Suganuma: "Piloten müssen etwas vorsichtiger fahren"
Der Technische Direktor von Bridgestone spricht über die neuen Reifenregeln, was sich dadurch verändert hat und was er erwartet
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Hisao, wie ist Bridgestone im vergangenen Winter an die Herausforderung der neuen Regeln herangegangen?"
Hisao Suganuma: "Naja, es war jedenfalls ein betriebsamer Winter! Weil das neue Reifenreglement vorschreibt, dass ein Reifensatz die Gesamtdistanz der beiden Qualifyings und des Rennens ohne Wechsel überstehen muss, haben wir besonders viel intensive Entwicklungsarbeit geleistet, um die Reifen so sicher, konkurrenzfähig und haltbar wie möglich zu machen - und das für eine Distanz von mehr als 350 Kilometern. Das heißt, wir mussten viele Long-Run-Vergleichstests durchführen, aber das ist sehr zeitaufwändig und daher haben wir länger gebraucht, um unsere Schlüsse zu ziehen. Wir haben viele verschiedene Gummimischungen, Konstruktionen und Reifenformen miteinander verglichen, was in der Entwicklung von neuen Reifen sehr wichtig ist. Konstruktion und Mischung müssen haltbar genug sein, sonst kann der Fahrer das Rennen nicht beenden. Darüber hinaus ist es entscheidend, von der ersten bis zur letzten Runde konstante Performance von den Reifen zu bekommen. Es war eine Herausforderung, aber eine sehr interessante!"#w1#

© Bridgestone
Hisao Suganuma glaubt, dass die Fahrer dieses Jahr vorsichtiger sein müssen
Frage: "Haben sich die neuen Regeln auch anderwärtig auf Bridgestones Arbeit ausgewirkt?"
Suganuma: "Da jetzt weniger Reifensätze verwendet werden, haben wir genau unter die Lupe genommen, wie wir unsere Teams unterstützen müssen. Wir wollen schließlich keine unnötigen Wartezeiten verursachen, daher haben wir den Prozess der Vorbereitung der Reifen evaluiert und geringfügig modifiziert. Das war notwendig, um das volle Potenzial unserer Reifen ausschöpfen zu können."
Kein Nachtanken beim Reifenwechsel erlaubt
Frage: "Wann darf ein Fahrer in diesem Jahr die Reifen wechseln?"
Suganuma: "Nach unserem Verständnis darf nur gewechselt werden, wenn ein Reifen platt oder stark beschädigt ist - möglicherweise aufgrund von Wrackteilen auf der Strecke, denen man nicht hätte ausweichen können. Allerdings darf dann nicht beim selben Boxenstopp nachgetankt werden. Natürlich ist es den Teams auch erlaubt, im Falle eines Wetterumschwungs auf Regen- oder Monsunreifen zu wechseln. Auch ein Wechsel zurück auf Trockenreifen ist gestattet. Wir sind der Auffassung, dass bei solchen Boxenstopps auch nachgetankt werden darf."
Frage: "Glaubst du, dass Fahrer und Teams dieses Reglement bis hin zu den Grauzonen ausschöpfen werden?"
Suganuma: "Es ist noch völlig unklar, was passiert, wenn ein Fahrer nach einem Verbremser starke Vibrationen verspürt. Die große Frage ist, wie stark ein Reifen beschädigt sein muss, damit man ihn wechseln darf. Das werden wir erst in Australien sehen, aber ich habe ein gutes Gefühl, dass die FIA einen guten Kompromiss finden wird."
Autos rutschen mehr, Fahrer müssen vorsichtiger sein
Frage: "Die FIA hat auch für die Aerodynamik neue Regeln eingeführt. Wie werden sich diese Regeln auf die Reifen auswirken?"
Suganuma: "Durch die neuen aerodynamischen Bestimmungen haben die Fahrzeuge weniger Abtrieb als in den vergangenen Jahren. Dadurch könnten die Autos mehr rutschen, was wiederum die Temperatur in den Reifen erhöht. Die Piloten müssen grundsätzlich etwas vorsichtiger fahren. Vor allem müssen sie versuchen, Verbremser oder ein anderes Blockieren der Räder zu verhindern, weil die Reifen ansonsten schnell abbauen. Wir bei Bridgestone geben unser Bestes, um die Reifen so gut fahrbar wie möglich zu machen. Damit meine ich, dass unsere Reifen konstant sein sollen und nicht sehr schwankend in der Performance."
Frage: "Ihr habt viel über die Entwicklung der neuen Trockenreifen gesprochen, aber was hat Bridgestone unternommen, um den Vorteil im Bereich der Regenreifen beizubehalten?"
Suganuma: "Klarerweise haben die neuen Reifenregeln auf die Regenreifen weniger Auswirkungen als auf die Trockenreifen. Dennoch wurde die maximale Anzahl an Regenreifen in diesem Jahr reduziert. Das mussten wir in Betracht ziehen und an der Haltbarkeit der Reifen arbeiten, ohne in Sachen Performance einen Kompromiss eingehen zu müssen. Jedenfalls haben wir unser Entwicklungsprogramm für Regenreifen vorangetrieben. Unser Mitbewerber hat im vergangenen Jahr versucht, die Lücke zu uns zu schließen, daher haben wir das Leistungsfenster unserer Monsun- und Regenreifen erweitert, denn es ist wichtig, dass die gesamte Bandbreite an möglichen Bedingungen optimal abgedeckt wird."
Suganuma zuversichtlich für den Grand Prix der Türkei
Frage: "Es gibt mit der Türkei wieder eine neue Station auf dem Formel-1-Kalender. Wie bereitet man sich als Reifenhersteller auf eine Strecke vor, von der es keine Daten gibt?"
Suganuma: "Wir werden uns die Beschaffenheit der Fahrbahn und das Streckenlayout im Vorhinein genau anschauen. Vor allem die Struktur des Asphalts ist für uns entscheidend und wir werden in Zusammenarbeit mit unseren Teams die bewährten Simulationsmethoden anwenden. Wir müssen genau wissen, wie sich einzelne Kurven auf die Reifen auswirken - Geschwindigkeiten, Fliehkräfte und Belastungen sind ganz entscheidend. Sobald wir diese Daten herausgefiltert haben, können wir entscheiden, welche Reifenkonstruktionen und -mischungen notwendig sind. Voriges Jahr hatten wir auch zwei neue Rennstrecken, nämlich Bahrain und Shanghai, und auf beiden hat ein Bridgestone-Pilot gewonnen. Daher sind wir sehr zuversichtlich, was unsere Simulationsmethoden angeht."

