• 26.08.2002 08:48

  • von Fabian Hust

Surer: "Die Formel 1 ist zu einfach geworden"

In Teil 3 der Exklusiv-Interviewreihe mit Surer dreht sich alles um junge Fahrer sowie die Routiniers Schumacher und Villeneuve

(Motorsport-Total.com) - Im ausführlichen, vierteiligen Fachgespräch mit F1Total.com-Chefredakteur Fabian Hust spricht der ehemalige Schweizer Formel-1-Fahrer Marc Surer heute über Rücktrittsgedanken bei Michael Schumacher, junge Fahrer und Jacques Villeneuve.

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Marc Surer hält Jacques Villeneuve für BAR zu teuer

"Wer so viel Spaß am Fahren hat hört nicht auf"

Frage: "Man kann es wohl der Konkurrenz nicht übel nehmen, wenn sie dafür betet, dass Michael Schumacher bald seinen Helm an den Nagel hängt. Haben sie das Gefühl, dass ein Rücktritt kurz bevor steht oder könnten sich sogar noch einmal vorstellen, dass Michael ein oder zwei Jahre anhängt?"
Surer: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er aufhört, denn jemand, dem das Rennfahren so viel Spaß macht, der hört nicht auf. Er wird vielleicht dann aufhören, wenn der Ferrari nicht mehr konkurrenzfähig ist oder er einen Unfall hat. Aber so lange man konkurrenzfähig ist und Rennen gewinnt ? was Tolleres gibt es ja nicht!"

Frage: "Wenn Michael Schumacher geht, dann verlässt definitiv auch Jean Todt Ferrari und auch Luca di Montezemolo, Ross Brawn und Rory Byrne dürften höchstwahrscheinlich ebenfalls gehen. Folgt dann der totale Absturz des Teams?"
Surer: "Ich hoffe, dass Jean Todt diese Zeit nach ihm richtig vorbereitet, ich traue ihm das auch zu. Er wird schauen, dass das Team nicht auseinander fällt, sondern dass man einen neuen Stab aufbaut. Ich traue ihm das zu, denn strategisch denken kann er. Aber, die Gefahr besteht, ja."

Schumacher als Teamchef? "Ich glaube nicht, dass er das machen möchte"

Frage: "Ob Jackie Stewart oder Alain Prost, viele ehemalige Formel-1-Fahrer haben sich als Teamchefs probiert ? mehr oder weniger erfolgreich. Auch Michael Schumacher wird bei Ferrari mit einer solchen Rolle in Verbindung gebracht. Als Arbeitstier, Perfektionist, Motivator und Teamplayer ist Michael bekannt, glauben sie, dass er Jean Todt würdig ablösen könnte?"
Surer: "Wenn er wollte, dann könnte er das, aber ich glaube nicht, dass er es machen möchte."

Frage: "Sie selbst haben Ende 1986 in der Formel 1 den Helm an den Nagel gehängt. Gab es für sie diesbezüglich das Interesse an einem eigenen Team oder an einer repräsentativen Rolle?
Surer: "Ich war bei BMW ja schon Rennleiter und habe dort den Gerhard Berger bei den Tourenwagen gespielt. Ich kenne somit diese Szene. Ein eigenes Team war sicherlich auch einmal eine Überlegung wert. Wenn man sich allerdings wie ich ein Leben lang Sponsoren gesucht hat, dann möchte man sich nicht mehr nach der Karriere mit dem Geldsuchen belasten, denn das ist ja der Frust an der ganzen Sache."

"Die Formel 1 ist zu einfach geworden"

Frage: "Immer mehr Fahrer kommen direkt aus niedrigeren Formel-Klassen wie aus der Formel Renault in die Formel 1. Wie schwierig ist es zu erkennen, ob hier ein Talent oder ein durchschnittlicher Fahrer hinter dem Lenkrad sitzt?"
Surer: "Die Formel 1 ist meiner Meinung nach heute zu einfach zu Fahren. Es kann also ein Fahrer, der das notwendige Talent besitzt, sehr schnell den Sprung auf die hohe Leistung schaffen."

Frage: "Teams wie Sauber setzen seit einigen Jahren lieber auf junge und 'billige' Fahrer. Jacques Villeneuve meinte, dass die Formel 1 zur Ausbildungsstätte für junge Fahrer verkommt. Sehen sie diesen Trend genauso respektierlich?"
Surer: "Ja, aber solange natürlich Leute wie Michael Schumacher zeigen, dass die Paarung aus Erfahrung und Talent doch nicht zu schlagen ist glaube ich, dass man das nicht so sehen muss."

"Längerfristige Verträge sind in der Formel 1 neu"

Frage: "Wenn man sieht, dass die Top-Teams statt gleich einen Kimi Räikkönen selbst zu verpflichten, lieber die Talente teuer aus bestehenden Verträgen herauslösen, hat Jacques Villeneuve nicht ganz unrecht, oder?"
Surer: "Ja, das ist natürlich eine Sache, die es schon immer gegeben hat. Wenn ein anderes Team einen Fahrer möchte und der will auch wechseln, dann ist man schon immer aus Verträgen herausgekommen. Die heutigen Fahrer sind auch viel mehr mit längerfristigen Verträgen geknebelt. Früher hat man für ein oder vielleicht auch einmal für zwei Jahre unterschrieben. Solche langfristigen Verträge, mit denen man jetzt Fahrer in die Formel 1 holt, das ist eigentlich auch neu."

Frage: "Heinz-Harald Frentzen ist der Pechvogel der vergangenen Jahre, er hat immer wieder seine Fähigkeiten durchblitzen lassen, aber nun steht er nur noch mit einem Fuß in der Formel 1. Währen sie sein Manager, welche Argumente würden sie anführen, um ihn bei einem Team wie Toyota, Sauber oder Jordan unterzubringen?"
Surer: "Im Prinzip, dass er die Erfahrung eines Michael Schumachers besitzt, da er ja praktisch genauso lange in der Formel 1 ist. Hinzu kommt, dass er den Biss nicht verloren hat. Er kann also ein Team weiterentwickeln und ihm zu helfen."

"Der Faktor Villeneuve ist überbezahlt"

Frage: "David Richards versucht in aller Öffentlichkeit, Jacques Villeneuve loszuwerden. Angesichts seines Gehalts, seinen Leistungen im Vergleich zu Panis und seiner Widerwilligkeit gegenüber PR-Aktivitäten, können sie da verstehen, dass Richards Villeneuve loshaben möchte?"
Surer: "Wenn der BAR ein Auto wäre, mit dem man gewinnen kann, dann wäre der Villeneuve sehr wichtig. Aber wenn es um Platz acht oder neun geht, dann ist der Faktor Villeneuve überbewertet. Wenn es um Platz eins oder zwei geht, dann wäre dieser Faktor sicherlich richtig eingesetzt. Wenn es um Plätze im Mittelfeld geht, dann ist der Faktor Villeneuve überbezahlt."

Lesen Sie am Dienstag Teil 4 des großen Interviews mit Marc Surer. In diesem Gespräch geht es unter anderem um Formel-1-Rennen in der Schweiz, Schweizer Nachwuchstalente und die finanziellen Probleme der Formel-1-Teams.