Speed: "Mein Name kann dem Sport nur helfen"

Hier ist der Name Programm: Scott Speed im 'F1Total.com'-Interview über seinen bisherigen Werdegang und die Premiere bei der Scuderia Toro Rosso

(Motorsport-Total.com) - Manche Geschichten schreibt eben nur das Leben: Scott Speed, durch seinen Namen prädestiniert für eine Karriere im Motorsport, wird 2006 für Red Bulls Scuderia Toro Rosso seine erste Formel-1-Saison bestreiten. Dass er von sich selbst regelmäßige WM-Punkte und einen Sieg im Stallduell gegen Vitantonio Liuzzi erwartet, passt zu seinem unerschütterlichen Selbstbewusstsein.

Titel-Bild zur News: Scott Speed

Ist dieser junge US-Boy wirklich so schnell, wie sein Name vermuten lässt?

'F1Total.com' traf Speed auf seinem Heimflug von den Testfahrten in Jerez de la Frontera nach Salzburg - der 22-Jährige lebt in der Nähe der Red-Bull-Zentrale in Fuschl am See - und erfuhr dabei unter anderem, wie er sich selbst einschätzt: "Ich bin egoistisch, arrogant und selbstsüchtig - aber so muss man in diesem Business sein! Es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass ich außer meiner Valentina kaum Freunde habe", sagte er zwischen zwei Games auf seiner tragbaren PlayStation.#w1#

Interview in einer Linienmaschine von Niki Lauda

Im in einer 'NIKI'-Maschine geführten Interview sprach Speed unter anderem über seinen Werdegang vom Teilnehmer an der ersten Red-Bull-Fahrersuche bis hin zum vollwertigen Formel-1-Piloten, aber er gab auch Einblicke in die bisher schwierigste Phase seiner Karriere, als er wegen einer Darmerkrankung beinahe den Rennsport aufgeben hätte müssen.

"Die Situation für mich und meine Familie war so, dass wir uns nichts Großes leisten konnten." Scott Speed

Frage: "Scott, du stehst vor deiner ersten Saison in der Formel 1 und hast es dank Red Bull so weit geschafft. Erzähle uns ein bisschen mehr darüber, wie mit der Red-Bull-Fahrersuche alles angefangen hat?"
Scott Speed: "Die Chance mit der Red-Bull-Fahrersuche bot sich mir Ende 2002. Ich hatte damals gerade ein sehr erfolgreiches Jahr im Kartsport hinter mir und wollte in den Formelsport einsteigen. Die Situation für mich und meine Familie war aber so, dass wir uns nichts Großes leisten konnten. Als sich dann die Gelegenheit mit der Fahrersuche auftat, sah ich meine Chance, auf diesem Weg nach Europa zu gehen und angemessen trainiert zu werden, um es in die Formel 1 zu schaffen. Am Anfang waren wir vier Fahrer, die nach Europa geholt wurden, um dort Rennen zu bestreiten. Seitdem fahre ich in Europa für Red Bull."

Frage: "Was hast du eigentlich vor der Fahrersuche gemacht? Kartsport - aber auf welchem Niveau?"
Speed: "Ich fuhr damals, 2000 und 2001, in einer der höchsten Kartklassen in Amerika. Außerdem nahm ich an einigen Rennfahrerschulprogrammen teil, die es in Amerika für junge Kartfahrer gibt. Ich bekam ein Stipendium an der Skip-Barber-Rennfahrerschule. 2001 nahm ich an deren Meisterschaft teil und konnte diese auch gewinnen. Das war der Anfang vom Übergang vom Kartsport zu echten Rennautos."

Speed stammt aus dem ersten Jahrgang der Red-Bull-Suche

Frage: "Wie bist du eigentlich auf die Red-Bull-Fahrersuche gestoßen? Wurde dafür Werbung gemacht oder gab es dafür Veranstaltungen?"
Speed: "Im ersten Jahr, in dem es die Fahrersuche gab, suchten sie die Fahrer über Talentscouts. Durch meine Erfolge im Kartsport war ich einer der ersten 16 Fahrer, denen von Red Bull diese Chance gegeben wurde. Werbung wurde dafür eigentlich nicht viel gemacht, aber innerhalb der Kartsportgemeinde wussten alle darüber Bescheid. Also haben alle ihr Bestes gegeben, um irgendwie hineinzukommen."

"Als Rennfahrer will man natürlich nach Europa gehen." Scott Speed

Frage: "Was war der nächste Schritt? Ich schätze, du musstest nach Europa gehen. War das eine schwierige Umstellung oder wolltest du wegen des Rennsports sowieso nach Europa ziehen?"
Speed: "Als Rennfahrer will man natürlich nach Europa gehen. Leider fiel mir die Umstellung ziemlich schwer, denn mir wurde damals eine Krankheit mit dem Namen Ulcerative Colitis diagnostiziert, eine Darmerkrankung. Diese beeinflusst die Ernährungszufuhr und führte bei mir dazu, dass ich viel zu wenig rote Blutkörperchen hatte und 2003, in meinem ersten Jahr in Europa, keine Rennen mehr fahren konnte. Ich wäre eigentlich in England Formel 3 gefahren. Nach Europa zu kommen und gleichzeitig mit der Krankheit umgehen zu müssen, machte mein erstes Jahr weg von zu Hause ziemlich schwierig."

Frage: "Ich habe auf deiner Internetseite gelesen, dass dir die Ärzte damals nahe gelegt haben, das Rennfahren aufzugeben. Wie war das aus psychologischer Sicht für dich?"
Speed: "Es ist schon ziemlich schwierig, wenn man erst 19 ist. Ich war bis dahin immer in der Nähe meiner Familie. Alleine schon das Wegziehen und die einfachen Dinge wie Wäsche waschen oder das Geschirr spülen fielen mir schwer, aber noch dazu in einem anderen Land mit der Krankheit und dem Rennsport - das wurde mir manchmal schon zu viel."

Speeds Karriere hing an einem seidenen Faden

Scott Speed

Nach Überwindung seiner Krankheit kann Scott Speed nun wieder lächeln... Zoom

"Als mir die Ärzte gesagt haben, dass ich wegen der Belastungen für meinen Körper den Rennsport aufgeben sollte, war das schon eine schmerzliche Konfrontation mit der Realität, aber gleichzeitig kam mir der Gedanke, dass ich mit meinem Körper ja mein ganzes Leben lang auskommen muss. Also setzte ich meine Prioritäten dementsprechend. Zum Glück stieß ich dann in Wien auf einen fantastischen Arzt, Dr. Christoph Gasche. Er unterbreitete mir eine andere Form der Medikation, eine andere Therapie - und dadurch habe ich die Krankheit schlussendlich überwunden."

Frage: "War er der erste Arzt, den du konsultiert hast?"
Speed: "Nein. Zwischen 2002 und Sommer 2004, was wahrscheinlich mein absoluter Tiefpunkt war, war ich bei wirklich vielen Ärzten..."

Frage: "Was war dann der nächste Schritt? Deine erste Rennserie in Europa war die Formel Renault, nicht wahr?"
Speed: "Meine erste Saison war in der Britischen Formel 3, aber es war ein wirklich schwieriges Jahr mit der Krankheit und so weiter. Das zweite Jahr bestritt ich in der Europäischen beziehungsweise Deutschen Formel-Renault-Meisterschaft, die ich beide gewinnen konnte. Letztes Jahr fuhr ich dann GP2."

Frage: "Du wurdest in der GP2 Gesamtdritter. Es hat ganz gut begonnen, aber dann hattest du zum Saisonende hin ein paar Schwierigkeiten. Erzähle uns mehr darüber!"
Speed: "Ja, die Saison begann sogar sehr gut. Wir sicherten uns beim ersten Qualifying die Startnummer eins, aber irgendwie blieb ich trotzdem das ganze Jahr über ohne einen einzigen Sieg. Wir hatten viel Pech und viele mechanische Probleme, aber alles in allem war der dritte Platz ganz okay, wenn man bedenkt, was alles passiert ist. Ich habe viel über das Fahren mit Rillenreifen gelernt und kam in Kontakt mit den Formel-1-Strecken. Es war ein gutes Lehrjahr für mich."

Red Bull unterstützt seine Athleten nicht nur mit Geld

Frage: "Red Bull hat dich bis in die Formel 1 begleitet, aber sie haben dir ja nicht nur Geld gegeben, sondern dich richtig als Rennfahrer ausgebildet. Da gibt es viel, woran man arbeiten muss. Kannst du uns schildern, wie die Unterstützung durch Red Bull genau aussieht?"
Speed: "Red Bull stellt uns eine ziemlich umfangreiche Trainingsanlage in Österreich zur freien Verfügung. Das gilt für all ihre Athleten. Als Red-Bull-Fahrer platzierten sie mich in den Meisterschaften, die ich bisher bestritten habe, und sie haben mich dabei unterstützt."

"Einen Namen wie diesen zu haben, kann dem Sport nur helfen." Scott Speed

Frage: "Jetzt die offensichtliche Frage: Ein Junge namens Scott Speed muss doch einfach Formel 1 fahren, nicht wahr? Ich nehme an, diese Frage wird dir oft gestellt..."
Speed: "Ja. Einen Namen wie diesen zu haben, kann dem Sport nur helfen."

Frage: "Es ist kein Witz oder Marketinggag, sondern du heißt wirklich Scott Speed, oder?"
Speed: "Ja, ich heiße wirklich Scott Speed! Es ist wirklich gut, dass ich auf den Motorsport gestoßen bin, denn in all den anderen Sachen davor war ich nicht besonders schnell..."

Frage: "Du wirst 2006 für die Scuderia Toro Rosso in der Formel 1 an den Start gehen. Vom ehemaligen Minardi-Team kann man keine Siege erwarten. Was ist dein realistisches Ziel?"
Speed: "Natürlich ist es unser realistisches Ziel, Punkte zu sammeln, aber wir müssen erst unser eigenes STR-Auto abwarten und sehen, wie gut es ist. Das ganze Team befindet sich noch im Aufbauprozess, und da ist es schwierig abzuschätzen, wo wir in der Startaufstellung landen werden. Mein persönliches Ziel sind in jedem Fall Punkte - und am Ende des Jahres näher am WM-Titel dran zu sein als jetzt! Wenn das Jahr gut läuft, ich etwas lernen und mich ständig steigern kann, dann wäre das schön."

Frage: "Gibt es bestimmte Strecken, auf die du dich besonders freust?"
Speed: "Immer das nächste, um ehrlich zu sein! Im Moment freue ich mich am meisten auf Bahrain."

Speed freut sich über Jani als zweiten Teamkollegen

Frage: "Das Team wollte ursprünglich keinen dritten Fahrer einsetzen. Jetzt habt ihr doch Neel Jani bekommen. Bist du darüber glücklich?"
Speed: "Ja. Neel wird uns als guter Fahrer an den Rennwochenenden helfen. Ich kenne ihn aus der GP2. Er ist ein guter Junge und wird uns sicher helfen."

"Natürlich hatte ich schon einen Verdacht, nachdem sie in Spa das Team gekauft haben." Scott Speed

Frage: "Wann hast du eigentlich von Red Bull erfahren, dass du 2006 Formel 1 fahren wirst?"
Speed: "Um ehrlich zu sein erst mit der Bekanntgabe. Natürlich hatte ich schon einen Verdacht, nachdem sie in Spa das Team (Minardi; Anm. d. Red.) gekauft haben, aber für mich war es erst mit der Bekanntgabe offiziell. Danach habe ich bis jetzt sehr hart an mir gearbeitet, um körperlich vorbereitet zu sein."

Frage: "Womit wärst du Ende 2006 so happy, dass du zurückblicken und sagen könntest, es war eine gute Saison?"
Speed: "Ein paar Punkte gesammelt und keine großen Fehler gemacht zu haben."

Frage: "Man wird dich natürlich an deinem Teamkollegen, Vitantonio Liuzzi, messen..."
Speed: "Natürlich wird man in der Formel 1 mehr als anderswo am Teamkollegen gemessen, aber Ende des Jahres möchte ich Tonio schon schlagen. Zu Saisonbeginn wird es nett, denn er hat doch mehr Formel-1-Erfahrung als ich, und vielleicht kann ich da von ihm lernen. Wir werden sehen."

Kalifornisches Flair bei der Scuderia Toro Rosso

Frage: "Vitantonio Liuzzi und Christian Klien sind in der Formel 1 als sehr entspannte Jungs bekannt, die perfekt in den Red-Bull-Way passen. Wie kommst du mit den beiden und mit dem Red-Bull-Way klar?"
Speed: "Natürlich bringe ich die kalifornische und entspannte Atmosphäre mit mir, und da passe ich sehr gut zu Tonio. Wir sind uns von der Mentalität her sehr ähnlich. Ich habe großes Glück, so einen coolen Sponsor wie Red Bull zu haben, der es einem erlaubt, sich selbst treu zu bleiben. Da muss man sich nicht verstellen."

Frage: "Und es ist ein sehr dynamisches Team - von der Pressesprecherin bis hinauf zu Dietrich Mateschitz..."
Speed: "Ich denke, dass das Toro-Rosso-Team noch jünger, cooler und hipper ist als das Red-Bull-Team."

Scott Speed

In der GP2-Serie konnte Scott Speed sein Talent mehrfach aufblitzen lassen Zoom

Frage: "Du hast schon in einem sehr frühen Alter auf die Formel 1 hingearbeitet, was mich überrascht, denn junge Amerikaner interessieren sich eigentlich mehr für die ChampCar- oder NASCAR-Serie. Warum bist du nach Europa gegangen?"
Speed: "Es ist kein Geheimnis, dass die Formel 1 auch für uns die Königsklasse des Motorsports ist. Für einen jungen amerikanischen Kartfahrer, der sich die Klassen der Reihe nach hocharbeitet, ist es aber ganz schön schwierig, alles liegen zu lassen und nach Europa zu gehen - erstens finanziell und zweitens ganz allgemein, weil man das Land und seine Eltern und so weiter verlassen muss. Viele Kids haben gar nicht die entsprechenden Möglichkeiten. Das hält die meisten Amerikaner davon ab, die Formel 1 überhaupt als Chance zu betrachten."

Frage: "Letzte Frage: Wer ist dein Favorit auf den WM-Titel 2006?"
Speed: "Keine Ahnung. Es ist vielleicht auch noch zu früh für eine ernsthafte Vorhersage."

Frage: "Gibt es jemanden, dem du den WM-Titel besonders wünschen würdest - oder auch überhaupt nicht?"
Speed: "Dazu habe ich keine Meinung..."