Sauber: "Freue mich über den versöhnlichen Abschluss"
Im Interview lässt Peter Sauber seinen letzten Grand Prix und seine Karriere Revue passieren - Erinnerungen an Frentzen, Ferrari und mehr
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Herr Sauber, die Zigarre nach dem Rennen konnten Sie heute richtig genießen. Mit diesem Ergebnis hat vor dem Rennen keiner gerechnet..."
Peter Sauber: "Nein, sicher nicht. Damit durfte man nicht rechnen, denn das Auto ist im Moment nicht gut genug für den sechsten Platz."

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Mit einer Zigarre im Mund verabschiedete sich Peter Sauber heute aus dem Paddock
Frage: "In einem Satz: Was fühlen Sie jetzt, wo das letzte Rennen vorbei ist?"
Sauber: "Der Tag ist natürlich grundsätzlich schon wehmütig, aber die Spannung des heutigen Rennens hat das alles weggeputzt. Felipe (Massa; Anm. d. Red.) hat uns mehr als entschädigt mit dem sechsten Platz und drei Punkten, denn für das, was wir im Moment können, ist das eine fantastische Leistung. Das hat mich schon für vieles entschädigt. Eigentlich habe ich also einen optimalen Abschluss dieser Saison und schlussendlich auch dieser 13 Jahre."#w1#
Sauber hätte sich schon über einen Punkt gefreut
Frage: "Vor dem Rennen haben Sie nach den Startplätzen elf und 16 noch gesagt, dass es schön wäre, einen Punkt zu holen. Jetzt sind es drei geworden."
Sauber: "Ich glaube, wir wären mit einem Punkt zufrieden gewesen. Das wäre eine schöne Belohnung gewesen für das letzte Rennen, vor allem für die Mannschaft. Damit, dass sich das Rennen so entwickelt hat, haben wir nicht gerechnet. Wir sind Risiken eingegangen bei der zweiten Pace-Car-Phase. Wir haben Felipe nicht betankt. Das war ein großes Risiko. Wir sind dann auch bis in die Benzinreserve reingefahren, was wir sonst nie machen, sodass wir eine Runde länger draußen bleiben konnten, denn wir haben pro Runde über zwei Sekunden gutgemacht auf die Verfolger. Und so hat es schlussendlich gereicht, vor dem von Barrichello angeführten Pulk rauszukommen."
Frage: "Wie sehr haben Sie da gezittert?"
Sauber: "Ach ja, das braucht dann schon Nerven..."
Frage: "Vor dem Start war mit Michael Schumacher und Christijan Albers ja auch schon einiges los. Wie haben Sie den Vorfall gesehen?"
Sauber: "Ich habe ihn überhaupt nicht gesehen, möchte ihn darum auch nicht kommentieren, denn ich habe Verschiedenes dazu gehört."
Frage: "Vielleicht kommentieren Sie aber das Jahr von Michael Schumacher und Ferrari, schließlich war Ferrari Ihr Motorenpartner."
Sauber: "Es war auch nicht unser Jahr. Ich freue mich wahnsinnig über diesen sehr versöhnlichen Abschluss, der uns für vieles entschädigt, aber Ferrari hat natürlich ein sehr schwaches Jahr hinter sich. Es ist auch sehr schwer zu sagen, woher das kommt. Sicher liegt ein großer Teil bei den Reifen. Was den heutigen Abschluss angeht: Mir tun die Leute Leid, allen voran Michael Schumacher und Jean Todt."
Am Dienstag geht in Hinwil die Arbeit schon wieder los
Frage: "Für Sie geht es mit dem neuen Partner BMW mit viel Integrationsarbeit weiter. Was steht an?"
Sauber: "Es gibt jetzt eine sehr intensive Zeit, die am Dienstagmorgen losgeht und bis Ende des Jahres dauert. Die Integration eines mittelständischen Betriebes in einen Weltkonzern ist nicht so einfach, aber wir sind auf einem guten Weg."
Frage: "Mit 19 Rennen war es ein besonders hartes Jahr. Für Sie geht es direkt weiter, aber bleibt wenigstens für die Mechaniker ein bisschen Ruhe?"
Sauber: "Das ist richtig. Ich hoffe schon, dass ich im November noch eine Woche Ferien machen kann. Das ist zumindest so vorgesehen - und ich habe ohnehin die geplanten zwei Wochen schon auf eine reduziert. Ich gehe davon aus, dass es bei den meisten Mechanikern richtige Ferien gibt, denn das ist jetzt die Zeit, in der sie Ferien nehmen können. Das Testen geht ja dann in der letzten Novemberwoche schon wieder los."
Frage: "Sie bleiben dem Team auch künftig erhalten, vor allem als Betreuer der 'Credit Suisse'."
Sauber: "Zuerst einmal ist es ganz wichtig, dass die 'Credit Suisse' mit dem neuen Partner BMW einen Dreijahresvertrag abgeschlossen hat. Für mich persönlich ist das ganz toll. Die 'Credit Suisse' wird dann alles in allem sicher acht Jahre beim Team sein. Irgendwo ist das Team ja immer noch das alte, auch wenn die Besitzer wechseln. Das ist ganz toll, dass man diese Partnerschaft jetzt auch mit dem großen Partner BMW weiterführen kann. Ich habe einen Beratervertrag mit BMW - und im Rahmen dieses Vertrages werde ich die 'Credit Suisse' da, wo man es wünscht, unterstützen können, und das mache ich natürlich sehr gerne. Ich werde das vermehrt machen können, denn ich habe jetzt als Berater auch mehr Zeit."
Für die Familie wird künftig mehr Zeit bleiben
Frage: "Was werden Sie mit Ihrer Freizeit künftig anstellen?"
Sauber: "Ich musste auf so vieles verzichten, meine Familie auch - und ein bisschen davon möchte ich nachholen. Das ist mir schon sehr ernst."
Frage: "In Ihrer Hospitality war ja das Bircher-Müsli immer besonders beliebt. Wird es das auch weiterhin geben?"
Sauber: "Da bin ich mal gespannt, denn es sieht so aus, dass die Truppe, die das Catering bei uns viele Jahre gemacht hat, es bei BMW nicht mehr machen wird."
Frage: "Sie hatten in all den Jahren viele Partner und auch viele Fahrer. Welche waren Ihnen denn am liebsten?"
Sauber: "Wenn man mich auf die Partner anspricht, ist das einfach, aber bei den Fahrern wird das ein bisschen schwieriger. Wir hatten sehr, sehr lange Partner - einer davon war Red Bull über zehn Jahre. Das sind lange Zeiten in der Formel 1. Mit 'Petronas' sind wir im elften Jahr, mit der 'Credit Suisse' im fünften. Wir konnten immer auf lange und sehr gute Partner zählen, was natürlich auch für das Team spricht."
"Mit den Motoren war es ähnlich: Wir sind damals mit Mercedes so halb in die Formel 1 eingestiegen, hatten dann zwei Jahre lang Ford-Motoren und dann neun Jahre lang Ferrari-Motoren. Die Zusammenarbeit mit Ferrari und vor allem Jean Todt war exzellent. Es waren ganz tolle Jahre - nicht nur, was Leistung und Zuverlässigkeit der Motoren angeht, sondern auch hinsichtlich der Freundschaft zum Hause Ferrari und eben zu Jean Todt."
Frentzen war der erfolgreichste aller Sauber-Piloten
Frage: "Wer ist oder war Ihr Lieblingsfahrer?"
Sauber: "Es gibt eigentlich keinen Lieblingsfahrer, aber es gibt einen Fahrer, der am längsten bei uns war, am meisten Punkte und auch zwei Podestplätze geholt hat: Heinz-Harald Frentzen. Er ist auch sicher ein sehr lieber Fahrer."
Frage: "Leider gab es keinen Sieg und keine Pole Position. Wie sehr schmerzt das?"
Sauber: "Das schmerzt nicht. Wenn ich zurückschaue, dann schaue ich ja nicht nur auf 13 Jahre Formel 1 zurück, sondern auf 36 Jahre Motorsport. Da gab es schon sehr gute Jahre. Wenn ich die Möglichkeiten betrachte, die wir in 13 Jahren Formel 1 hatten, dann waren die natürlich gemessen an den Möglichkeiten der großen Teams schon sehr beschränkt."
Frage: "Ganz schnell gefragt: Tiefpunkt, Höhepunkt?"
Sauber: "Ja gut, Höhepunkte gab es natürlich einige. Der vierte Platz in der Konstrukteurs-WM (2001; Anm. d. Red.) war für uns ein Highlight. Mehr ging einfach nicht mit unseren Möglichkeiten. Es waren sechs Podiumsplätze, davon zwei durch Heinz-Harald Frentzen. Er hat unser erstes Podium in Monza und unser letztes in Indy geholt, und das letzte war besonders wichtig."
Die liebe Not mit dem Geld war immer präsent...
Frage: "Was hat Ihnen am meisten Kopfzerbrechen bereitet?"
Sauber: "Am meisten Kopfzerbrechen hat mir bereitet, wie wir ohne zusätzliche Mittel schneller werden können. Wir haben bei den Sportwagen vieles gewonnen. In der Formel 1 sind wir natürlich angetreten, um zu gewinnen. Wir sind dann in eine Phase gekommen, in der die ganzen Werke eingestiegen sind, und da ging es mit unseren Mitteln einfach nicht mehr. Da musste man sich überlegen: Wie bekomme ich zusätzliche Mittel - oder wie werde ich effizienter? Das war ein permanenter Kampf, der mir sehr viel Kopfzerbrechen bereitet hat."
Frage: "Dass BMW Ihr Team gekauft hat, ist ja kein Zufall, sondern es übernehmen immer mehr Automobilhersteller Privatteams, während die Privatteams immer mehr aussterben. Ist das eine richtige oder eine falsche Tendenz?"
Sauber: "Ja gut, das ist halt die Entwicklung. Ich glaube, wir erleben in der Industrie und in der Politik ähnliche Dinge. Da gibt es Strömungen, die einmal angenehmer sind und einmal unangenehmer. Ob es richtig ist, das sieht man erst im Nachhinein."
Frage: "Angenommen, Sie hätten jetzt noch einmal Gelegenheit, die Weichen in der Formel 1 zu stellen und etwas zu verändern: Was wäre das?"
Sauber: "Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich mich in diesem Moment verabschiede. Es ist der absolut optimale Moment. Die müssen das jetzt ohne mich machen! Diese endlosen Sitzungen ohne Ausgang sind das Einzige, was ich nicht vermissen werde, aber ich beklage mich nicht darüber, denn die gehören auch dazu."
Frage: "Noch eine letzte Frage: Was wird Ihnen morgen Früh am meisten fehlen?"
Sauber: "Das ist ein wunder Punkt: das Team und die Menschen."

