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Stepney packt aus: So kam es zur Spionage!
In einem nun an die Öffentlichkeit gelangten Brief an FIA-Präsident Max Mosley packt Nigel Stepney erstmals aus, wie es zur Spionageaffäre kam
(Motorsport-Total.com) - Mit seinen schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Ferrari, wonach auch die Italiener im Zuge der Spionageaffäre heikle Daten von McLaren-Mercedes erhalten haben sollen, nicht nur umgekehrt, sorgt Nigel Stepney derzeit wieder für Schlagzeilen. Nun ist durch die Internetseite 'grandprix.com' ein auf 30. August datierter Brief an FIA-Präsident Max Mosley (Kopien gingen auch an Ron Dennis und Jean Todt) an die Öffentlichkeit gelangt, in dem Stepney seine Version der Ereignisse schildert.

© xpb.cc
Nigel Stepney meldet sich in der Spionageaffäre endlich zu Wort
Von höchstem Interesse ist natürlich die Art und Weise seiner Kontaktaufnahme zu Ex-McLaren-Designer Mike Coughlan, mit dem er sich gemeinsam bei Honda beworben hat. Stepney hat sich mit seinem alten Bekannten im April vor Testfahrten in Barcelona getroffen, um diese Möglichkeit vorab zu diskutieren, bevor sie Honda-Teamchef Nick Fry kontaktierten. Dabei dürfte der Stein ins Rollen gekommen sein, wenn man dem Inhalt des angesprochenen Schreibens glauben darf.#w1#
Treffen am 28. April in Barcelona
Darin heißt es: "Wir haben uns in Barcelona getroffen, wo ich gerade im Urlaub war, um meine Zukunft zu planen. Ich kannte Mike und respektierte seine Arbeit. Die Qualität seines Designs und seine Aufmerksamkeit für Details bei McLaren waren einzigartig - und das war vor allem sein Verdienst. Wir haben uns unterhalten, wie wir uns bei einem anderen Team integrieren könnten und wie wir das anpacken sollten."
"Ich sagte ihm, dass ich Vertragsentwürfe in meinem Besitz hatte und fragte ihn nach seinen gewünschten Konditionen. Ich hatte auch Ferrari-Dokumente dabei, die ich verwendete, um zu verstehen, ob ich es schaffen kann, vom Chefmechaniker in eine hochrangigere technische Position zu wechseln, für die ich nie ausgebildet wurde. Der Besitz dieser Ferrari-Dokumente war völlig legitim, denn ich war zu dem Zeitpunkt noch Ferrari-Mitarbeiter."
Stepney hatte angeblich das Angebot vorliegen, bei Ferrari zwar nicht Ross Brawns frühere Position einzunehmen, aber ihm wurde zugesichert, dass man ihn künftig verstärkt in die erste Designphase integrieren würde. Dafür hätte er einen Catia-Kurs belegen müssen, um mit der aktuellsten Software im Designbereich umgehen zu können. Dies war seiner Aussage nach der einzige Grund, warum er die Dokumente dabei hatte.
Coughlan steckte einige Dokumente ungebeten ein
"Mike", fuhr der Brite im Schreiben an Mosley fort, "sah sich einige Dokumente an und war an ihnen interessiert. Ich habe gesagt, es sei keine gute Idee, dass er sich diese Papiere ansieht. Es war offensichtlich falsch von mir, ihm das zu erlauben. (...) Er nahm ein paar der Dokumente und steckte sie in seine Tasche. Ich habe ihn gefragt, was er damit vorhat, und er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, er habe nichts vor."
"Wir stiegen dann ins Auto, denn es war an der Zeit, zum Flughafen zu fahren, und im Auto sah er einige weitere Dokumente, die er zu lesen begann. Er nahm sie dann alle und steckte sie in seine Tasche. Ich hielt das für keine gute Idee und sagte ihm, dass er damit nichts tun kann. Er sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen, er werde das Zeug nicht verwenden", erinnerte sich Stepney an den 28. April zurück.
Und weiter: "Mike hatte keinen Grund, diese Informationen bei McLaren zu verwenden, und nach meinem besten Wissen und Gewissen hat er diese Idee auch nie vorgeschlagen. Seine einzige Absicht war es, mir weiterzuhelfen (in Bezug auf den Catia-Kurs; Anm. d. Red.). McLaren ist eine angesehene Organisation und dazu in der Lage, die Weltmeisterschaft ohne Hilfe von außen und ohne Betrug zu gewinnen."
Was passierte vor Melbourne?

© McLaren
Mike Coughlan war Nigel Stepneys Komplize in der Spionageaffäre Zoom
Stepney ging in seinem Brief auch auf die Vorfälle um den Grand Prix von Australien ein, im Rahmen dessen es Diskussionen um die Legalität des Unterbodens des Ferrari F2007 gab. Diese Irregularitäten seien ihm als Verantwortlichen für die Legalität der Autos in Maranello nämlich schon im Januar aufgefallen, aber Ferrari hat darauf nicht reagiert. Stattdessen bekam er nur als Antwort, man werde versuchen, den Vorteil so lange auszuschöpfen, bis die FIA interveniert.
Also wandte er sich eigener Aussage nach zunächst an Peter Wright von der FIA, dem er die Skizzen des fraglichen Systems schickte. Wright wiederum leitete die Informationen an Charlie Whiting weiter, den Technischen Delegierten der FIA, der sich nach deren Herkunft erkundigte, diese aber nicht erfuhr, weil Stepney Wright ausdrücklich um strenge Vertraulichkeit gebeten hatte - angesichts seiner Mitarbeit bei Ferrari durchaus verständlich.
Aber warum zeigte Stepney überhaupt sein eigenes Team an? Gegenüber Wright sagte er: "Ich will nichts als eine saubere und faire Weltmeisterschaft." Eben deswegen habe er sich bei Ferrari nicht mehr wohl gefühlt, weil sein Ratschlag als Leistungsentwicklungschef, auf den seiner Meinung nach illegalen Unterboden zu verzichten, nicht befolgt wurde, obwohl dies in seinen Verantwortungsbereich fiel. Das Ferrari-System sei übrigens mit einem Schwingungstilger vergleichbar gewesen.
Stepney wundert sich über Passivität der FIA
Was dann passierte, war laut Stepney merkwürdig: "Charlie Whiting hat gesagt, er war über das System informiert, aber nicht in dem Ausmaß, und würde es sich beim Australien-Grand-Prix genauer anschauen. Ich persönlich hätte angenommen, dass man sich das System wegen der Ernsthaftigkeit der Behauptung vorher anschauen hätte sollen." Daher wandte er sich am Freitag in Melbourne in der Sache an Coughlan.
Coughlan wiederum machte McLaren-Mercedes darauf aufmerksam - und der Rest ist bekannt: Die FIA intervenierte und verbot das System. Stepney fragt sich daher: "Was, wenn McLaren nicht eine Klarstellung der Legalität des Ferrari-Systems erbeten hätte? Hätte Charlie genauso gehandelt oder hätte er zwei bis drei Rennen gewartet oder hätte er nie reagiert? Und warum kamen die Autos durch die technische Abnahme, wenn ihre Legalität in Frage stand?"
Stepney sieht seine Version der Dinge im Nachhinein bestätigt, obwohl er von Ferrari-Teamchef Jean Todt als Mensch bezeichnet wird, der "seinen Kopf verloren" hat. Der Brite wertet es jedoch als Indiz dafür, dass Ferrari vor seiner Version Angst hat, dass die Herausgabe seines geplanten Buchs über den Fall verhindert wurde, indem Druck auf den Verleger ausgeübt wurde. Die genauen Hintergründe dazu sind aber nicht zweifelsfrei bekannt.
Stepney fordert Änderungen innerhalb der FIA
"Ich bin mir nicht sicher", wird Stepney außerhalb des Briefes von 'grandprix.com' zitiert, "ob ich je wieder in der Formel 1 arbeiten möchte, um ehrlich zu sein. Ich bin nicht wütend auf die Formel 1, aber die FIA muss sich verändern. Es ist ein Business, das von professionellen Leuten geführt werden sollte. Mir wurde gesagt, dass ich mich nicht gegen Max Mosley auflehnen darf, weil ich sonst alles verlieren würde. Ich habe gesagt: 'Zu spät - ich habe schon alles verloren!'"
Schwer tut er sich allerdings damit, seine Aussagen zu belegen, wie er - wieder im Brief - schilderte: "Sie müssen verstehen, dass mein Computer von Ferrari konfisziert wurde, daher kann ich keine Dokumente vorlegen, um meine Aussagen zu belegen, und auch keine genauen Datumsangaben. Aber Ihre Organisation hat ja sicher Originalkopien der E-Mails vorliegen, in denen ich meine Bedenken (über das Ferrari-System; Anm. d. Red.) geäußert habe", schrieb er an Mosley.
Interessant: Diese E-Mails wurden in der offiziellen Urteilsbegründung des World Councils nicht erwähnt, wurden bisher auch nicht veröffentlicht, obwohl stets die Rede davon ist, dass man größtmögliche Transparenz walten lassen möchte. Ihre Existenz wurde nur im World-Council-Hearing kurz angeschnitten. Solange sie nicht veröffentlicht werden, haben Verschwörungstheoretiker natürlich wieder jede Menge Diskussionsstoff...

