• 26.05.2011 13:14

  • von Sven Haidinger & Dieter Rencken

Supersoft-Reifen sorgt bei Fahrern für Rätselraten

Mit welcher Lebensdauer die Fahrer beim Supersoft-Reifen rechnen und wie die Gummimurmeln in Monaco zur gefährlichen Falle werden könnten

(Motorsport-Total.com) - Pirelli macht die Formel 1 derzeit zur Wundertüte. Nach der neuen harten Reifenmischung in Barcelona müssen die Teams und Piloten nun erstmals mit der Reifenmischung "supersoft" zurecht kommen. Auch wenn diese bereits bei den Wintertests in Spanien von einigen Fahrern ausprobiert wurde, wirft der Einsatz in Monaco Fragen auf.

Titel-Bild zur News: Witali Petrow

Werden die Gummimurmeln in Monaco zu einer gefährlichen Falle?

Wie lange hält der Pneu wirklich? Sind es nur zehn von 78 Runden, oder doch mehr? Und um wieviel ist er schneller als der Soft-Reifen, die diesmal als härtere Mischung zur Verfügung steht? "Man kann den superweichen Pneu kaum einschätzen. Am Donnerstag werden wir klarer sehen", hält sich Weltmeister Sebastian Vettel mit einem Urteil zurück.

"Wir testeten diese Pneus im Winter, doch damals war es sehr kalt und auch der Kurs war ein ganz anderer", begründet der Red-Bull-Pilot seine Zurückhaltung. "In Jerez werden die Reifen ganz anders beansprucht als hier in Monte Carlo. Die Pneus sollten hier ein bisschen länger halten, doch das werden wir erst am Donnerstag herausfinden - vorher nicht."

Unterschiedlichste Meinungen zur Lebensdauer


Fotos: Großer Preis von Monaco


Pastor Maldonado, der den Reifen in Barcelona einem Test unterzog, schwant hingegen Böses: "Im Rennen werden wir nach zehn Runden keine Reifen und keinen Grip mehr haben." Lewis Hamilton bringt völlig gegensätzliche Informationen von Pirelli ins Spiel: "Mir wurde eben gesagt, dass die Mischung 'supersoft' 20 Runden halten wird, die Mischung 'soft' noch länger. Ich habe gehört, dass 23 Runden mit den weichen und 28 mit den harten geplant sind."

"Im Rennen werden wir nach zehn Runden keine Reifen und keinen Grip mehr haben." Pastor Maldonado

Doch der McLaren-Star bezweifelt diese Zahlen. Auf die Frage, ob er dies glaube, antwortet er lachend: "Überhaupt nicht!" Und erklärt, wie er die Lage selbst einschätzt: "Der Supersoft-Reifen hat beim Testen in Barcelona recht gut funktioniert. Okay, dort hat er nur acht Runden gehalten, aber die Strecke ist ja auch ganz anders als hier. Wenn er 15 Runden hält, wäre das schon okay."

Test-Resultate beinahe bedeutungslos

Warum man davon ausgehen darf, dass der Reifen in Monte Carlo länger hält als in Barcelona? Der Kurs an der Cote d'Azur besteht aus langsamen Kurven, dabei ist vor allem die Traktion wichtig. Aus diesem Grund setzt Pirelli diesmal auf die weichsten Reifen aus dem Sortiment - der Pneu muss vor allem für Haftung sorgen.

"Beim Test in Barcelona stand uns diese Mischung zur Verfügung, doch die Strecke nimmt die Pneus sehr hart ran." Kamui Kobayashi

Auf Kursen mit schnellen Kurven wie in Barcelona ist die Belastung deutlich höher, wodurch der Reifen schneller verschleißt. "Beim Test in Barcelona stand uns diese Mischung zur Verfügung, doch die Strecke nimmt die Pneus sehr hart ran", bestätigt Kamui Kobayashi. "Es ist daher recht schwierig, eine Einschätzung abzugeben. Für Monaco sollte es in Ordnung sein. Wir werden sehen."

Maldonado schlägt in die gleiche Kerbe: "Die Bedingungen sind hier nicht gleich wie in Barcelona. Die Strecke ist so langsam, mit all diesen Kurven, daher wird der Reifen beim Bremsen und Beschleunigen belastet und fühlt sich wie ein neuer Reifen an." Der superweiche Reifen hat einen großen Vorteil: Er kommt sofort auf die richtige Betriebstemperatur und die optimale Leistung lässt sich rasch abrufen. Aus diesem Grund ist der Pneu für das Qualifying prädestiniert.

Supersoft-Reifen im Rennen als erste Wahl?

Witali Petrow befürchtet aber, dass der Reifen schon nach einer schnellen Runde um "eine Sekunde" nachlässt. Das macht die Strategie besonders schwierig, da in Monaco die Startpositionen wichtiger sind als auf anderen Strecken. "Hier in Monte Carlo dürfte es besonders schwierig sein, die Reifen zu nutzen", so der Renault-Pilot über den Spagat bei der Strategie. "Die Qualifikation ist wichtig, die Taktik im Rennen wahrscheinlich noch viel mehr."

"Die Qualifikation ist wichtig, die Taktik im Rennen wahrscheinlich noch viel mehr." Witali Petrow

Sebastien Buemi gibt Einblicke in seine strategischen Überlegungen: "Es gibt hier keine langgezogenen Kurven. Daher erwarten wir, dass die Strecke die Reifen nicht so stark belastet. Mit den weichen Reifen sollte es gut laufen. Bei der superweichen Mischung müssen wir abwarten. Wenn Pirelli meint, dass wir zwei Stopps sehen werden, dann ist es vielleicht nicht ganz so falsch, wenn man auf den Supersoft-Reifen startet."

Doch ist es derzeit überhaupt schon möglich, Überlegungen über die Strategie anzustellen? Jarno Trulli bezweifelt dies. Es gäbe überhaupt keine Anhaltspunkte, wie lange die Reifen halten werden, "weil wir noch nie mit weichen Reifen auf einem langsamen Kurs gefahren sind. Wir wissen nicht, wie sie auf einem Stadtkurs reagieren. Es gibt zu viele Variablen. Es ist unmöglich, zu sagen, ob wir zwei Stopps, drei Stopps oder einen Stopp machen müssen."

Gummimurmeln in Monaco besonders gefährlich

Davon hängt auch ab, ob sich die Strecke im Rennen in einen Eislaufplatz verwandeln wird oder nicht. Denn je mehr Stopps es gibt, desto mehr für die Fahrer lästige Gummimurmeln säumen den Asphalt. Das ist vor allem in Monte Carlo gefährlich, schließlich lauern direkt neben dem Asphalt Betonmauern und Leitplanken, die einen kleinen Ausrutscher mit einem Crash bestrafen.

"Die Gummimurmeln werden das Rennen zusätzlich schwierig gestalten." Sebastian Vettel

Vettel geht davon aus, dass sich neben der Ideallinie viel Gummiabrieb ansammeln wird: "Das wird das Rennen zusätzlich schwierig gestalten, vor allem gegen Rennende. Es kommt darauf an, wie viele Reifensätze die Teams einsetzen und wie viele Boxenstopps absolviert werden."

Bereits in der Vergangenheit mussten die Piloten in der Regel öfter stoppen als vom italienischen Reifenhersteller angenommen. Das war auch in Istanbul der Fall - würden sich in Monaco so viele Gummistücke neben der Ideallinie ansammeln wie in der Türkei, dann könnte dies für Unfälle sorgen.

Gummimurmeln auch auf der Ideallinie?

"In der Türkei war es in Kurve 8 ziemlich schlimm", erinnert sich Vettel. "Wenn du dort nur ein kleines bisschen von der Linie abkamst, rutschtest du raus." Er geht allerdings nicht davon aus, dass die Situation schlimmer als am Bosporus sein wird, auch wenn ein Ausrutscher schlimmere Folgen hätte. "Deshalb kommt es ganz darauf an, der Linie treu zu bleiben und sicherzustellen, keine Fehler zu machen. Das könnte sonst das Ende deines Arbeitstages oder deines Rennens zur Folge haben."

"Auf normalen Rennstrecken sammeln sich die Murmeln abseits der Linie, aber hier können sie nicht wegfliegen." Mark Webber

Die besondere Charakteristik des Kurses im Fürstentum birgt noch eine weitere Gefahrenzone. Durch den engen Leitplankenkanal werden Gummistücke, von denen sich die Reifen entledigen, von der Begrenzung wieder auf den Asphalt und im schlimmsten Fall sogar auf die Ideallinie zurückgeschleudert.

"Auf normalen Rennstrecken sammeln sich die Murmeln abseits der Linie an", erklärt Mark Webber, "aber hier sind überall Leitplanken und sie können nicht wegfliegen. Ich bin schon gespannt, wie viel Gummi sich im Training von den Reifen löst, insbesondere vom Supersoft-Reifen." Der "Aussie" grinst: "Vielleicht rücken die Barrieren dadurch im Rennen immer näher heran!"