• 20.08.2004 10:56

  • von Fabian Hust

Surtees: In Spa sollte man auf Schumacher wetten

Ex-Formel-1-Weltmeister John Surtees analysiert das Rennen in Ungarn und blickt auf den kommenden Lauf in Spa-Francorchamps

(Motorsport-Total.com) - Ex-Formel-1-Weltmeister John Surtees befand sich beim letzten Formel-1-Lauf in Budapest in der Zwickmühle, in der sich im Moment die meisten Experten befinden: Das Rennen an sich war aufgrund der anhaltenden Ferrari-Dominanz langweilig, auf der anderen Seite ist es für einen Insider faszinierend, ein Team derart dominieren zu sehen und den erfolgreichsten Formel-1-Fahrer aller Zeiten live bei der Arbeit zu erleben.

Titel-Bild zur News: Bus-Stop-Schikane in Spa-Francorchamps

John Surtees freut sich, in Spa bald wieder Formel-1-Autos fahren zu sehen

"Für die wirklichen Enthusiasten war es wieder einmal eine Freude, eine weitere ausgezeichnete Leistung von Ferrari und all seinen Partnern, speziell Bridgestone, zu erleben", so Surtees auf der Internetseite von 'Vodafone Racing'. "Wenn man an 2003 zurückdenkt und den damaligen Leistungsrückstand, den das Team, seine Fahrer und der Reifenpartner zeigten, dann ist die Performance vom Sonntag schon etwas ganz Besonderes."#w1#

Als alles andere als perfekt empfand der Brite die Leistung von Takuma Sato, der im Qualifying noch vor Teamkollege Jenson Button auf den dritten Platz gefahren war: "Sato machte in der ersten Runde alles falsch, was man falsch machen kann und fand sich weit hinten, im Duell mit Kimi Räikkönen um Platz acht, wieder. Aber unter dem Strich brachte er sein Auto in den Punkten ins Ziel, und an diesem Tag hat er sicherlich wieder viel dazu gelernt."

Viel zu lernen hat ganz offensichtlich auch McLaren-Mercedes mit dem neuen MP4-19B: "Nach dem Auftritt in Hockenheim hegte man bei Mercedes große Hoffnungen. Kimi Räikkönen musste aufgeben, ohne sich zuvor so recht in Szene gesetzt zu haben, und David Coulthard erging es nicht besser, auch wenn er über die Runden kam. Es heißt, man habe die falsche Reifenwahl getroffen. Im Training waren die Autos recht schnell gewesen. Wenn es dann bei der Reifenwahl gewisse Zweifel gab, wundere ich mich darüber, dass man sich nicht absicherte und - beispielsweise - David die weichere Mischung gab."

Der 70-Jährige appelliert an die Formel 1, nicht nur die Autos sondern auch die Strecke zu verändern. Die "hochgejubelte Kartpiste" des Hungarorings habe gezeigt, wie man es falsch macht: "Beim Deutschland-Grand-Prix haben wir ja Überholmanöver gesehen. Gelegentliche Ausbremsmanöver am Ende der Zielgeraden sind die rare Ausnahme dieser Regel. Grundsätzlich braucht man ein Auto, das einen beträchtlichen Leistungsvorteil hat, um vorbeizukommen. Da ist es auch nicht gerade hilfreich, dass der Vorteil eines vorn liegenden Autos gegenüber seinem Verfolger noch zunimmt, wenn mit viel Flügel gefahren wird."

Umso mehr freut sich der 111-fache Grand-Prix-Teilnehmer, dass es kommende Woche wieder nach Spa geht: "Im letzten Jahr vermissten wir diese Rennstrecke sehr. Am letzten Wochenende nahm ich an einem Event für historische Motorräder teil, das in Spa veranstaltet wurde. Aus der Perspektive des Motorradsattels war es für mich ein neuer Circuit. Bisher fuhr ich dort nur 1987, als mich Mercedes-Benz bat, in Spa eines der Museum-Autos des Konzerns zu bewegen. Man gab mir einen W125 mit ungefähr 600 PS und Reifen mit gerade einmal gut zehn Zentimeter breiten Laufflächen. In der Mitte der Pedalerie war das Gaspedal, die Bremse war rechts. Das war eine ordentliche Herausforderung."

"Jetzt nahm ich die 500 ccm MV Agusta, mit der ich in den 50er-Jahren auf dem alten langen Kurs gefahren war. Auch die Norton F war ein Erlebnis. Wenn man einmal den Rhythmus und die Linie durch die Serie geschwungener Kurven gefunden hat, welche den alten Circuit abkürzt, dann ist das schon sehr befriedigend. Es ist keine Rennstrecke für Leute mit schwachen Nerven. Ich kann mir gut vorstellen, was die Fahrer erleben, die gut 800 PS im Rücken haben - welchen Fliehkräften sie in manchen dieser Kurven ausgesetzt sein werden. Das ist schon eine wundervolle Anlage inmitten der belgischen Ardennen-Landschaft."

Gerade weil Spa-Francorchamps so anspruchsvoll ist, rechnet Surtees mit einem weiteren Schumacher-Sieg: "Was das kommende Rennen betrifft, so braucht man sich diese Rennstrecke nur anzuschauen. Wer erkennt, welche Herausforderung sie darstellt, der wird wohl kaum eine Wette eingehen und behaupten, Michael werde seinen 13. Sieg dieser Saison nicht heimfahren."

Teamkollege Rubens Barrichello bezeichnet Surtees als "armen" Kerl: "Oft wird er gar nicht so recht wahrgenommen, obwohl er normalerweise genau all das tut, was von einem Nummer-Zwei-Piloten erwartet wird. Ich gehe nicht davon aus, dass er mit schwächerem Material oder geringerer technischer Unterstützung als Michael auskommen muss. Er ist halt eine Nummer Zwei, was seine Gesamtleistung betrifft - allerdings eine gute."