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Stepney: Ein Sieg ist ein Sieg
Ferraris Technischer Manager Nigel Stepney würde seinen Rennstall am Wochenende in Silverstone gerne mit weiteren Erfolgen sehen
(Motorsport-Total.com) - Großbritannien kann man gut und gerne als Heimat des Motorsports bezeichnen. Das macht den Grand Prix in Silverstone für alle Teams gleichermaßen zu einem Saisonhöhepunkt. In der internationalen Welt der Königsklasse ist es zudem an der Tagesordnung, dass in den Rennställen Menschen aus verschiedenen Nationen Hand in Hand arbeiten. Auch Ferrari bildet da keine Ausnahme. Das Team mit Sitz im italienischen Maranello beschäftigt zum Beispiel den Briten Nigel Stepney als Technischen Manager im Bereich Tests und Rennen.

© xpb.cc
Ferraris Nigel Stepney hat eine lange Rennsportkarriere hinter sich
Stepney erinnert sich an seine Anfänge beim Formel-1-Team Shadow Mitte der 70er, lange noch, bevor er 1993 zu Ferrari kam. "Wir hatten unsere Fabrik in einem kleinen Industriegebiet nahe Silverstone. Von zu Hause aus fuhr ich bis dorthin nur eine halbe Stunde über Nebenstraßen. In meinem kleinen 'Mini Cooper S' ärgerte ich die Bauern mit meinen Versuchen, meine eigene Bestzeit auf dem Weg zur Arbeit zu übertreffen. Aber ich war immer vorsichtig und hatte nie einen Unfall", erinnert er sich.#w1#
Eine lange Motorsport-Reise
Auch darüber hinaus verbinden den 46-Jährige viel mit der britischen Renntradition. "Ich kam nach Silverstone, als ich noch in der Ausbildung zum Mechaniker war. Damals arbeitete ich für ein Tourenwagen-Team namens 'Broadspeed'", erzählt er. "Meinen ersten Britischen Grand Prix sah ich allerdings in Brands Hatch, als ich für ein Team arbeitete, das in einem Rahmenrennen fuhr."
"Ich fühlte mich als Kind nicht nur dem Motorsport verschrieben. Vielmehr mochte ich alle möglichen Sportarten gleich gern. Während meiner Schulzeit wollte ich noch Sportlehrer werden, aber nachdem ich mich bei meinem Berufsberater nach einem 'Outdoor-Sport' erkundigt hatte, landete ich bei Broadspeed", schmunzelt Stepney.
"Nicht die Annehmlichkeiten moderner Kurse"
Auf dem Kurs in Silverstone wurde 1948 der erste Britische Grand Prix ausgetragen. Das erste Formel-1-Rennen mit WM-Status wurde 1950 auf der geschichtsträchtigen Strecke gefahren. "Es ist keine Charakterstrecke, aber das Original-Layout war herrlich", sagt Stepney. "Die 'Becketts' waren früher eine der spektakulärsten Kurven, besonders durch die Massen an Fans, die von dort aus zusahen."
"Das Fahrerlager hält nicht dieselben Annehmlichkeiten bereit wie moderne Kurse", fährt er fort. "Auch wenn es kein Problem darstellt, dort zu arbeiten, bemerkt man den Unterschied. Silverstone scheint sich meiner Erinnerung nach nicht wesentlich verändert zu haben. Die Werkstätten dort sehen noch fast genau so aus, wie damals, als ich anfing." Silverstone wäre, auch aufgrund der veralteten Anlagen, beinahe als Teil des Grand-Prix-Kalenders entfallen.
Silverstone als Riesenspaß für die Fans
"Es ist ein altmodischer Kurs, aber immer noch ein Riesenspaß für die Fans. Sie haben eine gute Aussicht auf die Autos, wenn sie auf sie zukommen und sich wieder entfernen. Tatsächlich sind es die Zuschauer, die an einem Grand-Prix-Wochenende in Silverstone die besondere Stimmung und Atmosphäre erzeugen", schwelgt der Brite.
Stepneys beruflichen Erfahrungen mit dem Grand Prix von Großbritannien beginnen 1976. Damals arbeitete er noch für Shadows Clay Regazzoni. Die meisten seiner Erinnerungen an das britische Rennen seien nicht sonderlich angenehm, erläutert er. "Ich arbeitete zu der Zeit bei Lotus, als man das Doppel-Chassis-Auto fuhr." Lotus baute damals einen Boliden, der zwar mehr oder weniger regelkonform war, aber dennoch für heftige Diskussionen sorgte.
Seltsames aus Großbritannien
"Es war der Lotus 88 und wir mussten den Wagen über Nacht in die 87er-Version zurückbauen, nachdem das Originalfahrzeug uns verboten wurde. Sogar davor, noch während ich bei Broadspeed war, gab es Probleme. In der letzten Runde ging unser Benzin zur Neige, wäre das nicht passiert, hätten wir damals einen Sieg eingefahren."
Auch weiterhin wurde der Grand Prix in Silverstone von negativen Vorkommnissen überschattet. "Nachdem ich zu Ferrari kam, brach sich Michael Schumacher in Silverstone ein Bein. Eddie Irvine hätte dort gewinnen können, aber ein langer Boxenstopp kostete uns den Sieg", ärgert der 46-Jährige sich. "Dann war da noch die seltsame Begebenheit, als Michael gewann. Das Rennen wurde beendet, als er gerade in der Boxengasse war. Es wäre also schön, wenn am kommenden Wochenende alles glatt gehen würde."
"Angenehme Erinnerungen"
Stepney schildert, dass er an den Grand-Prix-Wochenenden in Silverstone sehr vielen Menschen begegnet, mit denen er früher zusammengearbeitet hat. "Es ist schön, auf diese Art mit ihnen Kontakt zu halten, auch wenn ich einige von ihnen nicht auf Anhieb wiedererkenne. Aber das sind die Leute, unter denen ich aufgewachsen bin, mit denen ich gearbeitet habe und auch Spaß hatte. Bei mir weckt das angenehme Erinnerungen."
Im Großen und Ganzen aber fühlt er sich den heimatlichen Inseln entwöhnt. "Ich komme nur für diese vier Tage pro Jahr nach England zurück. Ich habe mich von England eben etwas distanziert, jedoch nur wegen der Art zu leben, die ich in Italien pflege. Es ist einfacher, frei herumzureisen, man hat weniger Schwierigkeiten als in England", erläutert der Technische Manager. "Die Veranstaltungen in Europa kann man von Italien aus viel einfacher erreichen."
"Wir sind auf dem richtigen Weg"
Auch das Verhältnis zwischen Silverstone und Ferrari ist nicht so intensiv, wie das bei anderen Teams der Fall sein mag. "Im Juni haben wir in Silverstone getestet. Das ist das einzige Mal im Jahr, dass wir, vom Rennwochenende abgesehen, vor Ort sind. Die englischen Rennställe kennen den Kurs viel besser. Aber auch wenn das Wetter uns nicht gerade wohl gesonnen war, lassen die Resultate der Tests doch auf ein erfolgreiches Wochenende hoffen."
"Wir sind auf dem richtigen Weg, wir haben uns während der vorhergehenden Rennen definitiv verbessert", lobt Stepney. "Wir konnten bei den vergangenen Veranstaltungen mehr Punkte sammeln als alle anderen. Das zeigt, dass wir es richtig angehen - und die Meisterschaft ist noch lange nicht entschieden." Als Engländer muss sich Stepney in Silverstone jährlich so einiges von seinen Teamkollegen anhören:
"Du bist schuld!"
"Sie sticheln mich mit den Dingen, die sie an diesem Ort nicht leiden können", lacht er. "Wenn ihnen das Essen nicht schmeckt, erfahre ich das als Erster und wenn sie in ihrem Hotel keine Mischbatterie vorfinden, machen sie mir das Leben schwer. Und natürlich bin ich auch schuld, wenn es regnet." Er weiß allerdings, sich zu wehren: "Wenn dann bei den Rennen in Italien etwas nicht nach Plan läuft, zahle ich es ihnen heim."
Das Wetter kann in Silverstone allerdings zu Problem werden, so Stepney. "Auch wenn viel über den Regen geredet wird, ist der Wind manchmal das größere Problem, da der Kurs als umgebauter Flugplatz sehr exponiert ist." Die stürmischen Seitenwinde seien besonders in den schnellen Kurven eine Gefahr für die Balance der Autos, erläutert er. Außerdem könne Gegenwind die Getriebeübersetzung beeinträchtigen.
Geht Stepney als Engländer mit gemischten Gefühlen an die Arbeit, wenn Ferrari in seinem Heimatland die englischen Teams besiegen will? "Definitiv nicht. Ich arbeite für Ferrari, also ist ein Sieg ein Sieg und meine Landsmänner zu schlagen ist dabei eine zusätzliche Befriedigung."

