man im Simulator den ganzen Tag hat. Man fährt viele Runden hintereinander und kommt in einen Rhythmus hinein." Den gibt es an der Rennstrecke nicht. Es zeigte sich, dass die Kommunikation zwischen den drei Systemen Motor, ERS und KERS in "freier Wildbahn" viel schwieriger ist, wenn die Parameter der Realität gelten, die Telemetrie läuft und die FIA alles haargenau kontrolliert.

Das Zusammenspiel vieler Systeme bedeutet auch: Versagt eines, versagen alle. "Genau das ist das Problem, denn sonst hätte man all das auf dem Prüfstand oder im Workshop erledigt", weiß Tost. Sein Chefdesigner hat längst erkannt, was die Ingenieure sonst noch plagt: "Es ist auch sehr aufwändig, den Ladestatus der Batterie im Griff zu haben und dafür zu sorgen, dass dieser sich innerhalb gewisser Grenzwerte bewegt", erläutert Luca Furbatto. Vettel folgert: "Man muss fahren, und im Moment fahren wir nicht. Das ist natürlich dann die Höchststrafe."


Testfahrten in Jerez

Software unkritisch, Hardware lässt grübeln

Dabei war die Vorbereitung alles andere als überstürzt. Die Verträge mit den Motoren-Neukunden Toro Rosso (Renault), Williams (Mercedes) und Marussia (Ferrari) wurden früh unterzeichnet. "Die Entscheidung wurde im vergangenen Jahr in Monaco getroffen. So hatten wir genug Zeit, um unsere Produktion in Brixworth entsprechend hochzufahren", sagt Mercedes-Mann Andy Cowell. Vettel zeigt sich geduldig und meint, man ließe sich ganz bewusst Zeit, um alles zum Laufen zu bekommen.

Und auch Toro-Rosso-Boss Tost sieht die Sache relativ entspannt: "Nein, ich rechne in Melbourne nicht mit einer Farce. Bis Melbourne haben wir noch viel Zeit", betont der Österreicher, macht jedoch eine Einschränkung. Keinen Grund zur Sorge gibt es, sofern es tatsächlich nur Schwierigkeiten mit der Software gibt. "Handelt es sich um Hardware-Probleme, dann ist das eine andere Geschichte", so Tost weiter. Bei seinem Team gibt es darauf keine Hinweise. Aber das ist nur eine von elf Formel-1-Mannschaften.

"Ich rechne in Melbourne nicht mit einer Farce." Franz Tost