So werden die Autos in Monza abgestimmt
Monza ist die schnellste Strecke im Kalender und stellt daher eine große Herausforderung für Mensch und vor allem Maschine dar
(Motorsport-Total.com) - Der Italien-Grand-Prix auf dem historischen Autodromo Nazionale gilt als das materialmäßig teuerste Rennen der Saison, da alle Teams für das einmalige Layout der Highspeedstrecke ein Aerodynamikpaket entwickeln und anfertigen müssen, das nur hier zum Einsatz kommt. Monza stellt sowohl für die Motoren als auch für die Chassis eine wirkliche Härteprüfung dar. Und obwohl das Layout auf den ersten Blick ziemlich einfach wirkt, wiegt sich kein Fahrer in dieser falschen Sicherheit: Der klassische Kurs gibt seine Geheimnisse nur Stück für Stück preis. Die Herausforderung, jede Runde die richtige Linie und Bremspunkte zu treffen, erfordert gerade wegen des sehr geringen Abtriebs viel Erfahrung, Gefühl und Finesse.

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Monza ist bekannt für seine langen Geraden jenseits der 320 km/h
Aerodynamik: Monza ist mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 250 km/h die schnellste Strecke der Saison. Zwar benutzen die Teams auch in Montreal und Indianapolis eine Aerodynamikkonfiguration mit wenig Luftwiderstand und Abtrieb, doch das Aeropaket für Monza ist völlig einzigartig und erlaubt Topspeeds von über 340 km/h. Oft wird von einer Aerodynamik mit wenig Abtrieb gesprochen - der springende Punkt des Monza-Pakets ist aber der geringe Luftwiderstand. Bei der Arbeit im Windkanal konzentrieren sich die Teams auf ultraeffiziente Flügeldesigns, die sich oft stark voneinander unterscheiden. Naturgemäß produzieren diese windschnittigen Flügel weniger Downforce - bei 250 km/h liegen in Monza rund 20 Prozent weniger Abtrieb an als in Monaco.#w1#
Aufhängung: Mechanischer Grip, Stabilität und Straßenlage heißen die wichtigsten Punkte bei der Abstimmungsarbeit in Monza. Das liegt erstens daran, dass der geringe Abtrieb die Bedeutung der mechanischen Abstimmung besonders hervorhebt. Zweitens stehen die Fahrer fast 15 Prozent der Runde auf der Bremse, was ein besonders stabiles Verhalten in den Bremszonen erfordert. Und drittens führt der Weg zu einer schnellen Runde in Monza nur über ein aggressives Überfahren der Kerbs in den Schikanen. Der Abstimmungskompromiss sollte den Piloten in den langsamen und mittelschnellen Schikanen präzise Richtungswechsel erlauben und zugleich für gute Traktion beim Beschleunigen sorgen. Überdies ist in den besagten heftigen Bremszonen viel Vertrauen ins Auto gefragt. Um die aerodynamische Performance zu optimieren, wird die Bodenfreiheit der Boliden so gering wie möglich eingestellt. Damit sie bei hohen Geschwindigkeiten - wenn der Unterboden fast schon über den Asphalt raspelt - nicht aufsetzen, werden die Federwege durch Gummipuffer künstlich begrenzt.
Bremsen: Da die Autos fast 15 Prozent einer Runde verzögert werden, lässt sich in diesem Bereich relativ viel Zeit finden. Das mechanische Setup wird auf größtmögliche Bremsstabilität getrimmt, um dem Piloten Vertrauen zu vermitteln. Das Bremssystem selber erhält einige spezielle Verfeinerungen. Die gesamte Bremsenergie liegt etwa auf dem Niveau von Montréal, wobei beim Anbremsen von Turn eins, der Schikane Prima Variante, sogar Verzögerungen von 4,5 G erreicht werden. Insgesamt müssen die Autos Runde für Runde vier harte Bremsmanöver aus über 320 km/h überstehen. Deshalb wird den Bremsbelüftungen großes Augenmerk gewidmet: Sie müssen Scheiben und Beläge perfekt kühlen, dürfen aber den Luftwiderstand möglichst nicht erhöhen.
Motor:
Leistung: Monza gilt seit jeher als der ultimative Härtetest für Formel-1-Motoren. Die Triebwerke laufen für 77 Prozent der Runde mit voll geöffneten Drosselklappen - klar mehr als der Saisondurchschnitt von 61 Prozent. Überdies müssen die Achtzylinder über einen Geschwindigkeitsbereich von 275 km/h wirkungsvoll arbeiten - von den 65 km/h in der ersten Schikane bis zu den 340 km/h Topspeed auf der vorhergehenden Start- und Zielgeraden. Die längste Vollgaspassage dauert 15,5 Sekunden und erstreckt sich vom Ausgang der Parabolica bis zur Bremszone vor der ersten Schikane. Das Motorenmapping muss dem Piloten sowohl eine gute Leistungsentfaltung aus langsamen Geschwindigkeiten erlauben als auch ein problemloses, sanftes Ansprechverhalten bei der Ausfahrt aus schnellen Kurvenpassagen wie der Parabolica.
Zuverlässigkeit: Als wären die reinen Powerpassagen von Monza noch nicht Belastung genug für die V8-Triebwerke, halten auch noch die langsamen Schikanen eine ganz besondere Herausforderung in puncto Haltbarkeit bereit: Die Fahrer müssen die Randsteine sehr aggressiv in die Linie mit einbeziehen. Beim unvermeidlichen Abheben der Antriebsräder kommt es zu einem ungewöhnlich häufigen Eingreifen des Drehzahlbegrenzers. Zudem besteht das Risiko, dass Antriebswellen und Getriebe beim anschließenden Aufsetzen überansprucht werden. Und nicht zuletzt müssen die Techniker auch die Anbauaggregate genau im Auge behalten, die in Monza ebenfalls Schwerstarbeit leisten müssen.

