Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt
Symonds erklärt die Auswirkungen des neuen Reglements
Renaults Chefingenieur Pat Symonds erklärt die strategischen Veränderungen, die das neue Reglement für die Formel-1-Saison 2006 mit sich bringt
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Pat, die größte Veränderung in der neuen Saison sind sicher die Reifen. Die Reifen müssen nun im Rennen und an den gesamten Rennwochenenden anders eingesetzt werden. Wie siehst du diese Neuerung?"
Pat Symonds: "Zunächst einmal dürfen wir während des Rennens wieder die Reifen wechseln. Das ist kein Schritt ins Unbekannte, denn somit kehren wir zu den Sprintrennen zurück, die wir Mitte der 90er Jahre gesehen haben. Interessanter ist aber, wie wir die Reifen während des Rennwochenendes verwenden werden. Im Gegensatz zum Vorjahr sind wir jetzt völlig frei und wir müssen die Reifenwahl erst vor Beginn des Qualifyings treffen. Früher mussten wir uns schon am Samstagmorgen entscheiden. Wir können jetzt sogar das Rennen mit neuen Reifen in Angriff nehmen und dann im Rennen noch einmal Reifen wechseln, wenn wir das wollen. Insgesamt haben wir aber nur sieben Reifensätze zur Verfügung, also wird es eine entscheidende Rolle spielen, die Reifen strategisch richtig einzusetzen."

© Renault
Renault-Urgestein Symonds gilt als einer der erfahrensten Strategen der Formel 1
Frage: "Welche Kompromisse gehen damit einher?"
Symonds: "Wir müssen den Zeitvorteil, den ein neuer Reifensatz bringt, gegen die Arbeit mit dem Setup, die wir im Freien Training verrichten, abwägen. Zuerst einmal müssen wir uns entscheiden, wie viele Reifensätze wir im Training verwenden wollen. Dann müssen wir festlegen, wie viele neue Reifensätze im Qualifying zum Einsatz kommen sollen - einer, zwei, drei?"#w1#
Für das Rennen braucht man möglichst frische Reifen
"Im Idealfall spart man sich natürlich so viele Reifen wie möglich für das Rennen auf, aber die Frage ist, ob man schnell genug ist, um auch ohne neue Reifen in die letzte Session des Qualifyings zu kommen. Wie viel Zeit kann man gewinnen, wenn man bei einem Boxenstopp im Rennen neue Reifen aufzieht. Der strategische Vorteil, den man dadurch erhält, variiert von Strecke zu Strecke, also werden wir mancherorts bei jedem Boxenstopp neue Reifen abholen. Es gibt aber viele Faktoren, die man diesbezüglich in Betracht ziehen muss."
Frage: "Ihr werdet natürlich weichere Reifen als 2005 verwendet. Was ändert sich dadurch am Setup und an den Strategien?"
Symonds: "Die Verwendung von kurzlebigeren Reifen erfordert eine fundamentale Änderung in der Reifenentwicklung. Wir werden uns über den Verschleiß 2006 weniger Gedanken machen, aber Probleme wie Graining werden dafür wieder zum Thema. Wir werden die Autos so abstimmen, dass sie die Reifen optimal nutzen, und wir können mit den Setups aggressiver sein, weil die Reifen nicht mehr das ganze Rennen über halten müssen. Außerdem gibt es Auswirkungen auf die Strategie. Letztes Jahr konzentrierten sich alle auf Zweistoppstrategien mit möglichst langen ersten Stints, aber 2006 werden wir mehr Boxenstopps und unterschiedlichere Strategien erleben. Man will nämlich den Vorteil der neuen Reifen optimal ausschöpfen."
Frage: "Das Wochenendformat wurde ebenfalls geändert. Geht ihr dadurch anders an das Rennwochenende heran?"
Symonds: "Der signifikanteste Unterschied ist, dass wir die Reifenentscheidung nicht mehr am Freitagabend treffen müssen. Die Streckenbedingungen sind am Freitag in der Regel nicht ideal, aber letztes Jahr mussten wir trotzdem das Verhalten der Reifen studieren und anhand dieser Erfahrungen eine Entscheidung treffen. Das ist nicht mehr der Fall, weil wir uns jetzt erst vor dem Qualifying festlegen müssen. Dadurch können wir testen, wenn die Streckenbedingungen am repräsentativsten sind."
Freitage könnten noch langweiliger werden
Frage: "Werden wir also am Freitag weniger Fahrbetrieb erleben?"
Symonds: "Ziemlich sicher. Die Teams, die den Vorteil eines dritten Autos haben, werden natürlich viel fahren, aber die Topteams werden nicht allzu viel Aktivität zeigen. Die Reifensituation ist ein Grund, aber es gibt auch ein längeres Qualifying, welches Motorenlebensdauer beansprucht. Wir müssen die Lebensdauer der Motoren wieder sehr sorgfältig handhaben, vor allem am Beginn des Jahres, wenn alle Teams noch mit brandneuen Motoren fahren. Alle werden versuchen, am Freitag möglichst schonend mit dem Material umzugehen."
Frage: "Man muss aber trotzdem fahren, um ein gutes Setup herauszufinden..."
Symonds: "Natürlich, aber wir reden ja nur von der Einteilung des Zeitplans, wie wir fahren. Bei einer trockenen Wettervorhersage wird es am Freitagmorgen nur sehr wenig Fahrbetrieb geben, am Freitagnachmittag ein bisschen mehr, aber die Mehrheit der Arbeit werden wir dann erst am Samstagmorgen erledigen, wenn die Streckenbedingungen am besten sind. Diese einstündige Session wird sehr hektisch!"
Poker um die Startplätze außerhalb der Top 10
Frage: "Es gibt ein neues Qualifikationsformat. Welche strategischen Umstellungen bringt es mit sich?"
Symonds: "Das hängt davon ab, welchen Startplatz man erwartet. Wenn man hinten steht, ändert sich nicht viel, und wenn man vorne steht, ist es etwas komplexer, aber nicht allzu schlecht. Im Mittelfeld gibt es aber eine Kreuzung von Interessen. Die Autos außerhalb der Top 10 dürfen ihre Startbenzinmenge für das Rennen nach dem Qualifying festlegen, also ist der elfte Startplatz fraglos besser als der zehnte. Dann kann man für die Rennstrategie längere Stints einplanen, durch die man bei den Boxenstopps an Konkurrenten vorbeigehen kann. Dadurch könnte es in der zweiten Session des Qualifyings zu einem Pokerspiel um die Positionen außerhalb der Top 10 kommen."
Frage: "Werden die Autos in der Pole-Position-Session niedrigere Benzinmengen fahren als die Autos außerhalb der Top 10?"
Symonds: "Ich denke schon. Es gibt natürlich eine ideale Benzinmenge, aber man muss berechnen, ob man in der 20-minütigen Session genug von diesem Benzin verbrennen kann, um am Ende eine schnelle Runde mit fast leerem Tank hinlegen zu können. Dann ist das Auto nämlich am leichtesten und damit auch am schnellsten. Wenn das nicht geht, nimmt man dann weniger Benzin für eine bessere Startposition? Oder riskiert man für einen strategischen Vorteil eine schlechtere Startposition? Man muss eine Balance zwischen richtiger Rennstrategie und dem Qualifying finden. Für die Autos außerhalb der Top 10 ist es nur logisch, viel Benzin mitzunehmen, wenn es die Reifen erlauben. Dadurch kann man später an die Box fahren und vielleicht weniger oft stoppen, um im Rennen die Position zu verbessern."
Frage: "Wird sich auch der Charakter der Rennen verändern?"
Symonds: "Ich denke, dass wir oft ein Muster erleben werden, bei dem die Top 10 früher an die Box kommen müssen, während die restlichen Autos noch draußen bleiben können. Die Top 10 werden also früher an die Box kommen, kürzere erste Stints fahren, wie wir das schon 2003 und 2004 gesehen haben. Die Autos außerhalb der Top 10 werden lange draußen bleiben und vielleicht weniger oft an die Box kommen als 2005. Das Qualifyingsystem wird die Rennen in zwei Hälften aufteilen, zumindest in der ersten Phase."

