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  • 05.11.2010 09:57

  • von Dieter Rencken

Stewart: Von Alonso-Vorteilen und Webber-Wünschen

Ex-Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart im Interview: Er wünscht Mark Webber den Titel, rechnet aber mit Fernando Alonso - Warum es kleine Teams schwer haben

(Motorsport-Total.com) - Aus Sicht von Ex-Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart ist der WM-Zug für die beiden McLaren-Piloten Lewis Hamilton und Jenson Button definitiv abgefahren. Der Schotte hält Hamilton zwar für einen "großartigen Racer", aber sieht keine realistischen Chancen mehr. "Für mich ist es ein Dreikampf", so Stewart. "Alonso ist am besten gerüstet, denn er hat schon zwei Titel gewonnen und weiß genau, wie es läuft."

Titel-Bild zur News: Jackie Stewart

Jackie Stewart: Nur noch 2010 als RBS-Repräsentant in der Williams-Box

"Mark Webber wäre der Weltmeister, den ich mir wünschen würde. Er ist 34 Jahre alt, ist reif und erwachsen, und er repräsentiert sein Land Australien sehr gut, die den Titel immerhin seit Alan Jones nie mehr gewinnen konnten", sagt Stewart. Er fügt an: "Sebastian Vettel wird zweifellos in Zukunft den Titel gewinnen." Wie der Schotte zu einer möglichen Red-Bull-Stallorder steht, erklärte er am Donnerstag in Interlagos.

Frage: "Jackie, Red Bull will die beiden Piloten weiterhin frei fahren lassen. Gefällt dir das?"
Jackie Stewart: "Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man es gerade nicht machen sollte. Auch wenn der Öffentlichkeit das nicht gefällt. Stallorder gibt es seit den Zeiten von Bugatti und Alfa Romeo, spätestens seit dem Duell Auto Union gegen Mercedes-Benz. Das geht doch schon seit Jahrzehnten so."

"Wenn du hunderte Millionen Dollars investierst, damit du mit deinem Auto Weltmeister wirst, dann greifst du auch zu allen Mitteln, die zur Verfügung stehen. In Hockenheim hat Ferrari gegen die Regeln verstoßen. Ich finde, dass sie nicht ausreichend bestraft wurden, weil es ein klarer Regelverstoß war. Ich bin allerdings der Meinung, dass man die Regeln ändern muss."

"Natürlich wünschen sich die Fans sauberes Racing. Das gibt es auch seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Aber es gibt eben manchmal Situationen, wo Stallregie im Laufe einer Saison eine wichtige Rolle spielt. Die Teammeisterschaft ist extrem viel wert, immerhin wird man auf Grundlage der erzielten Punkte bezahlt."

"Die Frage ist immer, wie man Stallorder anwendet." Jackie Stewart

"Die Frage ist immer, wie man Stallorder anwendet. Man darf nicht offensichtlich gegen die Regeln verstoßen. Ich würde es ändern und Stallorder offiziell erlauben."

Frage: "Sollte man Stallorder also in gewissen Fällen erlauben?"
Stewart: "Nein, das geht nicht. Man kann ja auch nicht nur ein bisschen schwanger sein. Also: Man sollte diese Regel einfach abschaffen. Damit könnten wir uns künftige Diskussionen ersparen."

Frage: "Wie siehst du die harte Kritik von Bernie Ecclestone an den neuen Teams?"
Stewart: "Man sollte sie nicht zu hart verurteilen, außerdem sind es nur sehr wenige. Man kann in keinem Sport - weder Fußball, Cricket oder Rugby, noch im Skisport - erwarten, dass man von vornherein an der Spitze mithalten kann. Wir hatten damals mit dem Stewart-Team das große Glück, innerhalb kurzer Zeit recht weit vorne dabei zu sein."

"Ganz zu Anfang waren wir sehr froh, wenn wir uns mal im Mittelfeld qualifizieren konnten. In dieser Beziehung waren wir aber auch ungewöhnlich, denn das ist nicht vielen Mannschaften derart gelungen. Man muss den neuen Teams Zeit geben, sie müssen lernen. Selbst mit allem Geld der Welt bekommt man es nicht zwangsläufig hin. Es sind in der Vergangenheit immer mal wieder Leute mit enorm viel Geld eingestiegen, haben aber die Leistung nicht bringen können. Es braucht seine Zeit."

"Enttäuscht bin ich in gewisser Weise aber auch. Wenn man zum Beispiel mal Virgin sieht. Wenn Richard Branson dort mehr Geld investiert hätte, dann hätten die zweifellos besser abschneiden können. Die Formel 1 funktoniert nicht ohne den nötigen finanziellen Rückhalt. Als neues Team große Sponsoren anlocken zu müssen, in einer Zeit einer nie dagewesenen Wirtschaftskrise, ist nahezu unmöglich."


Fotos: Großer Preis von Brasilien, Pre-Events


"Die Pläne zur Kostenbegrenzung der FIA, gepaart mit der Aussage des damaligen Präsidenten, dass neue Teams sofort gegen Mannschaften wie Ferrari und McLaren erfolgreich sein könnten, haben nicht funktioniert. Das wird auch niemals klappen können. Wissen und Erfahrung, sowie die nötige Ausstattung und Ressourcen, wurden bei den erfahrenen Teams über Jahrzehnte aufgebaut."

Frage: "Wird am Ende nur Lotus durchhalten?"
Stewart: "Es gab in den vergangenen Jahren immer mal wieder Neueinsteiger, zahllose Mannschaften haben es versucht. An manche von denen erinnert sich niemand mehr. Der Job ist extrem hart. Du musst dich natürlich zu Beginn im engsten Kreis bedienen. Wir haben auch damals Mechaniker und Ingenieure von Ferrari, McLaren und anderen Teams geholt."

"Man schaue sich jetzt mal Red Bull an. Das ist im Grunde in Teilen immer noch unsere alte Mannschaft. Viele von damals arbeiten immer noch dort. Sie haben sicherlich in den vergangenen Jahren viel investiert, weil sie es sich leisten konnten. Aber letztlich bleiben die Menschen der entscheidende Faktor."

¿pbvin|512|3256||0|1pb¿Frage: "Red Bull ist ein indirekter Nachfolger deines damaligen Teams Stewart Grand Prix. Beobachtest du das Team umso genauer?"
Stewart: "Ja, natürlich. Es ist immer schön, wenn ich dort Leute treffe, die damals schon für mich gearbeitet haben. Ich verfolge deren Arbeit recht genau und bin auch ein wenig stolz auf das, was wir damals innerhalb kurzer Zeit erreicht haben."

"Mir war immer klar, dass wir mit Ferrari und Co. nicht mithalten können, selbst wenn wir damals sogar ein Team wie Williams geschlagen haben. Aber das zusätzliche Geld für den letzten Schritt zu finden, war einfach nicht möglich. Wenn Red Bull den Titel holt, dann gebe ich den Jungs dort einen Drink aus."

Frage: "Zwei Rennen lang bist du noch als Repräsentant von RBS an der Strecke, dann endet der Vertrag. Was machst du 2011?"
Stewart: "Ich habe bislang keine konkreten Pläne für das kommende Jahr. Mein RBS-Vertrag läuft noch ein Jahr weiter, aber deren Vertrag mit Williams endet am Ende dieser Saison. Ich weiß also derzeit noch überhaupt nicht, was ich im kommenden Jahr machen werde."

Frage: "Hast du den neuen Senna-Film schon gesehen?"
Stewart: "Ich habe ihn noch nicht gewesehen, aber habe viel Gutes darüber gehört. Ayrton Senna war einer der Größten aller Zeiten, daher gehe ich fest davon aus, dass man diesen Dokumentarfilm entsprechend gut gemacht hat. Ich werde ihn mit zweifellos bald anschauen und freue mich schon darauf."