• 11.12.2002 13:12

Stoddart: "Die Formel 1 ist eine Herausforderung"

In Teil 1 eines ausführlichen Interviews spricht Minardi-Teamchef Paul Stoddart über die finanzielle Zukunft seines Teams

(Motorsport-Total.com) - Minardi-Teamchef Paul Stoddart nahm sich für australische Journalisten viel Zeit, um per Telefonkonferenz aus England unter anderem zahlreiche Fragen zur finanziellen Situation und der Zukunft der Formel 1 und seines Teams zu beantworten. Wir präsentieren Ihnen das ausführliche Interview in sechs Teilen. Im ersten Teil spricht der Australier über die finanziellen Probleme seines Teams.

Titel-Bild zur News: Paul Stoddart

Paul Stoddart hatte einst eine erfolgreiche Fluglinie besessen

Frage: "Paul, vielleicht können sie uns zunächst einen Einblick geben, wie die Saison 2002 für sie verlaufen ist und wie sie 2003 sehen."
Paul Stoddart: "Die Saison 2002 ging auf eine fantastische Art und Weise los. Ich denke da nicht nur an Australien sondern an die ganze Welt. Diese zwei Punkte und der unvergessliche fünfte Platz werden in die Geschichte als der berühmteste fünfte Platz in der Formel 1 eingehen. Mark hätte keinen besseren Start in das Jahr erwarten können und um ehrlich zu sein gibt es keinen besseren Platz als Australien für dieses Ereignis."

"Der Rest des Jahres war hart"

"Der Rest des Jahres war hart. Ich bin froh sagen zu können, dass Mark dieses Ergebnis wirklich verdient hat und auch noch den Preis des besten Neulings erhalten hat. Wir sind während des Jahres durch die Hölle und zurück gegangen, hatten verschiedene Streitereien um Finanzen mit Tom Walkinshaw (Arrows-Teamchef; d. Red.) und Ärger mit dem generellen Mangel an Geld in der Formel 1. Aber wir haben das alles überstanden und nun sind wir für die Saison 2003 bereit und freuen uns schon auf Melbourne."

Frage: "Und was passiert im kommenden Jahr im Albert Park?"
Stoddart: "Ich zweifle doch an, dass wir das 2002 in Melbourne Erreichte wiederholen können, auch wenn ich es natürlich hoffe. Aber ich nehme an, dass wir auch dort am Start sein werden. Wir werden den wettbewerbsfähigsten Motor und das leistungsfähigste Paket haben, das Minardi in seiner 19-jährigen Geschichte zur Verfügung hatte. Und wir werden ein paar junge Fahrer haben, denen das Publikum zujubeln kann."

Start von Minardi steht völlig außer Frage

Frage: "Es besteht also eine realistische Chance, dass sie am Start sein werden?"
Stoddart: "Das ist garantiert, das steht völlig außer Frage. Die Dinge haben sich in den letzten paar Monaten bedeutend zum Besseren gewendet, es gibt also überhaupt gar keinen Zweifel daran, dass wir in Melbourne dabei sein werden und wir können es kaum erwarten."

Ein Fahrer steht schon fest

Frage: "Und was ist mit den Fahrern, die sie gerne haben möchten?"
Stoddart: "Ich kenne jetzt einen meiner Fahrer und ich glaube auch den zweiten zu kennen, aber so gerne ich es ihnen verraten würde, aus vertraglichen Gründen kann ich es im Moment nicht tun. Was ich sagen kann ist, dass ich hoffe, dass einer von ihnen neuer aufstrebender Star ist. Wir haben da ja mit Alonso 2001 und Mark in diesem Jahr bereits eine erfolgreiche Vergangenheit. Wir wollen so weiter machen und einen weiteren jungen Fahrer in den Sport bringen."

Frage: "Fällt ihnen alles leichter, nachdem sie das erste Jahr erfolgreich hinter sich gebracht haben?"
Stoddart: "Ich habe nun das zweite Jahr hinter mir und ich hatte Angst, dass ich es nicht schaffen würde. Die Formel 1 ist wirklich eine Herausforderung. Man hat gute Tage wie in Melbourne ? ein Tag, auf den ich in meinem Leben am stolzesten bin ? und man hat schrecklich viele schlechte Tage, mit denen man umgehen muss."

Minardi hätte ohne Prost-Gelder nicht überlebt

Frage: "Wie kurz stand Minardi in diesem Jahr vor der Pleite? Wenn Tom Walkinshaw hätte verhindern können, dass sie die TV-Gelder von Prost bekommen, hätten sie die Saison zu Ende fahren können oder wäre es das dann gewesen?"
Stoddart: "Ich denke, dass es das gewesen wäre. Ich machte in Melbourne keim Geheimnis daraus, als zum ersten Mal die Sache mit Phoenix auftauchte, dass Geld für unser Überleben fundamental ist. Ich denke nicht, dass irgendjemand ? inklusive mir - glaubt, dass wir es geschafft hätten, denn ich kenne die Ausgangslage, hätten wir das Geld nicht bekommen."

Stoddart empfindet viel Unterstützung von den Kollegen

Frage: "Angesichts der anderen Teamchefs in der Boxengasse, in dieser Welt, in der ein Fass keinen Boden hat, ist es da ein besonders befriedigendes Gefühl, nach Melbourne zu kommen und ihnen zu beweisen, dass sie auch zum dritten Jahr in Folge dabei sind?"
Stoddart: "Nein, ich denke, dass wir fair sein müssen. Ich wurde sehr unterstützt. Es wäre unfair von mir, die Guten und Bösen zu benennen, aber wir genossen von der Mehrzahl der Teamchefs eine großartige Unterstützung und ich bin wirklich stolz darauf, das sagen zu können. Und was die ein oder zwei Teams angeht, die Toms Position unterstützt haben, so denke ich nicht, dass es da noch einen sauren Nachgeschmack gibt. Ich vermute, dass wir nun nur noch zehn Teams haben, wir müssen sicherstellen, dass es nicht weniger als zehn werden und ich denke, dass unter allen Teamchefs ein ehrlicher Kooperationsgeist herrscht. Wir müssen sicherstellen, dass wir den Sport durch Höhen und Tiefen begleiten."

Walkinshaw-Brief als Tiefschlag

Frage: "Wie oft haben sie in diesem Jahr gedacht, dass sie genug haben? Gab es Momente, in denen sie gedacht haben, dass alles zu hart ist?"
Stoddart: "Ja, Kanada war wohl mein Tiefpunkt, als Tom ein Dokument herumreichte, das aussagte, dass das TV-Geld von Minardi unter allen aufgeteilt werden sollte. Es war ein hartes Jahr, daran gibt es keinen Zweifel. Aber ich muss gleichzeitig sagen ? ich weiß, dass ich mich wiederhole ? dass dieser Moment auf dem Podium mit Mark der stolzeste Moment in meinem Leben war und mich wirklich durch schrecklich viele dunkle Momente gebracht hat, die noch vor uns liegen sollten."

Frage: "Wir haben Berichte gelesen, wonach sie 'European Aviation' verkauft haben. Ist das korrekt?"
Stoddart: "Nein, habe ich nicht. Wegen der Auswirkungen der wirtschaftlichen Situation seit dem 11. September 2001 mussten wir leider danach schauen, die Airline zu verkaufen, nicht jedoch den Luftfahrt-Teil des Unternehmens. Ich denke nicht, dass wir da alleine dastehen. Leider haben viele Airlines seit dem 11. September gelitten, darunter große Namen wie Ansett, und wir stellen da keine Ausnahme dar."

Finanziell ein Jahr zum Vergessen

Frage: "Hat dies das Formel-1-Engagement noch schwieriger gestaltet?"
Stoddart: "Finanziell gesehen war es ein Jahr, das ich lieber vergessen würde, ja. Traditionell wäre die Airline ein guter Sponsor für ein Formel-1-Team. Das war in diesem Jahr jedoch nicht möglich zu sein, um ehrlich zu sein. Ich habe ein Formel-1-Team zum Höhepunkt der Formel 1 gekauft und die Fluglinie hat seit dem 11. September einen schweren Rückschlag erlitten wie viele andere auch, aber so ist das Leben und wir werden das durchstehen."

Frage: "Sind sie zuversichtlich, dass sie das komplette kommende Jahr bestreiten können?"
Stoddart: "Das steht außer Frage. Während ich hier mit ihnen spreche, haben wir rund 75 Prozent des Budgets zusammen und zu diesem Zeitpunkt des Jahres ist das nicht schlecht. Aber vergessen sie nicht ? für unser Budget könnte man in einigen anderen Teams nicht einmal das Essen bezahlen?"

100-prozentige Finanzierung als Ziel

Frage: "Sie haben vorhin gesagt, dass sich in den letzten paar Monaten die Dinge bedeutend verbessert haben. Können sie sagen, was sich verändert hat, so dass vieles viel besser aussieht?"
Stoddart: "Als die Saison in Suzuka ihr Ende fand, so hatten wir Aussichten für 2003 in Bezug auf Sponsoring, Fahrer und Budgets, aber es war nichts wirklich fix und zum Glück ? ich sage zum Glück, denn es kann so und so laufen ? konnten wir in den letzten Monaten ein paar sehr gute Sponsoren an Bord holen und wir fühlen uns ziemlich zuversichtlich, dass 2003 nun bedeutend weniger schlecht aussieht als noch in Suzuka."

Frage: "Finanziert sich das Team komplett selbst oder müssen sie noch Geld hineinstecken?"
Stoddart: "Im Moment sind 75 Prozent gedeckt ? im Gegensatz zu 2002 und 2001, wo ich einen beträchtlichen Beitrag leisten musste. Zu diesem Zeitpunkt des Jahres hoffe ich, dass wir am Ende bei 100 Prozent rauskommen."

Noch keine Sponsoring-Verträge mit Malaysia

Frage: "Gibt es noch Sponsoren aus Malaysia und wird damit ein malaysischer Fahrer im Spiel sein, wie das vergangene Saison als mögliche Variante dargestellt wurde?"
Stoddart: "Das hängt von der Einbringung der malaysischen Motorsportindustrie ab, der wir uns auch selbst verschrieben haben. Es ist noch immer ein Programm am Laufen, mit dem wir den nächsten Alex Yoong finden möchten. Ich hoffe, dass wir in Melbourne Unterstützung aus Malaysia auf dem Auto sehen werden, denn sie sind unglaublich nette Leute. Die Verhandlungen sind aber noch nicht abgeschlossen."

Lesen Sie am Donnerstag den 2. Teil des großen Interviews mit Paul Stoddart