Schumacher: "Die Grundsituation hat sich nicht geändert"
Im Interview spricht Michael Schumacher über den verlorenen WM-Titel, die Probleme bei Ferrari und den ungebrochenen Spaß am Rennfahren
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, hast du Angst, dass euer Auto hier noch schlechter sein wird, weil ihr mit Hitze dieses Jahr nicht so gut zurechtkommt?"
Michael Schumacher: "Ich glaube, dass es ziemlich unwichtig ist, ob man noch ein Stück weiter nach hinten geht oder nicht. Der Blick geht mehr nach vorne als in irgendeine andere Richtung."

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Michael Schumacher heute bei seiner Ankunft im Fahrerlager am Hungaroring
Frage: "Budapest ist immer ein Hitzerennen. Könnte das für dich als fitter Fahrer ein Vorteil sein und wie hast du dich darauf vorbereitet?"
Schumacher: "Es kommt in erster Linie darauf an, inwiefern man sich am Limit bewegt. Da kommt es natürlich auch wieder darauf an, wie schnell man vom Auto her fahren kann, also ob man an die körperlichen Grenzen kommt oder nicht. Wenn das geschieht, dann hat natürlich derjenige, der vorbereitet ist, noch Reserven und kann sich vom Rest abheben. Die Hitze hier ist zwar ziemlich unangenehm, aber im Auto geht ja doch ein Fahrtwind. Von daher ist das nicht so schlimm. Die Vorbereitung ist die, die man über Jahre hinweg gelernt und verfeinert hat."#w1#
Viel trinken vor dem Rennen in Budapest entscheidend
Frage: "Muss man vor dem Rennen viel trinken?"
Schumacher: "Ich versuche schon, den Flüssigkeitshaushalt so hoch wie möglich zu halten. Auf der anderen Seite haben wir ja auch eine Trinkflasche im Rennen. Da kann man auch einen Schluck trinken."
Frage: "Fühlst du dich dieses Jahr von Fernando Alonso besiegt?"
Schumacher: "Das weiß ich nicht. Das kann man so oder so sehen. Wenn die Meisterschaft eine gewisse Enge gehabt hätte, hätte man das so sehen können, dass man bezwungen worden ist, aber dieses Jahr muss man ganz ehrlich gestehen, dass wir nie wirklich in der Lage dazu waren, jemanden herauszufordern. Nichtsdestotrotz schmälert das nicht die Leistung von Fernando, der ein gutes Jahr gefahren, einen Abflug produziert, ansonsten aber eine souveräne Leistung geboten hat. Er hat sicherlich auch vom Pech seines Konkurrenten gut profitiert."
Frage: "Findest du, dass Flavio Briatore das große Erfolgsgeheimnis von Renault ist?"
Schumacher: "Es ist ziemlich offensichtlich, was mit dem Team passiert ist, als verschiedene wichtige Personen Benetton nach 1995 verlassen haben, obwohl Flavio noch dort war. Insofern ist der Erfolg im Normalfall nicht von einer Person oder von einer Komponente im Auto abhängig, sondern es sind immer viele Räder, die ineinander greifen müssen - Flavio hin oder her, meine Wenigkeit hin oder her. Das ist immer dasselbe."
Frage: "Wie siehst du Glück und Pech in der Formel 1?"
Schumacher: "Man erarbeitet sich sein Glück."
Schumacher weiß nicht, wann es wieder bergauf gehen wird
Frage: "Wann werdet ihr das wieder hinkriegen?"
Schumacher: "Im Moment macht es wenig Sinn, darüber zu spekulieren."
Frage: "Wie würdest du die bisherige Saison aus deiner Sicht zusammenfassen?"
Schumacher: "Die Punkte sagen das recht gut aus, obwohl es einige Rennen gegeben hat, mit denen wir sehr happy waren, auch wenn wir sie nicht gewonnen haben. Und dann gab es andere Rennen, in denen wir weit weg von der Konkurrenz waren. Die zwei schlimmsten davon waren Silverstone und Malaysia."
Frage: "Wie schwer fällt es dir, immer wieder die gleichen Fragen beantworten zu müssen?"
Schumacher: "Es ist wie beim Richter, als würde man vor Gericht stehen (lacht)! Das gehört halt zum Job dazu. Es gibt sicher Interessanteres manchmal, wenn man über unterschiedliche Dinge reden kann, aber wenn man so lange Zeit über dasselbe reden muss, ist das nicht unbedingt das Prickelndste."
"Im Verlieren zeigt sich in meinen Augen die wahre Stärke"
Frage: "Du hast jetzt so viele Jahre gewonnen, aber plötzlich läuft es nicht mehr..."
Schumacher: "Ja, aber wir sind - und das spricht für das Team und für meine Persönlichkeit - nicht blind davor, dass andere auch gute Leistungen bringen können. Ich habe immer gesagt: Ein guter Gewinner sein ist eine Sache, aber im Verlieren zeigt sich in meinen Augen die wahre Stärke. Ich habe kein Problem damit. Es war klar, dass das einmal kommen würde, und es ist gekommen - vielleicht ein bisschen härter und länger, als wir uns das vorher vorgestellt hatten, aber das gehört dazu."
Frage: "Du hast einmal gesagt, dass du aufhörst, sobald dir die Jungen um die Ohren fahren. Stehst du dazu auch heute noch?"
Schumacher: "Das ist die typische Sache, wenn man die Dinge aus dem Rahmen bewegt. Der Satz war ganz klar: Wenn mir im Team - also im direkten Vergleich - jemand um die Ohren fährt, dann muss man das irgendwann akzeptieren. In der aktuellen Situation muss ich aber nicht das Gefühl haben, dass ich schon in diese Situation gekommen bin, denn vom Paket und von den Möglichkeiten her, die mir zur Verfügung stehen, kann ich einfach nicht angreifen. Das gehört dazu und ist auch eine große Herausforderung, das wieder hinzukriegen. Ich bin mir auch sicher, dass wir das wieder schaffen werden. Ob wir es konstant schaffen werden, ist im Moment nicht wirklich die wichtige Frage, aber ich gehe davon aus, dass wir es noch schaffen werden."
Frage: "Woran liegt es, dass Ferrari im Moment einfach nicht schneller ist?"
Schumacher: "Wahrscheinlich an den vier Eckpunkten... (lacht)."
Einzelne Rennsiege hat Schumacher noch nicht abgeschrieben
Frage: "Vor einem Jahr hast du deine Konkurrenten noch überrundet, jetzt wirst du selbst überrundet..."
Schumacher: "Das ist so eine Sache, denn ich bin hier vor zwei Jahren auch überrundet worden, obwohl wir Weltmeister geworden sind. Bedeutet das, die Formel 1 ist so schnelllebig? Ich erwarte jetzt nicht, dass wir hier schon den Turnaround schaffen werden, aber auf der anderen Seite kann auch hier etwas passieren, was wir nicht unbedingt erwarten, wenn man sich nur mal Imola in Erinnerung ruft. Das Schöne ist: Die Hoffnung stirbt zuletzt! Umgekehrt habe ich zu einem gewissen Zeitpunkt in diesem Jahr gesagt, dass es nur noch besser werden kann, insofern müssen wir abwarten, was jetzt passiert."
Frage: "Ihr habt am meisten getestet, aber es wurde nichts besser. Wie kommt das?"
Schumacher: "Ja, aber das gehört dazu. Es ist sicherlich nicht das Tollste, wenn man unbelohnt testet und hart arbeitet, denn dann wünscht man sich auch Erfolge, aber auf der anderen Seite muss man eben auch die Phase hinnehmen, in der es nicht so rund läuft."
Frage: "Solltest du nicht vielleicht einfach mal eine Pause machen?"
Schumacher: "Das wäre der falsche Zeitpunkt."
Frage: "Warum hast du den Titel gerade in Hockenheim aufgegeben?"
Schumacher: "Das kündigt sich ja nicht von heute auf morgen an, sondern sicher schon über eine gewisse Zeit. Speziell nach Magny-Cours und Silverstone war eigentlich schon klar, dass sich das jetzt erübrigt hat. Insofern ist das ein schleichender Prozess. Dass das irgendwann eintreten würde, ist glaube ich jedem von uns klar gewesen, insofern ist das nicht unbedingt etwas Besonderes. Es gibt sicherlich Momente, in denen man auch schon mal ein bisschen down ist, in denen man hofft, dass es anders wird."
Motivation bei Ferrari ist unverändert hoch
"Auf der anderen Seite bin ich überzeugt: An der Grundsituation von den Leuten, an der Motivation, an der Arbeitswilligkeit im Team hat sich nichts geändert. Es gibt keinen Grund zu zweifeln, ob wir das wieder hinbekommen. Wir wissen schon, wo unser Hauptproblem liegt. Daran wird sehr fleißig gearbeitet. Man kann eigentlich davon ausgehen, dass wir eine Lösung finden werden."
Frage: "Ist das Team noch immer so motiviert wie zu Erfolgszeiten?"
Schumacher: "Wegen dieser Situation ist es so, dass jeder, der in seiner Verantwortungsposition steht - und dazu zähle ich mich auch -, in der Hinsicht das Maximum gibt. Das tun wir die ganze Zeit. Es gibt immer wieder Momente, in denen das die Ingenieure und Teammitglieder auch den anderen Mitarbeitern vorleben. Das ist sicherlich sehr wichtig, dass die Schlüsselfiguren das tun."
Frage: "Du sagst immer, dass dir die Formel 1 noch genauso viel Spaß macht wie früher. Ist das wirklich so?"
Schumacher: "Der Spaß ist nach wie vor da. Natürlich nicht bei jedem Rennen, denn es hat zum Beispiel zwei Rennen gegeben, die etwas frustrierend verlaufen sind - Malaysia und England. Der Rest ist schon irgendwo auch sehr interessant gewesen, nur eben anders."
Frage: "Wie verkraftest du es, dass nach fünf WM-Titeln hintereinander plötzlich Misserfolg da ist?"
Schumacher: "Das ist nicht schwer, wenn man nach jedem der fünf gewonnenen Titel der Meinung war, dass der Moment irgendwann kommen muss. Jetzt ist er halt da."
Keine persönlichen Probleme mit Alonso
Frage: "Fernando Alonso feiert morgen Geburtstag. Willst du ihm gratulieren?"
Schumacher: "Warum sollte ich ihm nicht gratulieren? Da wäre ja alles, was ich davor gesagt habe, Humbug gewesen. Fakt ist, dass er einen Superjob macht. Warum soll er nicht auch dafür belohnt werden? Wir verstehen uns gut genug, um über solche Dinge ganz normal reden zu können."
Frage: "Hast du irgendwelche neuen Glücksbringer?"
Schumacher: "Nein. Es ist selbstverständlich, dass die Freunde, die Kinder und die Familie hinter einem stehen und die Daumen drücken. Da habe ich keine Neuigkeiten."
Frage: "Du hast heute Morgen gekocht. Wie ist es um deine Kochkünste bestellt?"
Schumacher: "Lass es mich mal so sagen: So gut, dass Frau und Kinder glücklich sind!"
Frage: "Am Montag hast du deinen zehnten Hochzeitstag mit Corinna. Wie werdet ihr feiern?"
Schumacher: "Privat."

