• 24.07.2002 13:31

  • von Fabian Hust

Stadion-Atmosphäre in der Formel 1

In der Vorschau auf den Großen Preis von Deutschland beleuchten wir den neuen Hockenheimring

(Motorsport-Total.com) - Wer noch nie bei einem Formel-1-Rennen vor Ort war, der weiß nicht, warum viele Fans immer wieder bis zu 300 Euro für Eintrittskarten zahlen, um in Hockenheim live dabei zu sein, obwohl man vor Ort weniger vom Rennen mitbekommt als vor dem Fernseher. Der Sound spielt in der Formel 1 eine gewaltige Rolle und er ist schlichtweg phänomenal.

Titel-Bild zur News: Blick von der neuen Mercedes-Tribüne

Beste Sicht auf ein Drittel des neuen Rings von der neuen Mercedes-Tribüne

Wenn im Training in Hockenheim ein Auto das Motodrom in Richtung Wald verlässt und das Kreischen des Motors immer mehr verhallt, läuft den Formel-1-Fans ein kalter Schauern den Rücken hinunter ? auch wenn in diesem Jahr die langen Waldgeraden zum größten Teil verschwunden sind. Dafür bleibt das Motodrom, wo Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher und seine Kollegen auch in diesem Jahr mit Jubelrufen, Tröten, Raketen, Böllern und Rauchbomben frenetisch gefeiert werden. Die Stimmung im Motodrom ist in der Formel 1 einzigartig.

Die erste Waldgerade wird nur noch zu einem Drittel benutzt, die zweite Waldgerade ist gar nicht mehr in den Streckenverlauf integriert und das letzte gerade Teilstück durch den Wald zurück in Richtung Motodrom wurde ebenfalls um zwei Drittel gekürzt. Dennoch wird die Strecke immer noch zu den schnelleren Pisten gehören, auch wenn der Hochgeschwindigkeitscharakter verloren gegangen ist. Die Länge des Kurses ist von 6,815 Kilometer auf 4,489 Kilometer gesunken, somit können die Zuschauer die Autos während dem Rennen 67 statt bisher 45 Mal sehen. Zusammen mit zusätzlichen langsamen Kurven, Haarnadelkurven und neuen Tribünen wird die badische Strecke für die Fans attraktiver.

Umbau in Rekordzeit

Der neue Kurs, der nun den Namen "Hockenheimring Baden-Württemberg" trägt, bietet eine um mehr als 40.000 Sitzplätze auf 120.000 Zuschauer erhöhte Zuschauerkapazität. Der Umbau kostete inklusive der neu gestalteten Verkehrsanbindung und Wiederaufforstungsmaßnahmen ca. 62 Millionen Euro. 15 Millionen Euro davon steuerte das Bundesland bei, was auch mit der Streckenumbenennung honoriert wird. Der Umbau des Hockenheimring Baden-Württemberg wurde in Rekordzeit über die Bühne gebracht. Erst am 2. Januar dieses Jahres wurden die ersten Bäume gefällt und Mitte Januar begannen die Planierraupen und Bagger mit den Erdarbeiten. Die neue Strecke zählt nach dem Umbau zu den modernsten und sichersten Rennstrecken der Welt.

Auch das neue Design des Hockenheimrings stammt aus der Feder des deutschen Architekten Hermann Tilke, der für die gelungene Hightech-Piste von Sepang in Malaysia ebenso verantwortlich zeichnet wie für das neue Layout des Nürburgrings. Sein Hauptanliegen beim Entwurf von neuen Kursen: Die Fahrer sollen öfter überholen können, die Fans besser sitzen und einen größeren Einblick auf die Strecke erhalten. Die neue Strecke ist 14 Metern breit und durch ihre großzügigen Auslaufzonen ermuntert sie die Fahrer zum "Gas geben".

Für die Zuschauer noch attraktiver

Die intensive Stadion-Atmosphäre im Motodrom dürfen in Zukunft noch mehr Motorsport-Begeisterte genießen ? die Südtribüne wird in einem zweiten Bauabschnitt erweitert. "Am allerwichtigsten ist mir aber, dass die Fahrer eine neue Strecke mögen", so der 47-jährige Tilke. Dass dem so ist, dafür sorgt schon allein der intensive Dialog mit Piloten vom Schlage eines Michael Schumacher, mit dem sich der "Kopf der Kurse" regelmäßig beim Entwurf neuer Kurvenradien, der Gestaltung von Auslaufzonen oder Überholmöglichkeiten berät.

Die neue Piste wartet zukünftig mit insgesamt 17 Kurven auf, von denen die sieben im Motodrom unverändert blieben. Berechnungen haben ergeben, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf rund 195 km/h sinken wird, damit sind die Autos im Schnitt so schnell wie beim letzten Rennen in Magny-Cours. An drei Stellen der Strecke erreichen die Fahrer über 300 km/h.

Strecke mit Überholmanövergarantie

Nach der Start- und Zielpassage biegen die Fahrer durch die leicht modifizierte Nordkurve in eine rund 500 Meter lange Gerade ein. Ihr folgt eine Rechts-Links-Kurvenkombination, an die sich die lang gezogene und leicht geschwungene 'Parabolika' mit einer Länge von 1.047 Metern anschließt ? sie soll Geschwindigkeiten von bis zu 315 km/h ermöglichen. Für die anschließende Haarnadel ist ein Tempo von ungefähr 70 km/h vorausberechnet ? hier sind also spannende Ausbremsmanöver garantiert.

Nach dieser engen Spitzkehre kehrt die Strecke wieder auf die bestehende Trasse des Hockenheimrings zurück. Durch zwei neue temporäre Tribünen in diesem Bereich, auf denen 32.000 Zuschauer Platz finden, sowie die Mercedes-Tribüne entsteht eine Art zweites "Motodrom". Auf dem Weg zurück in den alten Stadionabschnitt erwartet die Fahrer dann noch eine neu geschaffene, anspruchsvolle Kurvenkombination, deren Charakteristik Positionskämpfe mit parallel fahrenden Fahrzeugen erwarten lässt.

Ralf Schumacher als erster "Formel-1-Testpilot"

Als erster Pilot des aktuellen Formel-1-Starterfeldes drehte BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher seine Runden auf der neuen Strecke. In einem BMW X5 fuhr der jüngere der Schumacher-Brüder zusammen mit Hermann Tilke den Kurs ab und zeigte sich anschließend begeistert: "Das neue Layout ist sicher abwechslungsreicher und bietet auch mehr Herausforderungen für die Fahrer", so der 27-Jährige. "Es gibt zwei Passagen, an denen man definitiv überholen kann. Zum einen in der zweiten Kurve nach Start und Ziel, zum anderen in der neuen Spitzkehre", weiß der Vorjahressieger des Großen Preises von Deutschland zu berichten.

Ralf Schumacher weiter: "Durch den Umbau wird das diesjährige Rennen in Hockenheim zu einer Rechnung mit einer Unbekannten. Bis auf das Motodrom und die leicht modifizierte Nordkurve haben wir keinerlei Erfahrungswerte. Im Infield brauchen wir nach wie vor mechanischen Grip und eine möglichst weiche Reifenmischung. Allerdings ist der Asphalt in einigen Kurvenpassagen sehr rau, und die beiden Rechtskurven vor Start und Ziel sowie die schnelle Rechts danach beanspruchen den linken Vorderreifen etwas stärker. Wenn der linke Vorderpneu mitspielt, sollten wir dennoch eine weiche Mischung verwenden können."

Geschichte bis in das Jahr 1932 zurück

Am 29. Mai 1932 wurde als Eröffnungsveranstaltung auf dem damaligen nicht asphaltierten Dreieckskurs das erste Motorradrennen gestartet. 1938 wurde die Strecke zum ovalförmigen "Kurpfalzring" umgebaut. 1957 wurde erneut modernisiert und auch das Motodrom gebaut. Am 2. August 1970 fand der erste Formel-1-GP statt, es siegte Jochen Rindt. 1977 wurde der Große Preis von Deutschland dauerhaft ins Badische verlegt, lediglich 1985 kehrte er noch einmal auf den Nürburgring zurück.

Der Grand Prix von Deutschland wird in diesem Jahr zum 26. Mal in Hockenheim ausgetragen, erstmals auf dem neuen, auf 4,5 Kilometer verkürzten Kurs. 22 Mal gastierte der WM-Lauf auf dem Nürburgring, einmal - 1959 - auf der Berliner Avus. Die schnellste Runde in diesem Rennen wurde von Tony Brooks mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 240 km/h gefahren, diese Bestmarke des Deutschland-GP hielt bis 1992 in Hockenheim - Riccardo Patrese mit 241,498.

Motodromdebüt im Jahr 1970

Die Formel 1 trat 1970 erstmals im Motodrom auf - Sieger: Jochen Rindt im Lotus-Ford, seit 1977 gastiert der Grand Prix jährlich in Nordbaden, mit Ausnahme von 1985, als auf der neuen Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings gefahren wurde. Vier Fahrer haben den deutschen Grand Prix je dreimal gewonnen: Juan Manuel Fangio, Jackie Stewart, Nelson Piquet und Ayrton Senna. Mika Häkkinen siegte 1998 in Hockenheim mit 0,427 Sekunden vor seinem McLaren-Mercedes-Teamkollegen David Coulthard. Es war der knappste Zieleinlauf in einem deutschen Grand Prix.

Spannender Sport im Motodrom und der auf den Feldern der Region drumherum angebaute Spargel haben der Rennstadt Hockenheim in der Nähe von Heidelberg weltweite Bekanntheit eingebracht. Für die Gemeinde mit 20.000 Einwohnern ist die Rennstrecke heute wichtigster Wirtschaftsfaktor.

Geschichte und Kultur

Die Region Hockenheims ist seit der Jungsteinzeit besiedelt. Im Jahr 769 wurde die Ortschaft erstmals urkundlich erwähnt. Ab 1462 gehörte Hockenheim zur Kurpfalz, seit 1803 ist es badisch. 1895 wurde Hockenheim zur Stadt erhoben. Im 17. Jahrhundert brachten die Franzosen den Tabak ins Land und ab 1860 entwickelte sich eine prosperierende Zigarrenindustrie. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Branche jedoch ihren Niedergang, von einst 2.200 Arbeitsplätzen existiert heute keiner mehr. Anfang des 20. Jahrhundert verdrängte der Spargel den früheren Hopfenanbau. Die Saison des Edelgemüses ist allerdings zum Grand-Prix-Termin bereits vorbei.

Sehenswürdigkeiten

1986 wurde neben dem Motodrom das Motorsport-Museum eröffnet. Ausgestellt sind zahlreiche Rennfahrzeuge, darunter Weltrekord-Motorräder des 1998 verstorbenen Wilhelm Herz, der die Geschichte des Hockenheimrings mit geprägt hat. Eine Attraktion für Besucher aus aller Welt ist das nahe gelegene Heidelberger Schloss, eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. Die im pfälzischen Erbfolgekrieg stark in Mitleidenschaft gezogene Anlage beherbergt unter anderem das weltgrößte Holzfass (221.726 Liter). Vom Königstuhl bei Heidelberg ? Auffahrt mit dem Auto oder per Standseilbahn ? bietet sich ein einmaliger Blick über weite Teile der Rheinebene.

Einkaufen

Heidelberg hat als Einkaufsstraße die Hauptstraße, Mannheim, von Hockenheim ebenso einfach zu erreichen, hat die Planken. Beide Straßen sind Fußgängerzonen und laden zum Shopping ein.

Essen und Trinken

Ob an der badischen Bergstraße oder ihrem Pendant, der Weinstraße in der benachbarten Pfalz - in den Weinbaugebieten gibt es viele kleine Lokale, die neben einheimischen Gewächsen auf der Weinkarte auch eine schmackhafte, bodenständige Küche bieten. Wer es lebhafter mag, ist in den Fußgängerzonen von Mannheim und Heidelberg mit ihren zahlreichen Straßencafés gut aufgehoben.

Klein, elegant und eine hoch gelobte Küche, das ist das 'L'Epi d'Or' in der Quadratestadt Mannheim, H7,3. Auf jeden Fall etwas Hunger aufheben für eines der himmlischen Desserts. Exzellente italienische Küche mit französischen Akzenten ist die Spezialität von 'Da Gianni', Mannheim, R7,34. Man sagt, er gehört zu den Lieblingslokalen von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl.

Mitten in der engen Heidelberger Altstadt liegt das 'Simplicissimus', Ingrimstr. 16. Bei schönem Wetter lockt der lauschige Innenhof. Im Heidelberger Stadtteil Grenzhof liegt das gleichnamige 'Landhaus', das mit einer abwechslungsreichen Küche aufwartet. Das Haus 'Landgraf' in Walldorf, (Hauptstr. 25), ist ein malerisches Fachwerkhaus mit engen, verwinkelten Räumen. Die Küche ist bodenständig mit Spezialitäten der Region.