Sauber: "Hätte es auch sein lassen können"
Peter Sauber im Interview über sein neues Leben als Berater des BMW Sauber F1 Teams sowie über die bisherige Bilanz unter den neuen Eigentümern
(Motorsport-Total.com) - 36 Jahre lang hielt Peter Sauber seinen Rennstall erfolgreich auf Kurs. Ende 2005 übergab er das Kommando an BMW. Doch ganz hat sich der Rennsportpionier nicht aus der Szene verabschiedet. Zu sehr liegt ihm die Formel 1 am Herzen. Im Interview mit dem 'emagazine' der Credit Suisse beweist der Zürcher, weshalb sein Rat nach wie vor gefragt ist.

© xpb.cc
Peter Sauber hat nun ein ruhigeres Leben, ist aber noch in der Formel 1 tätig
Frage: "Herr Sauber, hat Ihre Lebensqualität zugenommen seit Ihrem Rücktritt als Teamchef?"
Peter Sauber: "Nun, mein Leben ist jetzt anders, doch bestimmt nicht schlechter."#w1#
Kürzere Arbeitstage als früher
Frage: "Inwiefern anders?"
Sauber: "Der Tag ist nach wie vor ausgefüllt, doch der Arbeitstag ist kürzer und die Effizienz geringer, da auch der Druck kleiner geworden ist."
Frage: "Irgendwelche Hobbies, die Sie wiederentdeckt haben?"
Sauber: "Kaum. Ich war etwas öfter mit dem Motorrad unterwegs. Und im Winter hatte ich etwas mehr Zeit zum Skifahren."
Frage: "Zumindest ein Bein haben Sie immer noch im Formel-1-Zirkus. Was genau machen Sie?"
Sauber: "Ich bin zuallererst Ansprechpartner des BMW Sauber F1 Teams, mit dem ich einen Beratervertrag habe. Daneben bin ich für die beiden Partner Credit Suisse und Petronas zuständig."
Frage: "Das heißt, man wird Sie auch in der neuen Saison regelmäßig im Paddock antreffen?"
Sauber: "Ja, an ungefähr zehn Rennen werde ich präsent sein."
Frage: "Die Katze lässt das Mausen nicht?"
Sauber: "Keineswegs. Ich denke, ich hätte es auch sein lassen können, wenn man mir seitens von BMW nicht dieses Beratermandat angeboten hätte. Ich kann mir ein Leben ohne die Formel 1 gut vorstellen. Untätig wäre ich aber wohl kaum geblieben, sondern hätte mich sehr wahrscheinlich nach einer neuen Herausforderung umgeschaut."
Frage: "Wie fest ist Ihr Rat denn noch gefragt beim BMW Sauber F1 Team?"
Sauber: "Das kommt etwas auf die Schwerpunkte an. Bei strategischen Fragen kann mein Rat immer noch wertvoll sein, schon nur wegen meiner langen Erfahrung. Aus dem Tagesgeschäft jedoch halte ich mich völlig heraus."
Frage: "Dafür bleibt Ihnen mehr Zeit, sich mit generellen Fragen der Formel 1 zu beschäftigen. Entwickelt sich die Serie in die richtige Richtung?"
Sauber: "Wenn Sie drei Personen dazu befragen würden, dann erhielten Sie drei grundverschiedene Antworten. Aber das ist in jedem Business wohl gleich. Es gibt unterschiedliche Meinungen. In der Formel 1 ist es vor allem FIA-Präsident Max Mosley, der im Moment die Richtung vorgibt, sekundiert von Bernie Ecclestone. Auch wenn ich nicht jeden ihrer Entscheide begrüße, so kann ich gut leben mit der generellen Stossrichtung."
Sauber begrüßt Einheitsreifen
Frage: "Also begrüßen Sie auch die Umstellung auf Einheitsreifen des Lieferanten Bridgestone, welche auf diese Saison hin in Kraft tritt?"
Sauber: "Ich denke, Einheitsreifen sind unter dem Strich positiv. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass die Reifen einen sehr großen Einfluss haben konnten auf die Performance des Autos. Das hat die Ergebnisse oft stark verzerrt, zumal die Reifen stark abhängig waren von den Witterungsverhältnissen - ob trocken oder nass, warm oder kalt. Womöglich war das für die Zuschauer im einen oder andern Fall interessant, doch den Teams hat es bestimmt das Leben erschwert."
Frage: "Die zweite große Neuerung betrifft die Entwicklung der Motoren, die auf dem Stand von Dezember 2006 eingefroren wurde. Was ist davon zu halten?"
Sauber: "Für die Hersteller ist das eine zweischneidige Maßnahme. Einerseits möchten sie sich über eine innovative Technologie von der Konkurrenz abheben, andererseits wollen sie Kosten sparen. Je nachdem, was man stärker gewichtet, ist man eher dafür oder dagegen. Aus der Sicht eines unabhängigen mittelgroßen Teams, das vor allem die Kosten im Blick hat, ist die Maßnahme jedoch eindeutig zu begrüßen."
Frage: "Alle sprechen immerzu über die Kosten, doch so richtig scheint am Ende doch niemand auf die Kostenbremse zu stehen. Täuscht dieser Eindruck?"
Sauber: "Ein sehr komplexes Thema. Die vorherrschende Meinung im Paddock lautet: Solange das Geld da ist, wird es ausgegeben. Ich denke, das bringt die Sache auf den Punkt. Es gibt Hersteller, bei denen spielt das Geld kaum eine Rolle. Diese Teams werden weiterhin die Mittel ausgeben, die ihnen zur Verfügung stehen."
Frage: "Egal, wie das Reglement ausschaut?"
Sauber: "Richtig, es wird immer eine Möglichkeit geben, irgendwo in einer Ecke zu entwickeln und weiterzuforschen. Grundsätzlich ist es positiv, wenn man versucht, das Reglement in die Richtung zu bringen, um Kosten zu sparen. In der Praxis hat das nie so richtig funktioniert. Zudem wurden nicht alle neuen Maßnahmen wegen der Kostenreduktion eingeführt. Da gibt es auch handfeste politische Absichten."
Ziehen sich die Hersteller irgendwann zurück?
Frage: "Sie hatten vor Jahren mal vorausgesagt, dass viele der großen Hersteller sich über kurz oder lang wieder aus der Formel 1 verabschieden würden. Nun sind immer noch sechs der größten Automobilhersteller mit von der Partie. Eine Fehlprognose?"
Sauber: "Auf lange Sicht halte ich an meiner Prognose fest. Im Moment sieht es zwar wirklich so aus, als ob eine gewisse Stabilität in der Formel 1 eingekehrt wäre. Allerdings dürfen Sie nicht vergessen, dass mit Peugeot und Ford vor nicht allzu langer Zeit zwei Hersteller die Szene verlassen haben. Ford war damals immerhin der zweitgrößte Autohersteller der Welt. Auch wenn mit Toyota die heutige Nummer zwei die entstandene Lücke gleich wieder schloss, so ist es nicht ausgeschlossen, dass es künftig neue Abgänge geben wird. Auch Zugänge sind nicht ausgeschlossen."
Frage: "Wer könnte das sein?"
Sauber: "Ich rechne am ehesten mit einem Hersteller aus dem asiatischen Raum, zum Beispiel aus Korea, auch wenn es da im Moment keine direkten Anzeichen gibt."
Frage: "Zumindest bei BMW stehen die Zeichen dagegen auf Ausbau. Hinwil gleicht im Moment einer Großbaustelle. Kann man schon jetzt sagen, dass der Standort Hinwil und damit der Wirtschaftsraum Zürich von der Übernahme profitiert hat?"
Sauber: "Ganz gewiss, und zwar in vielerlei Hinsicht. Zu Zeiten von Sauber beschäftigten wir maximal 300 Mitarbeitende, nun wird die Kapazität bis Ende Saison auf 430 Personen hochgefahren. Aber auch die Zulieferer haben deutlich mehr Arbeit bekommen. Nehmen Sie die Firma Paucoplast in Altendorf, die seit 1973 Karosserieteile für uns fertigt. Die haben Ihren Etat von 25 auf 50 Personen aufgestockt, gleichzeitig passen sie ihre Infrastruktur an. Ähnliches erleben wir auch mit andern Zulieferern aus der Region, vor allem im mechanischen Fertigungsbereich."
Frage: "Und das Team?"
Sauber: "Auch das hat profitiert. Ich war immer überzeugt, dass wir eine gute Truppe haben in Hinwil, und dass in erster Linie die Mittel fehlen, um noch bessere Resultate zu erzielen. BMW reagiert da vorbildlich, stellt einen Neubau hin, der die Grundfläche praktisch verdoppelt, investiert in die Infrastruktur, stellt neues Personal ein. Ich bin überzeugt, dass man vom Standort Hinwil noch gute Resultate hören wird."
Frage: "Die Tendenz stimmt offenbar, immerhin konnte man sich bereits im letzten Jahr von Platz acht auf Platz fünf verbessern. Alles eine Frage der größeren finanziellen Mittel?"
Sauber: "Man spricht immer von diesem achten Platz. Dabei wird leicht vergessen, dass wir vor fünf Jahren schon mal den vierten Rang belegt hatten. Dorthin muss man erst wieder kommen. Der Platz acht war einfach ein schlechtes Jahr, für mich ein Ausreißer auf die falsche Seite."
Sauber stolz auf sein früheres Team
Frage: "Wurmt es sie denn nicht, wenn Sie sehen, wie dank den größeren finanziellen Mitteln plötzlich Dinge möglich sind, die früher nicht möglich waren?"
Sauber: "Überhaupt nicht. Wir - oder ich, wenn Sie wollen - haben etwas geschafft in diesen 13 Jahren Formel 1, was kaum ein Privatteam geschafft hat. Die meisten sind gegangen in dieser Phase - ein paar davon bereits nach wenigen Jahren. Wir dagegen sind in diesen kritischen Jahren in der Formel 1 geblieben, haben das Unternehmen permanent ausgebaut und so die Basis dafür gelegt, was heute geschieht. Für mich ist dieser Schritt zu BMW nach wie vor ein tolles Erfolgserlebnis und überhaupt nichts Negatives. Es gab für mich zwei Voraussetzungen für so einen Verkauf: Erstens musste er das Team sportlich voranbringen und zweitens sollte der Standort Hinwil sichergestellt sein. Beides konnte BMW erfüllen. Darum ist das, was jetzt passiert, ganz normal."
Frage: "Hat sich die Identität dieser Firma schon verändert?"
Sauber: "Das ist schwer zu sagen. Die Geschäftsleitung hier in Hinwil ist die Alte, es herrscht in weiten Teilen auch der alte Geist. Es kam ein Statthalter von München dazu, der sehr darauf bedacht ist, die beiden Standorte sanft zu integrieren, soweit man das überhaupt integrieren muss. Denn es ist wichtig, dass so eine Außenstelle auch eine gewisse Selbständigkeit behält. Kontinuität herrscht auch beim Rennteam, wo die gleichen Leute eine eingeschworene Truppe bilden, die schon unter mir gearbeitet haben. Gleichzeitig bringt der massive Ausbau natürlich Veränderungen. Das wäre aber auch bei mir nicht anders gewesen, wenn ich die Firma plötzlich auf 430 Mitarbeiter hochgefahren hätte. Man hätte am einen oder andern Ort Strukturen angepasst, man hätte gewisse Regeln eingeführt, gewisse Abläufe standardisiert. Damit wäre der Betrieb auch unter Meinung Führung etwas unpersönlicher worden."
Frage: "Ein Zeichen von Kontinuität ist auch, dass weiterhin der Name Sauber im neuen Teamnamen weiterlebt. Sind Sie darüber auch etwas stolz?"
Sauber: "Dass Sauber im neuen Namen drinbleibt, war eine Entscheidung von BMW. Die genauen Gründe kenne ich nicht. Man darf eins nicht vergessen: Sauber ist in Deutschland ein guter Name, aus der Sportwagenära mit Mercedes und auch aus der Formel 1. Wir waren über viele Jahre bei Umfragen der Zeitschrift 'Motorsport aktuell' das beliebteste Team, vor Ferrari, vor Williams oder McLaren-Mercedes. Der Name Sauber hatte also einen guten Stellenwert, vermutlich wollte das BMW ins neue Team mitnehmen. Ich habe mich natürlich gefreut darüber, sehr gefreut sogar. Ich denke, dass es gegenüber den langjährigen Mitarbeitenden eine schöne Geste ist, auch gegenüber den Medien und den Fans in der Schweiz. Und natürlich bin ich persönlich stolz darauf, dass man das so weiterführen kann."

