• 12.12.2002 15:21

  • von Fabian Hust

Stoddart: Haben nur 10% des Budgets der Top-Teams

Im zweiten Teil eines ausführlichen Interviews spricht Minardi-Teamchef Paul Stoddart über die Zukunft von Minardi

(Motorsport-Total.com) - Minardi-Teamchef Paul Stoddart nahm sich für australische Journalisten viel Zeit, um per Telefonkonferenz aus England unter anderem zahlreiche Fragen zur finanziellen Situation und der Zukunft der Formel 1 und seines Teams zu beantworten. Wir präsentieren Ihnen das ausführliche Interview in sechs Teilen. Im zweiten Teil spricht der Australier über die finanziellen Probleme seines Teams.

Titel-Bild zur News: Paul Stoddart und Gian Carlo Minardi

Paul Stoddart und Gian Carlo Minardi sind immer noch gute Partner

Frage: "Mit welcher Motorversion des Cosworth fahren sie in der kommenden Saison und sprechen sie mit Automobilherstellern?"
Paul Stoddart: "Zunächst einmal ist unser Motorpaket das aufregendste, das wir in der 19-jährigen Geschichte von Minardi hatten. Der Motor ist ein Ford Cosworth, ein Motor, der in diesem Jahr in Monza auf dem Podium stand und er gibt uns unglaublich viel PS. Wir reden hier über 70 PS mehr im Vergleich zu dem Motor, den wir im letzten Jahr hatten und wir freuen uns wirklich sehr darauf, diesen Motor verwenden zu können. Cosworth ist natürlich ein Unternehmen, das uns sehr nahe ist, wir kennen uns beide sehr gut und es sollte eine tolle Partnerschaft werden."

"Was die Hersteller angeht, so befinden wir uns in keinem Kontakt zu einem Automobilhersteller. Aber Kontakt hätten wir natürlich gerne. Wir arbeiten mit dem kleinsten Budget in der Formel 1 und es wäre ein Vorzug, mit irgendeinem Hersteller zu arbeiten, aber das ist deren und nicht meine Entscheidung."

Minardi soll in Italien bleiben

Frage: "Wie wir wissen ist Minardi im italienischen Faenza stationiert, ihre Rennoperationen werden aber traditionell aus Ledbury in Großbritannien geleitet. Werden sie so weiterarbeiten wie in diesem Jahr oder gibt es Überlegungen, das Team nach Ledbury umzusiedeln?"
Stoddart: "Nein. Um ehrlich zu sein dachte ich nach dem Kauf des Teams zunächst daran, dass ich es nach ein paar Jahren nach England umsiedeln könnte, einfach aus logistischer Sicht, aber ich habe sehr schnell gemerkt, dass das Herzstück, was ich kaufte, die aktuelle Arbeitskraft war. Sie widmen sich ihrer Arbeit so sehr und sind derart professionell. Es gibt absolut keine Chance, dass wir aus Faenza weggehen. Wir haben ein tolles Team von Leuten, das mit dem gegebenen Budget Wunder vollbringen kann und da möchte ich nichts verändern."

Kein Team arbeitet so effektiv wie Minardi

Frage: "Wie kann ein Team, das mit derart wenig Geld auskommen muss, jemals den Top-Teams näher kommen?"
Stoddart: "Das fragen sie sich, gell? Es gab in dieser Saison Pressemitteilungen von uns, in denen ich Dinge wie 'Ich bin wirklich stolz auf Mark, der nur zwei Sekunden langsamer als der Pole-Setter ist' sagte und die Leute haben das wohl gelesen und nicht weiter beachtet, aber sie wissen wohl, wie wahr das ist. Für ein Budget, das weniger als 10 Prozent vieler unserer Wettbewerber beträgt sind wir Woche für Woche nur wenige Sekunden von der Spitze weg. Ich denke, dass wir die Weltmeisterschaft in jedem Jahr gewinnen, was den besten Gegenwert für die ausgegebenen Dollar betrifft."

"Müssen das Geld auf die beste Art und Weise ausgeben"

Frage: "Aber ist es nicht in ihrem Interesse und auch im Interesse der Teams und der Fans, dass die Formel 1 so verändert wird, dass es nicht mehr so auf das Geld ankommt und Dinge wie Fahrer-Qualitäten, Erfahrung des Teams und so weiter eine größere Rolle spielen und sie der Konkurrenz dadurch näher kommen?"
Stoddart: "Ich denke, ich gebe ihnen einen Job als Minardi-Unterstützer! Ja, das wäre eine perfekte Welt. Aber die Welt ist nicht perfekt. Man kann den Leuten nicht die Fähigkeit wegnehmen, dort draußen diese Mega-Budgets aufzutreiben, denn da haben sie Glück. Sie werden durch große Automobilhersteller unterstützt, in machen Fällen durch Banken. Wir für uns machen den besten Job, den wir tun können und ich nehme an, dass wir ganz nach australischer Tradition weiterkämpfen werden."

"Ich bin wirklich stolz, was wir in diesem Jahr erreicht haben. Der neunte Platz in der Meisterschaft, die zwei Punkte von Melbourne sind wirklich aufrichtig, das sage nicht nur ich, man muss mal die Geschichte der Formel 1 zurückverfolgen, wann jemals zwei Punkte derart bedeutend waren. Darauf können Mark und ich sehr stolz sein. Wir müssen nun weiter kämpfen, das Maximum aus dem Geld herausholen und sicherstellen, dass wir es auf die beste Art und Weise ausgeben."

Langfristige Zukunft des Teams hat Priorität

Frage: "Sie haben vorhin erwähnt, dass sie mit keinen Automobilherstellern sprechen. Gibt es eine ernsthafte Aussicht, das Minardi in den kommenden ein oder zwei Jahren einen entsprechenden Partner findet?"
Stoddart: "Chancen? Das kann ich nicht sagen. Stehen wir in Verhandlungen im Moment? Nein, tun wir nicht. Würden wir es gerne? Klar, würden wir gerne. Wenn ich den Eindruck habe, dass ein Unternehmen uns weiter nach vorne bringen kann, dann könnte ich mir das vorstellen. Das wichtigste ist für mich, das langfristige Überleben von Minardi sicher zu stellen. Hoffentlich werde ich dabei die Kontrolle behalten, aber wenn ich eine Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung sehe, bei der die Zukunft des Teams sicher gestellt ist, so müsste ich diese Entscheidungen treffen."

Frage: "Wie waren die Reaktionen von Teamgründer Gian Carlo Minardi auf die Leistung, die sie und das Team in diesem Jahr gezeigt hat?"
Stoddart: "Jeder, der sein Gesicht in Melbourne an diesem berühmten Tag gesehen hat, kennt die Antwort auf diese Frage. Er ist unglaublich stolz. Niemand macht ein Geheimnis daraus, dass Minardi nur noch Teil der Geschichtsbücher wäre, wenn ich nicht da gewesen wäre. Gian Carlo ist sich dessen sehr bewusst, aber wir respektieren uns sehr und sind befreundet. Hand aufs Herz, ich kann wirklich sagen, dass wir als Team arbeiten und das ist meiner Meinung nach gut für uns beide."

"Gian Carlo ist fast wie Henry VIII"

Frage: "Es scheint ein wenig ein Wunder zu sein, dass dies mit der Übernahme alles so harmonisch geklappt hat. Es ist doch ein wenig wie eine Scheidung, eine neue Heirat, neben der man aber seine alte Frau behält, oder?"
Stoddart: "So kann man das schon sagen, aber man muss wissen, dass Gian Carlo dies gut kennt. Er ist fast wie Henry VIII! Ich denke, dass er sechs 'Frauen' hatte, wenn man damit die verschiedenen Teameigner meint. Und er ist immer noch eine treibende Kraft. Er ist also im Prinzip eine Art Überlebenskünstler."

Lesen Sie am Freitag den 3. Teil des großen Interviews mit Paul Stoddart