• 11.05.2006 18:57

Schumacher: "Ferrari wartet bis zum Saisonende"

Michael Schumacher im ausführlichen Interview über seine verzögerte Karriereentscheidung, die aktuelle Saison, das Rennen in Barcelona und mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, stimmt der Eindruck, dass du dich momentan noch mehr über Siege freust als sonst?"
Michael Schumacher: "In gewisser Hinsicht schon, denn wenn man ein Jahr lang abstinent lebt und so etwas erreicht, dann ist man dementsprechend glücklicher als wenn man eine Serie hinter sich hat. Ich bin glücklich. Man hat schon in Bahrain gesehen, dass wir ein gutes Auto haben, aber wir konnten das Potenzial in den nächsten zwei Rennen nicht zeigen. Jetzt haben wir die Fragezeichen über unsere Performance, die uns einige Leute anhängen wollten, wohl endgültig beseitigt. So gesehen ist es großartig, dass man für die Arbeit aller Ingenieure, Mechaniker und so weiter belohnt wird."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher wird sich noch nicht in den nächsten Monaten entscheiden

Frage: "Am Nürburgring hast du gewonnen, weil du so lange nicht an die Box kommen musstest. Wie wichtig ist eine solche Strategie?"
Schumacher: "Die Strategie kann einem Rennen gewinnen oder verlieren. Wenn diesbezüglich in Bahrain alles funktioniert hätte, hätten wir dort auch gewinnen können. So wurden wir nur Zweiter. Es ist sehr wichtig, dass die Boxenstopps perfekt ablaufen, dass das Auto gut ist und alles stimmt. In einem so umkämpften Umfeld muss einfach alles passen."#w1#

Schumacher von jüngsten Erfolgen nicht überrascht

Frage: "Die Experten haben vor der Saison gesagt, dass Ferrari möglicherweise zurückkommen könnte. Kommt der Erfolg für dich überraschend oder hast du damit gerechnet?"
Schumacher: "Das Comeback ist für mich nicht überraschend, nachdem wir im Winter unsere Ziele festgelegt haben. Ziele festlegen ist eines, sie zu erreichen aber etwas anderes. Nachdem wir festgestellt haben, dass wir an unsere Ziele herankommen und schon darüber hinausgewachsen sind, ist das nicht überraschend."

"Der Hauptfaktor ist letzten Endes, dass im Moment alles passt." Michael Schumacher

Frage: "Was sind in diesem Jahr die drei Hauptfaktoren für den Erfolg?"
Schumacher: "Der Hauptfaktor ist letzten Endes, dass im Moment alles passt. Ich möchte da nicht spezifisch drei Faktoren hervorheben."

Frage: "Welche Rolle spielen denn die Reifen?"
Schumacher: "Die zählen auch dazu, genau wie alles andere. Es ist wichtig, alle Elemente weiterzuentwickeln. Der Konkurrenzkampf ist im Moment so eng, dass man mit jedem noch so kleinen Detail vor die anderen Teams kommen kann. Bei den Reifen findet man am leichtesten Zeit, aber man muss sie erst einmal finden."

Frage: "Bist du happy darüber, dass du jetzt wieder einen Konkurrenten hast, gegen den du ankämpfen kannst?"
Schumacher: "Es ist eher umgekehrt: Ich bin happy, dass ich wieder konkurrenzfähig bin und mit der Spitze mithalten kann, was im letzten Jahr nicht der Fall war."

Frage: "Fernando Alonso sagt, dass es für ihn wichtig ist, gerade gegen den siebenfachen Weltmeister zu kämpfen. Bist du auch froh, dass der amtierende Weltmeister dein Gegner ist, oder ist dir egal, gegen wen du kämpfen musst?"
Schumacher: "Im Prinzip ist es schon so, dass man sich wohler fühlt, wenn man gegen richtig gute Leute kämpft, aber auf der anderen Seite hatte ich das ja all die Jahre - es waren halt immer wieder unterschiedliche Gegner. Im Moment ist es so, dass sich mit Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) und Fernando zwei Fahrer an die Spitze gearbeitet haben, die sehr großes Potenzial haben. Wenn man die dann im Griff haben kann, freut man sich dementsprechend."

Barcelona kein besonderes Rennen für Schumacher

Frage: "Was bedeutet dir dieses Duell gerade hier in Spanien, in Fernando Alonsos Heimat?"
Schumacher: "Für den Sieg gibt es - wie bei jedem anderen Grand Prix auch - zehn Punkte. Die letzten zwei Rennen haben wir gewonnen. Ich würde gerne einen dritten Streich nachlegen."

"Ich weiß nur, dass McLaren im Moment nicht schnell genug ist." Michael Schumacher

Frage: "Weißt du, was bei Kimi Räikkönen und McLaren-Mercedes momentan schief läuft? Tauscht man sich da aus? Ihr braucht ja im Kampf gegen Fernando Alonso jemanden, der da noch mitmischen kann..."
Schumacher: "Wir tauschen uns nicht aus und ich weiß nicht, woran es kränkelt. Ich weiß nur, dass sie im Moment nicht schnell genug sind, wobei sie am Nürburgring schon ein bisschen schneller waren als teilweise davor in diesem Jahr."

Frage: "Siehst du Honda noch im WM-Rennen?"
Schumacher: "Im Moment weniger. Sie haben derzeit kein Paket, das konkurrenzfähig genug ist."

Frage: "Du siehst Jenson Button also nicht mehr als WM-Rivalen?"
Schumacher: "Nicht zwingend, denn es sind noch zu viele Rennen zu fahren, aber ehrlich gesagt wird es für ihn schwierig. Sie müssten erst einmal die Lücke schließen, die im Moment vorhanden ist. Mich überrascht das, denn im Winter haben sie einen sehr guten Eindruck gemacht. Ich weiß nicht, was da los ist."

Frage: "Aber es wäre schon gut, wenn an der Spitze noch jemand mitmischen würde, oder?"
Schumacher: "Für mich ist es natürlich schon schöner, wenn sich noch jemand dazwischen schieben kann, wenn ich vorne liege - und wenn derjenige es nicht schafft, wenn ich nicht vorne liege! Man muss die Situation aber so nehmen, wie sie kommt."

Frage: "Könnte vielleicht auch dein Teamkollege Felipe Massa Fernando Alonso ein paar Punkte wegnehmen?"
Schumacher: "Er ist nicht da, um mir zu helfen, sondern er will sich selbst helfen und bestmögliche Resultate einfahren."

Punktesystem aus Sicht von Schumacher keine Ausrede

Frage: "Ich könnte mir vorstellen, dass dir das Punktesystem gewaltig stinken muss..."
Schumacher: "In Bahrain gefiel es mir noch, aber bei den letzten beiden Rennen nicht, das ist wohl wahr. Es ist wie es ist. Ob es anders besser wäre, macht keinen Unterschied. Wir müssen es so handhaben und besser damit zurechtkommen. Vielleicht kann es zu einem anderen Zeitpunkt ja wieder positiv für mich sein."

Michael Schumacher

Michael Schumacher könnte in Barcelona zum Hattrick an Siegen ausholen Zoom

Frage: "Du hast im Winter gesagt, dass es dir mit Siegen wieder mehr Spaß machen würde, aber inwiefern ist denn nun auch der Aufwand, den du betreiben musst, größer?"
Schumacher: "Der ist prinzipiell vergleichbar mit anderen Jahren, in denen es auch eng zuging. Da hat sich nicht viel verändert. Es sind jetzt nicht mehr PR-Termine. In der Hinsicht ist das vergleichbar."

Frage: "Bernie Ecclestone sagt, dass Fernando Alonso als Weltmeister, der die Formel 1 ja repräsentieren soll, zu wenig für den Sport tut. Wie siehst du das? Wie schätzt du ihn ein?"
Schumacher: "Wenn man sich das Interesse hier in Spanien anschaut, dann ergibt sich die Antwort von alleine..."

Frage: "Du bist aber zum Beispiel eine Weltmarke, die nicht nur in Deutschland berühmt ist."
Schumacher: "Wer mich jetzt mit Fernando vergleicht, der vergleicht Äpfel mit Birnen."

Frage: "Wie lange würde Ferrari maximal auf eine Entscheidung bezüglich deiner Zukunft warten?"
Schumacher: "Ferrari wartet bis zum Saisonende."

Frage: "Wird die Entscheidung zu deiner Zukunft wirklich erst am Ende der Saison fallen?"
Schumacher: "Ferrari hat mir die Möglichkeit gegeben, bis zum Ende des Jahres zu warten, und ich habe sie dankend angenommen."

Frage: "Was ist es denn, das dich dankbar werden lässt, dass du so lange warten darfst? Was soll denn bis zum Jahresende passieren?"
Schumacher: "Für so eine wichtige Entscheidung kann man gar nicht genug Zeit haben."

Entscheidung erst nach dem allerletzten Rennen?

Frage: "Kannst du konkretisieren, zu welchem Datum du deine Entscheidung dem Team mitteilen musst?"
Schumacher: "Am Ende des Jahres, das letzte Rennen..."

Frage: "Also nach dem letzten Rennen?"
Schumacher: "Ja."

Frage: "Wie muss man sich das vorstellen? Wirst du aus dem Auto aussteigen und dann bekannt geben, ob du weiterfährst oder aufhörst?"
Schumacher: "Vielleicht."

"Es ist eine wichtige Entscheidung für mich, die ich für mich alleine treffen möchte." Michael Schumacher

Frage: "Wenn du bis zum letzten Rennen warten kannst: Wäre ein achter Titel für deine Entscheidungsfindung ausschlaggebend?"
Schumacher: "Es ändert sich nichts - egal wie sehr man da bohrt oder macht oder tut. Es bringt auch nicht viel, wenn man versucht, die Hintergründe zu erörtern. Es ist eine wichtige Entscheidung für mich, die ich für mich alleine treffen möchte. Ich will da auch gar nicht mehr in die Tiefe gehen, denn das führt nur zu weiteren Spekulationen, die keinen Sinn machen."

Frage: "Kannst du die Qualitäten von Jean Todt und seine Bedeutung für das Team skizzieren?"
Schumacher: "Es gibt keine passendere Bezeichnung als die, wie er sich selbst nennt: den Feuerwehrmann. Bei so einem großen Team und bei so vielen verschiedenen Arten von Aufgaben gibt es immer wieder irgendwelche Baustellen und kleine Feuerchen, die man gleich eindämmen und löschen muss, damit sie nicht ausarten. Das hat er - natürlich unter sehr großem Aufwand, das muss man auch sagen - über all die Jahre perfekt verstanden. Er investiert dafür sehr viel Zeit, und sein Privatleben muss dafür sehr kurz treten."

Frage: "Wo liegt für dich der Unterschied zwischen einem Heimrennen wie am Nürburgring und einem Rennen wie hier in Barcelona?"
Schumacher: "Der Unterschied ist nicht groß, denn wenn man im Auto sitzt, sitzt man eben im Auto. Da sitzt niemand mit mir im Cockpit."

Massa am Nürburgring mit guter Leistung

Frage: "Glaubst du, dass Ferrari gegenüber Renault auf dieser Strecke im Nachteil sein könnte?"
Schumacher: "Wenn man sich das Rennen vom Nürburgring anschaut, dann konnte Felipe denselben Abstand halten, den er schon in der Startposition hatte. Ich denke, dass wir sehr ausgeglichen mit Renault sind."

Frage: "Hier in Barcelona ist es bei den Wintertests immer kühler als am Rennwochenende. Du sagst ja, dass Bridgestone momentan besser ist als Michelin. Was für einen Unterschied macht das?"
Schumacher: "Wir wissen ja in etwa, wie sich die Temperaturen verändern, denn der letzte Test ist noch nicht so lange her. Die Außentemperaturen waren zu dem Zeitpunkt bei 18 bis 20 Grad, wenn mich nicht alles täuscht, und jetzt haben wir 25 Grad. Das ist jetzt kein so großer Unterschied wie zum Winter, wo wir manchmal nur zehn Grad oder noch weniger haben. Darauf kann man sich schon einstellen."

"Ich habe wegen der Reifen keine Bedenken." Michael Schumacher

Frage: "Machst du dir Sorgen wegen der Reifen? Diese Strecke gilt als sehr reifenmordend..."
Schumacher: "Ich habe wegen der Reifen keine Bedenken. Ich sehe keinen Grund, warum wir irgendwelche Probleme bekommen sollten, denn wir haben hier getestet und wissen, was wir erwarten müssen."

Frage: "Glaubst du, dass sich Ferraris Stärke seit dem Nürburgring verbessert oder verschlechtert haben könnte?"
Schumacher: "Nein. In einer Woche kann man keine großen Schritte machen. Es geht nur darum, ob die Strecke eher dem einen oder dem anderen Auto liegt. Ich mache mir wegen unseres Autos keine Sorgen."

Schumacher lobt Massa für erstes Podium

Frage: "Was sagst du zu Felipe Massas erstem Podestplatz am Nürburgring?"
Schumacher: "Schön! Er hat ein tolles Rennen hingelegt, war ständig nahe an uns dran und machte einen guten Job. Der dritte Platz ist ein sehr gutes Resultat. Es war sein erstes Podium in einem schwierigen und umkämpften Rennen. Ich bin darüber nicht überrascht, aber er hat es jetzt wenigstens mal in der Tasche."

Michael Schumacher

Die Kurvengeschwindigkeiten empfindet auch Michael Schumacher als schneller Zoom

Frage: "Nick Heidfeld ist überrascht, dass die V8-Autos schon wieder so schnell sind. Bist du auch erstaunt darüber oder hast du damit gerechnet?"
Schumacher: "Ich bin auch erstaunt. Der Nürburgring war ein extremes Beispiel, denn dort waren wir im Verhältnis zum letzten Jahr wirklich schnell. Das liegt natürlich daran, dass je nach Strecke der Unterschied mit und ohne Reifenwechsel größer ist. Insofern variieren natürlich auch die Zeiten, aber generell sind wir schon verdammt schnell im Verhältnis zum letzten Jahr, wenn man sich die Speeds in den schnellen Kurven anschaut und wenn man bedenkt, welche Leistungseinbußen wir durch den neuen Motor hinnehmen mussten. Das ist schon überraschend."

Frage: "Hast du Bedenken in puncto Sicherheit?"
Schumacher: "Keine Bedenken."

Frage: "50 Prozent deiner Karriere hast du wahrscheinlich schon hinter dir, also müssen wir uns langsam mit deinem Nachfolger beschäftigen. Was hältst du von Nico Rosberg?"
Schumacher: "Ich finde, er macht einen sehr positiven Eindruck. Er hat hervorragende Rennen hingelegt - das letzte war auch wieder klasse von ihm, vom letzten Platz noch auf Platz sieben nach vorne zu fahren. Im Moment scheint er die Punkteränge nur dann zu erreichen, wenn er von hinten losfährt, aber ich hoffe, dass er auch mal ein Rennen schafft, in dem alles normal läuft und in dem er dann vielleicht noch besser abschneiden kann."

Frage: "Du hast Michael Ammermüller schon erwähnt, als ihn noch keiner kannte. Jetzt fährt er GP2. Bist du zufrieden mit seinem Werdegang?"
Schumacher: "Ich bin der Meinung, dass er ein sehr großes Talent ist - gar keine Frage -, und er wird seinen Weg machen, denke ich. Das ist natürlich sehr schwierig. Im Kart war er herausragend - das war spitze, was er da geleistet hat. Die Leiter wird halt nach oben hin immer steiler. Ob ihm die Luft dann irgendwann zu dünn wird, wird sich zeigen."

Schumacher wurde im Fall Ide ebenfalls befragt

Frage: "Yuji Ide wurde von der FIA die Superlizenz weggenommen. Wird bei solchen Entscheidungen auch die Fahrergewerkschaft konsultiert?"
Schumacher: "Ich wurde darauf angesprochen, was ich darüber denke - und habe meine Kommentare dazu abgegeben. Ob mit der Fahrervereinigung eine offizielle Kommunikation stattgefunden hat, müsste ich checken."

"Ich finde es interessant, dass es da auch noch andere Schumachers gibt..." Michael Schumacher

Frage: "Es gibt neuerdings im Radsport auch einen sehr erfolgreichen Schumacher, Stefan Schumacher. Hast du schon von ihm gehört?"
Schumacher: "Ich habe das in den News schon ein bisschen mitbekommen. Ich finde es interessant, dass es da auch noch andere Schumachers gibt, aber wenn man ins Telefonbuch schaut und nach Schumachers sucht, dann gibt es da halt auch ein paar..."

Frage: "Was erwartest du persönlich von der Fußball-WM und von der deutschen Nationalmannschaft?"
Schumacher: "Ich kann nicht mehr sagen als dass ich die Daumen drücke, dass es so gut wie möglich ausgeht. Da eine Vorhersage zu treffen, finde ich ziemlich schwierig und ist in meinen Augen auch unpassend, weil man da nur falsch liegen kann."

Frage: "Was erwartest du generell von der Veranstaltung?"
Schumacher: "Ich glaube, dass Deutschland sehr gut vorbereitet ist, denn es gehört ja zu den deutschen Tugenden, sich auf solche Sachen sehr gut vorzubereiten. Insofern erwarte ich auch ein positives Echo."