• 23.08.2002 10:04

  • von Fabian Hust

Surer: "Bridgestone und Ferrari harmonieren"

In Teil 2 der Exklusiv-Interviewreihe mit Surer dreht sich alles um den "Reifenkrieg" zwischen Bridgestone und Michelin

(Motorsport-Total.com) - Im ausführlichen, vierteiligen Fachgespräch mit F1Total.com-Chefredakteur Fabian Hust spricht der ehemalige Schweizer Formel-1-Fahrer Marc Surer heute über den "Reifenkrieg" zwischen Bridgestone und Michelin.

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Marc Surer lobt trotz aller Probleme die Arbeit von Michelin

"Bridgestone und Ferrari harmonieren"

Frage: "Im Kampf um die Vorherrschaft auf dem Reifensektor kann in diesem Jahr Bridgestone den Sieg für sich verbuchen. Hatten sie nach dem letzten Jahr gedacht, dass Bridgestone die Oberhand behalten kann?"
Surer: "Michelin kam im letzten Jahr auf schnellen Strecken gut zurecht, vor allem dann, wenn es heiß war und im Zusammenspiel mit dem BMW-Motor. Bei Rennen wie in Hockenheim oder in Monza waren das eindeutig Rennen, die die Reifen und der Motor entschieden haben. Aber ansonsten war Michelin im letzten Jahr nicht konstant, was sie im ersten Jahr aber auch gar nicht sein konnten. Wie viele andere habe auch ich gedacht, dass sie in diesem Jahr viel konstanter sein könnten, die Schwankungen sind aber immer noch da."

"Bridgestone ist vor allem in Kombination mit Ferrari stark. Wenn man ins Mittelfeld schaut, dann ist es eigentlich sehr ausgeglichen. Bei Ferrari hatte man die Möglichkeit gehabt, die Reifen so zu wählen, dass sie zum Auto passen. Das heißt, die Gewichtsverteilung, die der Ferrari hat, hat ja nur der Ferrari. Dort hat man mehr Gewicht vorne und darauf kann man die Reifen abstimmen. Diese Möglichkeit besitzt natürlich Michelin nicht unbedingt, weil sie mit dem McLaren und Williams zwei ziemlich unterschiedliche Autos haben, die unterschiedliche Reifen brauchen."

"Somit hat Bridgestone einen riesigen Vorteil, weil sie sich nur auf ein Auto konzentrieren müssen, die anderen sind gezwungen das zu nehmen, was man ihnen zur Verfügung stellt. Wenn man das Mittelfeld anschaut, so ist die Situation ziemlich ausgeglichen, an der Spitze ist es einfach die Kombination aus Ferrari und Bridgestone, die miteinander harmoniert."

Frage: "Also würden sie sagen, dass es für Bridgestone besser ist ein Top-Team zu haben anstatt wie Michelin auf die Testarbeit von zwei Top-Teams zurückgreifen zu können?"
Surer: "Wenn man um die Weltmeisterschaft fährt, ja."

"Der Bridgestone-Reifen funktioniert unter verschiedenen Bedingungen"

Frage: "Ohne natürlich näher darauf einzugehen sprechen die Fahrer von zwei völlig verschiedenen Konzepten, wie Bridgestone und Michelin versuchen, ihre Reifen zu entwickeln. Wissen sie, was die Piloten in diesem Zusammenhang meinen?"
Surer: "Bridgestone hat einen Reifen, der bei sehr verschiedenen Bedingungen gut funktioniert, der also bei Strecken ohne Gummi funktioniert, der auch arbeitet, wenn er abgefahren ist und so weiter. Der Bridgestone-Reifen ist da manchmal einfach überlegen."

Frage: "Von den Bridgestone-Teams hört man recht selten Klagelieder über die Reifen, bei Michelin spricht man von schlechten Intermediates, einem zu kleinen Temperaturfenster, nervösem Fahrverhalten?"
Surer: "Zunächst einmal muss ich sagen, dass der Intermediate-Reifen von Bridgestone für mich ein Wunderreifen ist, da er nämlich bei Nässe und Trockenheit extrem gut funktioniert. Bei Michelin ist es so, dass man mit sehr weichen Seitenwänden arbeitet. Das heißt der Reifen gibt plötzlich nach, wenn man genau hinschaut, dann kann man sehen, wie der Reifen hinten plötzlich einknickt. Das macht die Abstimmungsarbeit natürlich ein bisschen schwieriger. Der Bridgestone-Reifen hat ein wesentlich breiteres Fenster, in dem er funktioniert. Aber die Japaner verfügen natürlich auch über wesentlich mehr Erfahrung, das muss man zugeben."

Michelin macht einen super Job!

Frage: "Wenn man auf die Reifenkriege der vergangenen Jahre zurückblickt, würden sie eher sagen, dass Michelin keinen guten Job macht oder dass Bridgestone außergewöhnlich gute Reifen bereitstellt?"
Surer: "Bridgestone hat es verstanden, den Erfahrungsvorsprung, den man mit den Rillenreifen in der Formel 1 hat, für sich zu nutzen. Michelin macht einen super Job, sie sind ja schließlich erst im zweiten Jahr in der Formel 1, das darf man ja nicht vergessen. Sie gewinnen Rennen, sie fahren Pole Positions, sie sind vorne dabei, das ist schon beeindruckend."

Frage: "Bei vielen Experten sorgen einige Aussagen von Michelin-Sportdirektor Pierre Dupasquier für Kopfschütteln, zum Beispiel jene, dass man über einen Reifen nur ein paar Zehntel finden könnte, über die Aerodynamik jedoch Sekunden. Ist der Franzose ein schlechter Verlierer oder glauben sie, dass er Recht hat, wenn er sagt, dass die Dominanz von Ferrari nicht auf die Reifen zu schieben ist sondern auf das Auto?"
Surer: "Da muss ich ihm sicherlich Recht geben. Wenn man gegen ein so gutes Auto kämpft, da kann man noch so gute Reifen mitbringen, das andere Auto ist einfach besser. Insofern muss ich ihm Recht geben, dass man aber nur ein paar Zehntel findet, das stimmt natürlich nicht, das haben wir ja schon ein paar Mal gesehen. Wenn Montoya Pole fährt und im Rennen nicht mithalten kann, das kann man wirklich auf den Reifen schieben. Wenn man den optimalen Bereich des Reifens, den Peak, erwischt, dann gibt es plötzlich eine Sekunde umsonst."

Lesen Sie am Montag Teil 3 des großen Interviews mit Marc Surer. In diesem Gespräch geht es unter anderem um Rücktrittsgedanken bei Michael Schumacher, eine mögliche zweite Karriere als Teamchef, junge Talente in der Formel 1 und Jacques Villeneuve.