• 23.08.2002 09:37

  • von Marcus Kollmann

Szafnauer: Honda 2003 mit komplett neuem Motor

Der Vize-Präsident von Honda Racing Development im Interview über die Saison, den Motor, die Partnerschaft mit BAR und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Während des Rennwochenendes in Ungarn gab Honda in einer Pressemitteilung offiziell bekannt, dass man die Zusammenarbeit mit dem Jordan-Team am Ende der Saison 2002 einstellen wird. Damit fanden beide Seiten schlussendlich eine einvernehmliche Lösung, denn eigentlich hätte der japanische Motorenhersteller das britische Team auch noch im kommenden Jahr mit seinen Zehnzylindern ausrüsten müssen. Nachdem das Doppelengagement bei British American Racing und Jordan Grand Prix in den letzten Jahren aber nicht den erwarteten Erfolg brachte, wird Honda sich fortan ganz auf die Zusammenarbeit mit dem von David Richards geleiteten Rennstall konzentrieren können.

Titel-Bild zur News: Otmar Szafnauer (Vize-Präsident Honda Racing Development)

Szafnauer: Wir wollen gewinnen - aus diesem Grund sind wir dabei

In Brackley arbeiten Ingenieure von Honda am Athena-Chassis-System und bei BAR haben die Japaner somit auch Einfluss auf die Chassis-Konstruktion, weshalb die Entscheidung, sich von Jordan zu trennen, um sich so noch stärker auf die Zusammenarbeit mit BAR konzentrieren zu können, nachvollziehbar ist. Im nachfolgenden Interview spricht Otmar Szafnauer, der Vize-Präsident von Honda Racing Development, über die bisherige Saison, den diesjährigen und nächstjährigen Motor, die Zusammenarbeit mit BAR und Hondas Einstellung zum Motorsport.

Diesjähriger Motor wird weiter verbessert, neues Aggregat für 2003

Frage: "Honda hat beim Großen Preis von Ungarn das Ende der Zusammenarbeit mit Jordan bekannt gegeben. Könnten Sie darauf ein bisschen genauer eingehen?"
Otmar Szafnauer: "Wir sind glücklich eine einvernehmliche Lösung gefunden und Jordan ein Jahr früher vom Vertrag entbunden haben zu können, sodass Eddie Jordan einen Langzeitvertrag mit Beginn des nächsten Jahres mit einer anderen Firma unterzeichnen konnte. Wir haben die Struktur innerhalb von Hondas Forschungs- und Entwicklungsabteilung verstärkt und unser gemeinsam mit British American Racing betriebenes Chassis-Entwicklungsprogramm umstrukturiert. Honda wird in Zukunft zusammen mit BAR in der Formel 1 antreten und wir freuen uns schon auf ein aufregendes nächstes Jahr."

Frage: "In welcher Entwicklungsphase steckt der neue Motor für die Saison 2003 zum gegenwärtigen Zeitpunkt und welche Fortschritte konnten sie bereits machen?"
Szafnauer: "Der Zeitplan für den neuen Motor ist ziemlich eng, jedoch geht das anderen Herstellern sicher genauso. Es ist ein komplett neuer Motor und die Designphase ist beinahe abgeschlossen. Ende September soll das neue Aggregat zum ersten Mal auf dem Prüfstand laufen. Im Anschluss daran wird es sukzessive Upgrades erfahren und weiter auf den Prüfständen bis zum Ende des Jahres getestet werden. Zu Beginn des Monats Januar soll der Motor dann zum ersten Mal im Boliden eingebaut sein und die ersten Kilometer auf der Rennstrecke abspulen. Wenngleich bis dahin nicht viel Zeit verbleibt, so verläuft das Programm doch voll nach Plan und wir werden weiter Dampf machen."

Frage: "Der 2002er-Motor, der RA002E, hat im Laufe der Saison viele Verbesserungen erfahren. Wird dies bis zum Ende des Jahres weiter der Fall sein?"
Szafnauer: "Es wird bis zum Ende der Saison weitere Entwicklungsschritte beim RA002E geben. Für den Frankreich-Grand Prix hatten wir einen bedeutenden Schritt gemacht und wir erwarten für die ausstehende Saison noch zwei oder drei weitere Schritte nach vorn. Es stehen ja noch vier Rennen an und wir werden den Motor deshalb weiter verbessern."

Bei Honda steht der finanzielle Aspekt der Motorenentwicklung weniger im Vordergrund als bei der Konkurrenz

Frage: "Sie selbst sind nun seit sechs Monaten bei Honda Racing Development. Inwiefern unterscheidet sich Hondas Herangehensweise an den Motorsport und speziell an die Formel 1 von den anderen Herstellern?"
Szafnauer: "Nun, Honda ist in der Formel 1 um Rennen zu fahren, um Rennsaisons zu bestreiten. Wir sind wegen des Motorsports dabei und weniger aus kommerziellen oder marketingbezogenen Gründen. Honda ist in der Formel 1, weil sie die schwierigste Herausforderung darstellt und wir der Welt beweisen wollen, dass wir in einer technisch anspruchsvollen und wettbewerbsfähigen Motorsportserie zu den Gewinnern gehören können."

Frage: "Gibt es Dinge die Hondas Einstellung besonders hervorheben?"
Szafnauer: "Wenngleich die Budgets für jeden Hersteller sehr wichtig sind, inklusive Honda, so ist einer der Unterschiede, dass das Geld keine Rolle spielt, wenn wir Verbesserungen der Performance des Motors finden. Wenn wir einen technischen Vorteil entdecken, so hat dies bei Honda mehr Bedeutung als das Budget, was uns von anderen Herstellern, wo die Finanzabteilung erst grünes Licht geben muss und damit Einfluss auf technische Entscheidungen und Entwicklungen hat, schon unterscheidet. Hondas Formel-1-Programm wird von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung geleitet, technisch geleitet, und manchmal werden die reinen finanziellen Überlegungen in den Hintergrund gestellt. Bei anderen Herstellern mag das nicht notwendigerweise genauso sein."

Frage: "Man hört immer wieder von Hondas Verpflichtung gegenüber den jungen Ingenieuren die durch das Formel-1-Programm ausgebildet und trainiert werden. Denken Sie, dass das eine Rolle bezüglich Hondas Einstellung zum Rennsport spielt?"
Szafnauer: "Definitiv. Bestandteil von Hondas Einstellung gegenüber der Formel 1 ist die Entwicklung von Technologie und Fertigkeiten. Um das auch in Zukunft erfolgreich tun zu können, profitieren junge Ingenieure von der Ausbildung im Rennsport, wie der F1. Die diesem Programm eigenen Rotation bedeutet, dass ein Ingenieur, der heute eng zusammen mit einem Team arbeitet, vielleicht in zwei Jahren in Japan Motoren konstruiert. Durch seine Ausbildung im Umfeld der Formel 1 wird er dann die Anforderungen an einen Formel-1-Motor besser verstehen und in der Designphase im Hinterkopf haben worauf es am Ende auf der Rennstrecke ankommt. Diese Einstellung ist ganz anders als die der anderen Hersteller, wo einige Headhunter damit beauftragt werden Leute zu suchen die ihnen einen strategischen Vorteil verschaffen könnten. Honda bildet seine Ingenieure alle selbst aus und nutzt die Fähigkeiten der Talente aus der Firma, um technische Vorsprünge und Motoren zu entwickeln."

Zusammenarbeit zwischen Honda und BAR wird intensiviert

Frage: "Wie beurteilen Sie nach den bisherigen Leistungen in diesem Jahr Hondas Position und das Entwicklungspotenzial für die verbleibende Saison?"
Szafnauer: "Unsere Ziele für den Rest des Jahres sind ziemlich aggressiv, genauso wie die für nächstes Jahr. Wir können sie erreichen und arbeiten hart um sie zu erreichen. Wie dem auch sei, mit unserer bisherigen Leistung sind wir nicht zufrieden. Wir machen Fortschritte, jedoch muss die Rate an Fortschritten weiter steigen und darauf konzentrieren wir uns. Aus dem einfachen Grund nie zufrieden zu sein, setzen wir unsere Arbeit fort, um aufzuholen und die anderen Motorenhersteller und Teams die momentan in der Startaufstellung vor uns stehen zu übertreffen. Wir erkennen die Tatsache, dass die Formel 1 eine unglaubliche Herausforderung darstellt, welcher wir uns stellen, an. Wir wollen gewinnen - aus diesem Grund sind wir dabei."

Frage: "Welche Fortschritte macht das Chassis-Entwicklungsprojekt das Honda zusammen mit BAR betreibt?"
Szafnauer: "Nun ja, seit drei Jahren arbeiten BAR und Honda gemeinsam an diesem Projekt und innerhalb dieser Zeit haben wir festgestellt wo Hondas Ressourcen am besten mit denen von BAR in Einklang sind, sodass sie effizient genutzt werden können und dadurch dem Chassis-Projekt im Allgemeinen zu Gute kommen. In der Zukunft wird es ein paar Veränderungen in den Bereichen geben auf die sich Honda konzentriert. Das hat den Hintergrund, dass wir vermeiden wollen, dass wir uns in Bereichen überschneiden oder Bereiche vernachlässigt werden. So können wir sicherstellen, dass Hondas und BARs Ressourcen bestmöglich genutzt werden. Das gemeinsame Chassis-Entwicklungsprojekt wird fortgesetzt und intensiviert."

Frage: "Hat Honda durch das gemeinsame Chassis-Entwicklungsprojekt Wissen gewonnen was man in Japan in der Weiterentwicklung anwenden kann?
Szafnauer: "Für Honda ist es ein Lernprogramm gewesen und was wir gelernt haben, haben wir mit nach Japan genommen, um es mit den dort vorhandenen Möglichkeiten weiter zu entwickeln. Diese Informationen werden dann BAR zur Verfügung gestellt, um auch ihnen zu helfen Fortschritte zu machen."

Formel 1 technisch anspruchsvoller als CART und IRL

Frage: "In Kürze wird die Formel 1 in Amerika den Grand Prix fahren. Wenn man Hondas Erfahrungen in Amerika berücksichtigt, was sind die unmittelbaren Unterschiede zwischen der Formel 1 und der CART/IRL-Serie?"
Szafnauer: "Der größte Unterschied ist wohl, dass es in der CART und IRL maximal zwei oder drei Chassishersteller und vielleicht drei oder vier Motorenhersteller gibt, aus denen die Teams dann ein Package aus Chassis und Motor zusammenstellen können. In der Formel 1 konstruieren hingegen alle Teams ihr eigenes Chassis und die meisten Teams haben auch ihren eigenen Motorenlieferanten. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, wie zum Beispiel Jaguar und Arrows, welche von Cosworth Motoren erhalten oder Jordan und BAR, welche unseren Motor einsetzen. Die gesamte Entwicklung verläuft betriebsintern, weshalb die eigenen technischen Fähigkeiten mehr Stellenwert besitzen als wenn man von einem Hersteller das Auto und den Motor kauft."

Frage: "Und worin sehen Sie die Attraktivität der Formel 1 für die amerikanischer Besucher liegen?"
Szafnauer: "Die amerikanischen Formel-1-Fans sind meist sachkundig und interessieren sich für die Technologieunterschiede zwischen den Autos und Motoren in der Formel 1. Das Problem für diese Fans ist jedoch, dass die Rennen zu sehr frühen Zeiten übertragen werden, was besonders auf die an der Westküste lebenden Menschen zutrifft. Wenn man in Kalifornien lebt, so beginnt das Rennen für einen um vier oder fünf Uhr morgens, was es erschwert hohe Einschaltquoten zu erreichen oder die Formel 1 zu verfolgen."