• 18.03.2005 15:09

Symonds: "Mit Zahlen sollte man vorsichtig umgehen"

Renaults Chefingenieur über die Regeln der Saison 2005, die Planungen für die Formel 1 der Zukunft und die Testfahrtensituation

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was habt ihr heute und in Australien über die neuen Regeln bereits gelernt?"
Pat Symonds: "Dafür ist es noch recht früh. Noch ehe die Saison begann, habe ich zu meinen Jungs gesagt, dass sie noch nicht einmal daran denken sollten, die Reifenregeln vor der Nacht nach dem Malaysia-Rennen zu verstehen. Melbourne ist kein typischer Kurs und oftmals seltsam, so auch wieder in diesem Jahr. Auch ist er nicht hart zu den Reifen und wir waren sicher auch konservativ. Auch hier sind wir noch leicht konservativ, aber eher aus einer Ignoranz heraus, als aus einem Wissen. Es ist noch ein langer Weg zu gehen und wir sollten nicht vorschnell urteilen. Für uns und die anderen Teams ist es schwierig, gerade bei der Reifenwahl. Und was wir heute gelernt haben? Recht wenig. Mit nur zwei Reifensätzen ist es unmöglich, wissenschaftlich zu arbeiten. Es ist schwierig, aber für alle gleich. Mal sehen, wie es sich in den nächsten Rennen entwickelt."

Titel-Bild zur News: Renault-Chefingenieur Pat Symonds

Renault-Chefingenieur Pat Symonds: "Die Fahrer lieben es, das Auto zu fahren"

Frage: "Was habt ihr gemacht, um mit den extremen Bedingungen hier zurechtzukommen, und ist Malaysia der ultimative Test für das ganze Jahr?"
Symonds: "Mit extremen Bedingungen ist vorrangig sicher die Temperatur gemeint. Es ist nicht mehr so, wie vor einigen Jahren - und so viele Jahre zurück denke ich da gar nicht. Da kamen wir mit Annahmen über die Kühlung hier her, und selbst Messungen waren damals schwierig, weil das Öl herausquoll. Heute ist das aber anders, wir haben viel Vertrauen in die Daten, die wir auf den Prüfständen und im Windkanal sammelten. Große Überraschungen bei der Motorenkühlung gibt es nicht. Wir konzentrieren uns schon mehr auf die Kühlung der Elektronik, aber eigentlich verläuft alles wie geplant."#w1#

Frage: "Eure Leistung in Melbourne war fantastisch. War das nur ein Strohfeuer, oder könnt ihr es hier fortsetzen?"
Symonds: "Ein Strohfeuer war es sicher nicht, und wir versuchen schon, das zu erhalten. In Melbourne hatten wir sicher etwas Glück, ich bin mit unter den Ersten, die das zugeben, aber selbst bei freier Strecke im Rennen waren die Autos so schnell und gut wie allen anderen da draußen. Es ist nur ein spezifischer Kurs, der aber von den Anforderungen an die verschiedenen Teile am Auto nicht untypisch ist. Ich hoffe, dass wir es wieder schaffen können, und das ganze Team ist zuversichtlich. Die Fahrer lieben es, das Auto zu fahren."

Regelrevolutionen nur mit Bedacht

Frage: "Du hast gegen Ende des vergangenen Jahres bei Renault mit Jacques Villeneuve gearbeitet. Kannst du deine Erfahrung diesbezüglich mit uns teilen und erklären, ob du von seiner Pace im Sauber überrascht bist?"
Symonds: "Als Jacques zu uns kam, kannte ich ihn nicht wirklich gut. Ich habe ein paar Mal mit ihm geredet, aber meine Meinung hatte ich zuvor aus dem gebildet, was ich gelesen habe. Ich habe ihn dann aber komplett anders kennen gelernt. Er hatte den Ruf, immer sehr entspannt zu sein. Aber das ist er gar nicht, er arbeitet sehr hart, hat viele Interessen, was das Auto betrifft. Im Rennen ist er sehr gut. Er hängt die ganze Zeit am Funk, redet das ganze Rennen hindurch mit seinem Ingenieur. Das ist als Fahrer sehr, sehr positiv, und ich verstand, warum er Weltmeister wurde. Bei uns hat er aber gelitten, weil sich die Formel 1 in seiner Auszeit rapide geändert hat. Als wir mit ihm das erste Mal in Silverstone waren, hat er gegenüber den anderen Fahrern dort ein wenig verloren. Ich habe das gar nicht gemerkt, bis er es gesagt hat. Er fuhr gerade seine schnellste Runde, mit einem beachtlichen Abstand. Er empfand es als schwierig, auch die Fitness. Dann kamen drei harte Rennen zum Ende der Saison. Ich denke, er war von einer Leistung enttäuscht, aber es lag sicher nicht an einem Mangel an Bemühungen."

Frage: "Von der FIA gab es unlängst einige Vorschläge für eine künftige Formel 1. Eine Reduzierung des Abtriebs um 90 Prozent und die Rückkehr von breiten Hinterreifen waren auch darunter. Hältst du es für möglich, damit die Autos von vor 30 Jahren wieder aufleben zu lassen, oder findet ihr die 90 Prozent verlorenen Abtrieb in zehn Minuten wieder?"
Symonds: "Das ist schwer zu sagen. Wenn man darüber spricht, den Abtrieb zu reduzieren, den Grip der Reifen aber zu erhöhen und dabei besonders darauf zu achten, was die Hinterreifen machen, dann kann man annehmen, dass sich die Überholmöglichkeiten verbessern werden. Dann aber zu sagen, wir sollten nur noch zehn Prozent unseres jetzigen Abtriebs haben, ist gefährlich. Ich weiß nicht, ob die Auswirkungen linear sind, denn es hat ja noch keiner versucht. Derzeit denke ich, dass es einen guten Prozess gibt. Ich würde nicht sagen wollen, dass die Formel 1 in einer Notlage ist. Es ist noch immer eine gute Rennformel. Die Fanbasis ist gut, aber wir sollten dennoch nicht selbstgefällig sein. Wir müssen darüber nachdenken, sie besser zu machen, und einen Wendepunkt dafür haben wir erreicht. Es ist gut, dass sich die Leute Gedanken darum machen, aber noch ist es auch sehr früh. Wir sollten vorsichtig mit Zahlen umgehen."

Ferraris Teststrategie stört Renault wenig

Frage: "Ihr dürft kein drittes Auto einsetzen. Worin besteht für euch der Sinn des Freitags und was sollte daran in Zukunft geändert werden?"
Symonds: "Derzeit herrscht bezüglich des Freitags an Anachronismus. Es gibt Gespräche, zu einem Zwei-Tages-Format zu kommen, und der Beginn dieser Saison zeigt, dass diese Idee gut ist. Dabei könnte man das hervorragend mit anderen Dingen kombinieren: eine Testsession zum Beispiel. Derzeit ist der Freitag nicht sonderlich spannend."

Frage: "Im Vorfeld dieser Saison gab es Diskussionen um die Testbeschränkung, an der Ferrari nicht teilnimmt. Wie groß ist der Vorteil, den Ferrari daraus schöpft?"
Symonds: "Es wird oft gesagt, dass die Regeln egal sind, weil sie ja für alle gelten. Nun ist aber genau das keine Regel, sondern ein Abkommen. Aber zum ersten Mal erlebe ich es, dass eine Regel nur für einen gilt, für die anderen aber eine andere Regel. Man könnte meinen, dass uns das nicht gefällt, aber dem ist nicht so. Renault ist kein reiches Team, und im vergangenen Jahr konnte man 48 Testtage absolvieren. Eine Beschränkung, an wie vielen Orten man gleichzeitig testen darf, gab es nicht. Die meisten unserer Gegner haben das voll genutzt. Unser Budget lässt das aber nicht zu. Wir konnten uns nur 36 Testtage erlauben, und das immer nur auf einer Strecke. Natürlich hat Ferrari einen Vorteil durch die Situation, auch wenn ich ihre Position verstehe. Aber wir haben als Team dennoch dadurch gewonnen, denn wir haben andere Teams auf unser Niveau zurückgeholt. Es ist eine ungewöhnliche Situation, mit der ich aber gut leben kann."

Frage: "Was denkst du über Red Bull Racing?"
Symonds: "Im Winter sah es so aus, als würden sie technisch einen guten Job machen, das hat sich dann in Melbourne auch gezeigt. Es ist erst ein Rennen absolviert, aber ich denke, dass sie eine gute Saison haben werden und das ist schön zu sehen. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Grundlagen noch durch das Jaguar-Team gelegt wurden. Außerdem wollen sie den Spaß zurückbringen. So etwas können wir noch häufiger gebrauchen."