• 30.01.2014 16:46

  • von Dieter Rencken aufgezeichnet

Sauber-Chefdesigner: "Keine großen Überraschungen"

Sauber-Chefdesigner Eric Gandelin über die Herausforderungen beim Bau des C33, die Lösungen der anderen Teams und die Erwartungen für den Bahrain-Test

(Motorsport-Total.com) - Der neue Sauber-Ferrari C33 hat mittlerweile fünfmal so weit fahren können wie die Weltmeistermannschaft mit dem RB10. Während Red Bull von einem Problem ins nächste rollt, läuft es beim Schweizer Team recht solide. Aussagen über die Rennqualitäten des Entwurfes von Chefdesigner Eric Gandelin lassen sich noch nicht treffen, aber der Ingenieur ist aufgrund der soliden Laufleistung in Jerez zufrieden. Welche Erkenntnisse man bisher gewinnen konnte, erklärt Gandelin im Interview.

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Adrian Sutil ging am Donnerstag mit dem C33 schon mal etwas ans Limit Zoom

Frage: "Was war in der Designphase des C33 auf Grundlage der neuen Regeln am schwierigsten?"
Gandelin: "Am schwierigsten war die Integration des neuen Antriebs. Vor allem für ein Kundenteam ist so etwas nicht einfach. Die benötigten Informationen kommen nach und nach, es wird dadurch immer später - auch wenn unsere Beziehung zu Ferrari richtig gut ist. Es ist aber nicht das gleiche wie bei einem Hersteller."

"Die Motoren sind ganz anders, die Erfordernisse in Sachen Kühlung sind es ebenso. Es gibt viele Elektronikbausteine. Das Packaging all der neuen Komponenten war schwierig. Auch das Gewicht. Die neuen Antriebe sind inklusive der anderen Aggregate ziemlich schwer, die neuen Crashstrukturen ebenso. Und letztlich wurden die Räder auch noch schwerer. Das alles wurde nicht durch das erhöhte Mindestgewicht ausgeglichen. Gewichtsersparnis ist aufwendig und teuer. Jedes Teil zu optimieren kostet Zeit und bindet Personal. Besondere Materialien sind teuer. Das ist wirklich ein Problem."

"Das Thema weitere Erhöhung des Mindestgewichts ist mehrfach diskutiert worden, aber es gab einige Teams, die sich dagegen ausgesprochen haben. Für uns ist das schwierig. Außerdem benachteiligt es schwerere Piloten."

Nasen in unterschiedlichster Form

Frage: "Wie kommt es zu den seltsamen Nasen-Designs?"
Gandelin: "Das Design der Nase wird durch zwei Dinge bestimmt. Einerseits gibt es im FIA-Reglement die veränderte Maximalhöhe der Nasenspitze. So soll es mehr Sicherheit bei Unfällen geben. Die Nasen sind in den vergangenen Jahren immer höher geworden. Die Gefahren bei einem seitlichen Aufprall auf ein anderes Auto gleichzeitig auch. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist da das Thema Performance."

"Das Herabsenken der Nase bedeutet einen erheblichen Performance-Verlust. Man möchte dann natürlich die Auswirkungen der neuen Regeln auf die Aerodynamik des Autos so gering wie möglich halten. Das führt letztlich zu dem Design, das wir an unserem Auto haben und das auch andere Teams in ähnlicher Form verwenden."

Frage: "Sind sie überrascht, dass die Autos so unterschiedlich aussehen?"
Gandelin: "Wir hatten schon erwartet, dass es erheblich unterschiedliche Lösungen geben wird. Es gab viele Diskussionen in den Meetings der FIA. Wir haben bisher keine große Überraschung gesehen. Einige wählen extremere Wege als andere. Wir sehen sozusagen zwei Lösungsansätze. Jene von Ferrari, Mercedes und vielleicht auch Red Bull und auf der anderen Seite unser Design und das anderer Teams."

"Wir haben uns die verschiedenen Lösungsansätze angeschaut und sind am Ende mit unserer Lösung hierher gekommen. Das hat Gründe. Wir sind der Ansicht, dass unsere Lösung bezüglich der Performance der bessere Ansatz ist. Aber wir müssen es alles mal abwarten."

Frage: "Hat die FIA in Sachen Sicherheit das Ziel erreicht?"
Gandelin: "Unser Design bietet die nötige Sicherheit - gar keine Frage. Unsere Lösung erfüllt alle Vorgaben des Reglements. Die Maßgaben in Bezug auf die Sicherheit werden alle eingehalten."

Keine Überraschungen an anderen Autos

Frage: "Haben sie etwas an anderen Autos gesehen, wo eine Klarstellung durch FIA erforderlich sein könnte?"
Gandelin: "Wir haben einige Dinge gesehen, die interessant erscheinen, weil sie neu sind. Aber da ist aus unserer Sicht nichts dabei, was womöglich nicht dem Regelwerk entspricht. Sonst wäre es an der FIA, diesbezüglich etwas zu unternehmen."

Frage: "Also ist der neue Lotus legal?"
Gandelin: "Ja, ich denke schon. Die haben zwei Nasenspitzen, die unterschiedlich lang sind. Diese Lösung sollte die Vorgaben bezüglich Sicherheit und Maximalhöhe schon erfüllen können. Ich schätze schon, dass sie alle Crashtests bestanden haben."

Lotus-Renault E22

Die Nase des Lotus E22 wird heiß diskutiert: Legal oder illegal? Zoom

Frage: "Haben sie auch eine solche Lösung ins Auge gefasst?
Gandelin: "Nein, nicht exakt solch einen Ansatz, aber viele andere."

Frage: "Wo sehen sie bei den neuen Autos das größte Potenzial für weitere Entwicklungen?"
Gandelin: "Im Bereich Aerodynamik. Es ist schwierig, da nun einen konkreten Teilbereich zu nennen. Am Heck hat man aber beispielsweise durch das Verbot des unteren Flügels und durch die veränderte Anströmung des Diffusors einige Arbeit vor sich. Das muss wieder optimiert werden. Auch an der Front ist das so."

Neue Teile kommen nach Bahrain

Frage: "Wie geht die Arbeit voran?"
Gandelin: "Unserem Team geht es hier in Jerez darum, möglichst viel mit dem Auto zu fahren. Wir achten überhaupt nicht auf die Performance. Es fehlen auch noch einige aerodynamische Entwicklungen am Auto. Wir sind hier, um mit den neuen Antrieben und all den anderen Systemen möglichst viel Erfahrung zu sammeln. Wir achten darauf, dass wir bezüglich der Kühlung und der Temperaturen alles im Griff haben."

"Wir haben viele Daten bekommen, die es nun auszuwerten gilt. Bislang läuft alles ziemlich normal. Natürlich ist es nicht schön, wenn man nicht viel fahren kann. Es ist auch frustrierend, wenn man all die Systeme mehrfach checken muss, bevor man herausfahren kann. Aber das kostet eben Zeit."

Frage: "Werden diese Probleme in Bahrain behoben sein?"
Gandelin: "Das ist unsere Hoffnung. In Bahrain werden wir unser gesamtes Aerodynamikpaket dabei haben, vielleicht von ein oder zwei Komponenten abgesehen. Es wäre somit natürlich schön, wenn man all die mechanischen Probleme aussortiert hätte, wenn man in Bahrain ankommt. Dann könnten wir dort mit der Arbeit an der Performance beginnen."

Frage: "Wird das neue Aerodynamikpaket ein großer Schritt sein?"
Gandelin: "Ja. Wir bekommen einen neuen Frontflügel, einen neuen Heckflügel und viele andere Teile, wie zum Beispiel gewisse Leitbleche. Das alles wollen wir in Bahrain testen und optimieren. Zum ersten Rennen in Melbourne könnte es dann weitere kleine Neuerungen geben. Unser Bahrain-Paket soll jedoch der große Schritt sein."

Frage: "Am ersten Tag konnten viele Teams nur einzelne Runden fahren, fast nur die Mercedes-Teams waren länger unterwegs. Hatten sie so etwas erwartet?"
Gandelin: "Wir hatten Mercedes schon stark erwartet. Wir hatten gleichzeitig nicht damit gerechnet, dass Renault solche Probleme haben könnte - zumindest sieht es derzeit nach Problemen aus. Ich weiß aber nichts Genaues, habe meine Informationen diesbezüglich auch nur aus der Presse. Aber es ist schon überraschend. Dass Mercedes sofort stark sein würde, hatten wir hingegen erwartet."

Frage: "Sind sie mit dem Stand von Ferrari zufrieden?"
Gandelin: "Ja. Es läuft alles gut. Auf Grundlage unserer Voraussetzungen müssen wir zufrieden sein. Wir haben aus bestimmten Gründen relativ spät mit dem Design begonnen. Es war schwierig, alles bis zu diesem Test parat zu haben. Das ist nicht allen Teams gelungen. Das war schon eine tolle Leistung unseres Teams."


Fotos: Präsentation des Sauber C33


Frage: "Welche Erfahrungen aus dem Vorjahr konnte man bezüglich Kühlung noch nutzen?"
Gandelin: "Wenig, denn durch die neuen Vorgaben mit den seitlichen Crashstrukturen hat sich vieles verändert. Auch wenn man bezüglich der Installation dieser Strukturen einige Freiheiten hat, so bleiben die Bauteile doch immer gleich. Es ist alles so dermaßen anders, sodass man kaum noch etwas aus dem Vorjahr übertragen konnte."

"Auch der Tank ist nun erheblich kleiner. Insgesamt ist das Chassis kürzer geworden. Das wiederum lässt dir weniger Möglichkeiten zur Installation von Kühlern und so weiter. Wegen der Crashstrukturen sind die Seitenkästen zwar breit, aber die Aerodynamiker wollen es natürlich trotzdem alles so schlank wie möglich halten."

Wechsel auf Mercedes kaum möglich

Frage: "Auf welche Lösung am Sauber sind sie besonders stolz? Was ist das Besondere an diesem Auto?"
Gandelin: "Da möchte ich jetzt nichts preisgeben. Das gesamte Auto ist besonders."

Frage: "Sie müssen eine Getriebeübersetzung haben, die sowohl in Monza als auch in Monaco passt. Wie geht man damit um?"
Gandelin: "Ein Wechsel pro Jahr ist erlaubt. Wir haben unsere Übersetzungen auf Grundlage unserer Simulationen und der Informationen des Motorenherstellers festgelegt. Große Sorge haben wir diesbezüglich nicht."

Esteban Gutierrez

Esteban Gutierrez landete mit dem neuen Sauber-Ferrari C33 im Kiesbett Zoom

Frage: "Die FIA hat die Befestigungspunkte der Motoren und alle möglichen Maße vorgegeben. Bedeutet dies, dass sie nun auf die Schnelle einen Renault-Motor einbauen könnten?"
Gandelin: "Naja, es gibt da schon noch jeweils ein paar Besonderheiten. Ein Beispiel ist die Benzinpumpe, ein weiteres der Öltank. Auch die Lufteinlässe sind unterschiedlich und bedingen gewisse Anpassungen am Monocoque. Ich glaube nicht, dass man jetzt einfach mal einen Mercedes-Motor einbauen könnte. Die reine Befestigung des Motors ist die eine Sache, die Anpassung der Anbauteile eine ganz andere."

Frage: "Auch Pirelli lernt im Moment die neuen Autos erst kennen. Womöglich wird es Anpassungen geben, wenn man Drehmoment und Abtriebswerte erst einmal genau kennt. Wie schwierig macht so etwas die weitere Entwicklung des Autos?
Gandelin: "Wir müssen mal schauen, ob solche Änderungen im Verlauf der Saison womöglich dann Auswirkungen auf das Layout der Aufhängungen haben werden."