• 10.10.2013 10:29

  • von Dieter Rencken

Symonds über Williams: "Widerwille, mit der Zeit zu gehen"

Der neue Technikchef in Grove ist wegen der Personalstruktur und der finanziellen Voraussetzungen für die Zukunft optimistisch gestimmt: "Sind professionell"

(Motorsport-Total.com) - Der Transfer Kimi Räikkönens sorgte für Schlagzeilen in den Gazetten. Das Interesse der Insider im Formel-1-Fahrerlager zog aber ein ganz anderer Wechsel auf sich: Der des Pat Symonds, der seinen Posten als Berater bei Marussia aufgab und einen Vertrag bei Williams unterschieb. Im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' berichtet der 60-jährige Brite über das Arbeitsklima in Grove, den dringendsten Verbesserungsbedarf und die Zukunftschancen der blau-weißen Traditionsmannschaft.

Titel-Bild zur News: Pat Symonds

Pat Symonds fühlt sich an seine Rolle in Benetton-Tagen erinnert Zoom

Frage: "Pat, wie siehst du Williams für die Zukunft aufgestellt?"
Pat Symonds: "Unsere Stärken sind, dass wir eine fantastische Infrastruktur haben. Die Investitionen in den vergangenen Jahren waren ziemlich hoch und bleiben auch hoch. Das ist etwas, was ich für eine Rückversicherung halte. Wir haben eine gut ausgestattete Fabrik, aber es gibt keine Andeutung, dass wir das herunterfahren würden. Es gibt einen guten, fortlaufenden Investmentplan. Die andere Stärke ist, dass wir viele Leute, und vor allem viele clevere Leute, sind. Mit einigen von ihnen habe ich schon vorher zusammengearbeitet und kenne daher ihre Stärken."

"Einige von ihnen habe ich erst kürzlich getroffen, aber ich bemerke ihre Stärken. Woche für Woche lerne ich neue Leute kennen und rede mit ihnen, am Ende denke ich mir: 'Ein guter Typ ist das.' Es gibt viele gute Dinge hier: Unser Budget ist angemessen. Es ist niemals genug, aber mit Sicherheit angemessen. Es ist aber nötig, um einen viel besseren Job zu erledigen, als wir es im Moment tun. Es gibt viele positive Dinge, aber wenn ich eines herauspicken müsste: Es ist etwas Neues für Williams: Es weht ein Wind der Veränderung, und dieser wird akzeptiert."

"Die Welt hat sich weitergedreht

"Wir sollten uns mal den Schwächen widmen. Eine der Schwächen ist, dass das Team in den vergangenen paar Jahren nicht wirklich mit der Zeit gegangen ist. Ich schätze, dass es einen Widerwillen gibt zu akzeptieren, dass die Formel 1 voranschreitet. Es ist so eine schnelllebige Branche. Wir haben viel gewonnen, warum gewinnen wir nicht mehr? Die Welt hat sich weitergedreht. Ich denke, man sollte Respekt vor der Vergangenheit und den Erfolgen von Williams haben, aber sie nicht als Standard nehmen, wenn man sich vorwärts bewegt. Und ich denke, dass man sich jetzt wohl bewusster über die Veränderung ist."


Fotos: Williams, Großer Preis von Südkorea


"Und ich rede da über fundamentale Änderungen und nicht darüber, dass man einfach einen neuen Technikchef verpflichtet und alles prima ist. Es ist mehr kulturell. Ich hoffe, dass eine der signifikantesten Schwächen nun ausgemerzt wird. Man kann die Kultur kaum ändern, genauso wie die Menschen. Aber es gibt einen großen Willen und ich habe mich hier sofort willkommen gefühlt - auf jedem Level des Unternehmens. Ich lerne gerne Leute kennen und versuche bei jedem Mittagessen mich an einen anderen Tisch zu setzen, damit ich Leute treffen kann, die ich noch nicht kenne. Mir dünkt, dass wir diese Schwäche loswerden."

"Es gibt Perspektiven, nach denen wir greifen sollten. Wir haben ein solides Geschäft, es ist gut aufgestellt und gut finanziert. Ich denke auch, dass durch Williams Advanced Engineering eine gute Möglichkeit besteht. Es ist ein starkes Unternehmen, das uns zur Seite steht. Und wo ich denke, dass Williams in Vergangenheit ein wenig von seinen Nebenprojekten abgelenkt wurde - wie die BMW-Le-Mans-Autos oder Formel-2-Boliden - gibt es nun eine leistungsfähige Struktur, um diese Art Geschäft zu nutzen. Das bringt auch einen Ertrag für das Formel-1-Team, der immer größer wird. Das schafft vielversprechende Perspektiven."

Prioritäten? Eine lange Liste...

"Wo liegen unsere Gefahren? Wie alle anderen auch wissen wir: Das Geschäftsmodell der Formel 1 ist in gewisser Weise am Boden. Es ist eine Bedrohung für alle Teams. Ich denke, Williams weiß das und geht angemessen damit um. Ich denke, wir haben ein nachhaltiges Geschäft - und viele andere nicht. Ich habe einen ziemlich guten Eindruck davon, was getan werden muss. Es gibt viel zu tun."

Pastor Maldonado

Pastor Maldonado kann schon jetzt auf ein kompetentes Team vertrauen Zoom

"Meine vermutlich größte Herausforderung ist nun, Schwerpunkte zu setzen und sicherzustellen, dass wir die nächste Saison angehen und die größten Dinge bereits in Angriff genommen haben. Durch die To-Do-Liste zu gehen braucht viel Zeit. Man muss einiges restrukturieren und neu aufbauen. Das braucht Geduld und in diesen Tagen Leute einzustellen, ist ein Alptraum. Es braucht so lange, bis sie in den Prozess integriert sind. Es ist ein kostspieliges Unterfangen."

Frage: "Was auf eurer Liste genießt denn oberste Priorität?"
"Naja, sie ist schon sehr lang und wir arbeiten daran. (lacht) Ich habe aber erkannt, dass es zwei Bereiche gibt, in denen ich arbeite. Es gibt aber auch solche, wo ich derzeit nicht viel tun muss. Ich bin momentan natürlich und klarerweise im Rahmen der Aerodynamik-Arbeit aktiv, dazu bei der Verbesserung der Kommunikation, um die Leistung des Autos zu verbessern. Was ich damit meine: Wir haben gute Leute, wir verfügen über gute Infrastruktur. Ich glaube, dass wir einen modernen Windtunnel haben, der von kompetenten Leuten gebaut wurde. Es geht darum, Abläufe zu verändern. Vieles von dem, was ich tue, ist das Optimieren von Abläufen."

Designer bereiten Symonds keine Kopfschmerzen

"Ich gehe nicht zu jemanden hin und sage, wir müssten die Geometrie des Frontflügels verändern und alles sei in Butter. Da bin ich eher ein Typ, der sich den Prozess dahinter ansieht und fragt, ob es die richtige Denkweise ist, wie das Auto schneller gemacht wird. Bei der Aerodynamik modifizieren wir bei den Abläufen derzeit vieles. Dazu kommt die Leitung des Wagens. Es gehört bei Williams dazu, dass in jedem Bereich Ziele gesetzt werden. Aber das schweißt nicht unbedingt zusammen. Es geht mehr darum, welcher Bestwert mit dem Auto erzielt werden kann als darum, was die Aerodynamik dem Fahrzeug tatsächlich bringt."

"Zweitens die Kommunikation. Es gilt, Leistung herauszukitzeln. Die Abteilung für den Einsatz des Autos auf der Strecke, für die technische Entwicklung - es ist zentral, den Wagen schneller zu machen. Es gibt aber auch Bereiche, in denen wir gut aufgestellt sind, zum Beispiel beim Designteam. Ich habe mich dort sofort wohlgefühlt und die Dinge entwickeln sich gut. Sogar für sie ist es schwierig, das Auto im kommenden Jahr unterhalb des Gewichtslimit zu halten."

Frage: "Bist du auch in die Produktion eingebunden?"
Symonds: "Ich kümmere mich nicht um die Produktion, arbeite aber eng mit dieser Abteilung zusammen. Meiner Meinung nach sind die vorhandenen Kapazitäten bei Williams sehr, sehr gut. Die Geschwindigkeit, mit der Teile gefertigt werden, ist beeindruckend. Wir hatten in Südkorea einige Teile, über die wir am Montag vor dem Rennen gesprochen hatten und die wir am Mittwoch in den Händen hielten. Das imponiert mir. Die Bereitschaft der Produktion, zu helfen, ist riesig. Dafür bin ich nicht verantwortlich und es braucht mich angesichts der guten Führung auch nicht."

Bei Williams künftig nicht mehr alles hausgemacht?

Frage: "Sind deine Aufgaben ähnlich zu denen, die du in der Vergangenheit hattest? Bei Renault warst du doch weniger im Design eingebunden, oder?"
Symonds: "Es ist mehr wie in Tagen bei Benetton, als wir ein kleineres Team waren. Das waren die Tage der alleinigen Technikdirektoren - damals waren meine Kompetenzen ganz ähnlich den heutigen. Bei Renault habe ich mir die Dinge mit Mike Gascoyne und Bob Bell geteilt, ich mich auf den Sport und die Entwicklung konzentriert. Bei Marussia - das ist ein kleines Team - da musste ich alles machen. Ich arbeite mit den Subunternehmern und führe die Fäden zusammen. Es ähnelt schon Benetton und der Mitte der neunziger Jahre."

Claire Williams

Claire Williams tritt in Grove in die Fußstapfen ihres Vaters Zoom

Frage: "Was ist mit den Zulieferern? Bist du dafür auch verantwortlich?"
Symonds: "Wir haben gar nicht so viele Zulieferer. Bei uns wird vieles in den eigenen Reihen erledigt. Wir nutzen Industriestandards, aber dieser Tage geht es mehr um das Elementare wie Antriebsstränge und so weiter. Ich freue mich darauf, eine Verbindung mit Mercedes aufzubauen, mit denen ich derzeit noch nicht so viel zu tun habe."

"Da laufen die Dinge derzeit auch ohne mich, obwohl wir das sehr bald werden thematisieren müssen. Beim Versuch, das Bestmögliche aus dem Auto herauszuholen, komme ich in Kontakt mit den Produzenten und Zulieferern. Wir tendieren aber dazu, das selbst zu regeln. Wir müssen das nicht komplett umwerfen, aber zumindest neu bewerten. Es ist eine schöne Sache, das so zu machen, aber wir müssen uns fragen, ob es auch das Beste ist."

Renault-Urgestein trifft Mercedes

Frage: "Bist du zuversichtlich, dass euer Budget ausreicht, um auf der Strecke Leistung zu bringen?"
Symonds: "Ja, ich denke schon. Man hat natürlich nie genug Geld. Aber ich sehe die finanzielle Gesamtsituation, ich sehe gute Bilanzen. Wir sind gut finanziert und stehen an der Spitze des Mittelfeldes. Es braucht einen weiteren Schritt, um wirklich mitzumischen. Williams ist robust aufgestellt, die Finanzen in guten Händen."

"Der Druck ist hausgemacht, nicht von den Investoren." Pat Symonds

Frage: "Erwartest du, dass eure Teilhaber demnächst Druck machen?"
Symonds: "Nein, die Verteilung der Anteile bei Williams ist anders als bei anderen Firmen. Es gibt nicht vieles, was sich in der Öffentlichkeit abspielen würde. Sie verstehen, dass die schnelle Dividende nicht wichtig ist. Den Druck, Leistung zu bringen, machen wir uns selbst, weil wir Wettbewerbstypen sind. Was es aber gibt, ist ein Informationsprozess und darüber musste ich zuvor nie nachdenken. Ich kann manchmal nicht mehr über Dinge sprechen, über die ich normalerweise gesprochen hätte. Es gibt mehr als die Frage, ob ich etwas als Schlüsselfaktor in Betracht ziehe oder nicht. Wenn es Teil des Informationsflusses ist, müssen es die Investoren als erste erfahren."

Frage: "Du hast zuvor nie mit eurem neuen Motorenpartner Mercedes gearbeitet, mit Renault bist du aber bestens vertraut."
Symonds: "Richtig. Aber im Laufe der Jahre bin ich schon mit einigen in Kontakt gekommen - auch wenn es mit Renault und Cosworth nicht allzu viele waren. Es gab da noch die sich abzeichnende Partnerschaft Marussias mit Ferrari, aber das war noch in den Anfängen. Damals entstand die Idee, zu Williams zu gehen und ich verabschiedete mich von der Vorstellung, etwas mit Ferrari zu tun zu haben. Aber es wird keine Schwierigkeiten geben, schließlich sind wir ein sehr professionelles Unternehmen. Wir haben auch noch einige geschäftliche Beziehungen mit Toto (Wolff, Anm. d. Red.), was uns nur helfen kann."