Showdown vor WM-Duell: Termine, Stress, Nerven bewahren
Wenn die Ampel am Sonntag auf Grün schaltet, dürften die Piloten froh sein: Dann wird alles andere ausgeblendet - Wir beleuchten den Stress des Finalwochenendes
(Motorsport-Total.com) - Wer träumt nicht davon, an diesem Wochenende einmal mit Lewis Hamilton oder Nico Rosberg zu tauschen? An einem prunkvollen Ort eines der schnellsten Autos der Welt zu fahren und gleichzeitig noch einen WM-Titel gewinnen zu können. Was sich nach Spaß und einer großen Sause anhört, entpuppt sich jedoch als harte Arbeit. Wir sprechen dabei nicht einmal von den Dingen, die nötig waren, um dahin zu kommen, sondern nur vom Formel-1-Finale in Abu Dhabi.
© xpbimages.com
Alle Mikrofone auf einen gerichtet: Nico Rosberg bei einer der Medienrunden Zoom
Vielleicht hatten die Rennfahrer früher ein wenig mehr Freiraum, um sich mit dem eigentlichen Thema, dem Rennfahren, zu beschäftigen. Heutzutage sind die Pläne der Piloten komplett durchgetaktet. Sich nur ins Auto setzen, ein paar Runden drehen, sich feiern lassen und anschließend nach Hause fahren und dort auf dem Sofa vor dem Fernseher einschlafen - so läuft die Sache nicht!
Hamilton und Rosberg haben am Wochenende ein wahres Mammutprogramm zu absolvieren, dabei würden sich beide sicherlich einfach gerne auf ihr Rennen konzentrieren. Doch Ingenieure, Sponsoren, Journalisten und Fans wollen alle ihren Teil abbekommen und verfolgen die beiden Piloten vor dem WM-Showdown auf Schritt und Tritt.
Briefing, PK, Fahren, Briefing
Schon am Donnerstag ging es bei beiden mächtig rund: Erste Briefings mit den Ingenieuren wurden abgehalten, dazu kamen diverse Pressetermine mit Vertretern vor Ort und der zusätzlichen halbstündigen Pressekonferenz zum WM-Duell. Am Abend gab es dann noch einmal Sponsorentermine - alles ohne auch nur einen Meter zu fahren.
Das wurde am Freitag dann endlich nachgeholt: Zwei 90-minütige Trainingssessions standen auf dem Programm, dazu kamen natürlich drei Briefings mit dem Team, diverse Pressetermine und dann auch noch eine Fahrerbesprechung von zwei Stunden Länge, in der es um die Pirelli-Regenreifen und das Halo-System ging. Zwar war es dann schon 22 Uhr, doch Sponsoren und VIPs warteten schon im Fahrerlager, um Gespräche und Bilder zu erhaschen.
So zieht sich das Programm durch das ganze Wochenende - und das im Grunde 21 Rennen im Jahr. Doch an diesem Wochenende ist alles etwas anders. Die bevorstehende Titelentscheidung setzt die Mercedes-Piloten psychisch noch mehr unter Druck. Zwar betont Nico Rosberg immer wieder, dass er das Rennen wie jedes andere im Jahr auch angeht, doch was in seinem Kopf vorgeht, weiß nur der Deutsche allein.
Mercedes kürzt Marketing-Events
Um den Fahrern die notwendige Ruhe einzuräumen, hat Mercedes seinen Piloten etwas mehr Freizeit am Samstag eingeräumt - natürlich nach Briefings, Medienterminen und Sponsoreninteressen versteht sich: "Wir haben am Abend noch eine Veranstaltung, da müssen sie aber nur kurz hin. Wir haben alles im Marketing aufs Mindeste heruntergefahren", betont Motorsportchef Toto Wolff.
"Und möglichst wenig Medien - tut mir leid", legt er nach. Trotzdem gab es am Abend die obligatorische Presserunde mit beiden Fahrern, bevor beide ein wenig Zeit für sich genießen konnten - zumindest was das in Formel-1-Kreisen heißt. Natürlich bereiten sich Hamilton und Rosberg intensiv auf das Rennen am Sonntag vor, dennoch versuchen sie auch den Kopf mit Familie und Freunden frei zu bekommen.
"Ein paar gute Freunde sind hier. Wir werden noch ausgehen und eine gute Zeit haben", sagt Hamilton zu seiner Abendplanung. Auch seine Mutter ist als Unterstützung vor Ort, die der Brite als "meine beste Freundin" bezeichnet. "Es ist toll, dass sie hier ist. Ich stand ihr immer ganz nahe. Sie ist das ganze Jahr über nicht da, von daher freue ich mich, dass sie hier ist", sagt der Brite und findet es dafür schade, dass Papa Anthony und seine Stiefmutter nicht vor Ort sein können.
Rosberg: Ablenkung mit Freunden und Frau
Auch Nico Rosberg hat sich den Abend frei genommen, um sich ein wenig von der Anspannung abzulenken. "Ich werde mich mit guten Freunden treffen, eine schöne Zeit haben und viel lachen", kündigt er an. Zudem ist auch Frau Vivian mit Tochter Alaia vor Ort - ein seltener Anblick. "Das war schon immer geplant. Es hat nichts mit der Situation zu tun. Es bietet sich hier einfach an. Es ist ein schönes Rennen und ich habe hier ein paar Freunde, die hier wohnen", so Rosberg. Vater Keke schaut sich das Rennen übrigens von zuhause aus an.
© xpbimages.com
Toto Wolff trommelte das Team am Donnerstag noch einmal zusammen Zoom
Wie die beiden WM-Anwärter ihre letzten Stunden vor dem Finale verbringen, ist Teamchef Toto Wolff egal: "Sie wissen, was sie tun müssen, um gut zu performen", will er sich nicht in die Abendgestaltung einmischen. Dem Österreicher ist nur wichtig, dass sein Team bestmöglich zusammenarbeitet, um keinen Fahrer zu benachteiligen und den größtmöglichen Erfolg zu Mercedes zu holen.
Das Team mag erfolgsverwöhnt sein, dennoch weiß Wolff immer wieder, wie er die Mechaniker und Ingenieure noch anspitzen kann. Am Donnerstag gab es eine Ansprache an das gesamte Team: "Ich habe ihnen gesagt, dass dies das letzte Rennen für diese Generation Autos ist. Und dass wir es besonders gut machen wollen, bevor diese Autos in Kisten ins Museum geben und quasi ihr operatives Leben aushauchen", schildert er und betont den tollen Job, den man gemacht hat.
Die Nacht als Hamiltons Vorteil?
Denn der F1 W07 war das mit Abstand erfolgreichste Auto seiner Zeit und ließ nur eine Pole-Position und zwei Rennsiege liegen. "Und darauf können sie stolz sein. In unserer schnelllebigen Welt denken wir immer nur an morgen und vergessen, die Leistung anzuerkennen", so Wolff, der die Zusammenkunft extra am Donnerstag gemacht hat, damit sich die Fahrer am Wochenende auf ihre Arbeit konzentrieren können.
Besonders bei Lewis Hamilton hat das bestens geklappt. Der Brite konnte seine Chancen auf den Titel bislang wahren und war im Qualifying unschlagbar. "Bislang war ich an diesem Wochenende vollkommen fokussiert darauf, in diese Position zu kommen. Ich habe fest daran geglaubt, dass ich es schaffen kann", sagt der Brite und will sich auch am Sonntag nicht von seinem Weg abbringen lassen.
Entscheidend dafür wird auch die kommende Nacht werden. Wer nervös ist und nicht zur Ruhe kommt, der könnte morgen den entscheidenden Nachteil haben. "Man muss gut schlafen können, weil man morgen topfit sein muss", sagt Aufsichtsratsvorsitz Niki Lauda. Und das könnte der Vorteil von Lewis Hamilton sein. Der Brite weiß drei Titel in der Hinterhand und dass er nichts zu verlieren hat. Nico Rosberg hingegen könnte seine vielleicht letzte Chance auf einen Titel in der Formel 1 verspielen und trotz neun Saisonsiegen ohne Krone bleiben.
Erst Sonntag um 17 Uhr ist "Ruhe"
Hamilton gibt sich auf jeden Fall entspannt. Anders war es 2014, wo er einen Vorsprung zu verteidigen hatte und erstmals seit sechs Jahren den Thron hätte besteigen können. "Ich habe damals nicht gut geschlafen, weil ich so hart gearbeitet habe. Auch damals musste ich viele Herausforderungen während der Saison meistern. Und ich musste an den Verlust des Titels 2007 denken", schildert er.
© LAT
Welcher Mercedes-Pilot lacht am Ende am besten? Zoom
Gleiches gilt im Übrigen auch für die Mechaniker beider Teams: Ein Fehler beim Reifenwechsel etwa und die Weltmeisterschaft kann futsch sein. "Man spürt die Anspannung. Jeder will es nochmal richtig gut machen", sagt Toto Wolff. "Man muss nur aufpassen, dass man nicht über seine eigenen Füße stolpert, wenn man es extra gut machen will."
Zumindest bleibt den Fahrern am Renntag nicht viel Zeit zum Nachdenken. Durch den späteren Rennstart um 17 Uhr Ortszeit dürfen die Piloten auch später aufstehen, danach geht es zu Autogrammstunden, Gruppenfotos und dem letzten Strategiemeeting. Und wenn die Startampel um gut 17:03 Uhr auf Grün schaltet, dann ist das Visier längst heruntergeklappt und alles andere ausgeblendet.