Sam Michael: Reglement-untaugliche Temperaturmessung
Der Technische Direktor des Williams-Teams erklärt die Problematik, mit der es die Formel 1 bei der Messung der Benzin- und Luft-Temperatur zu tun bekommt
(Motorsport-Total.com) - Bei der Berufung des McLaren-Mercedes-Teams in der "Benzin-Temperatur-Affäre" war das Williams-Team als betroffene Partei mit einbezogen. Sam Michael, Technischer Direktor des Teams, legte vor dem Berufungsgericht des Automobilweltverbandes den Standpunkt des Teams dar.

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Sam Michael weist auf die Probleme hin, die die Formel 1 derzeit hat
Der Australier war sich nach Darlegung der Fakten, auch jener von Ferrari und des BMW Sauber F1 Teams, recht sicher, dass die Entscheidung der Rennleitung von São Paulo durch die vier Richter nicht gekippt werden wird: "Das wird natürlich nicht durch das Statement des internationalen Berufungsgerichts ausgedrückt, denn sie hatten es nicht erlaubt, Berufung einzulegen", so Michael gegenüber 'ITV-F1.com'. "Aber in Realität ist dies passiert."#w1#
Laut Michael ist die Messung der Lufttemperatur durch die 'Formula One Management' (FOM) "in keiner Weise offiziell", dies sei im Verlauf der Anhörung auch klar geworden. Die 'FOM' verfüge über einen Temperatur-Sensor, vor zwei Jahren sei jedoch offensichtlich geworden, dass dieser nicht akkurat genau ist, um ihn für Reglement-Zwecke zu verwenden.
Man habe sich aus diesem Grund darauf verständigt, diese nur als Richtlinie zu verwenden: "Und wenn es in Bezug auf die Genauigkeit irgendwelche Fragezeichen gibt, dann würde man den Wert anhand der 'Meteo France' Daten überprüfen. Darauf habe man sich bei einem Treffen der Sportlichen Arbeitsgruppe der Formel 1 am 7. Dezember 2006 geeinigt: "Da waren alle Teams vor Ort und stimmten dem zu, denn es gab keine Kommentare dagegen, 'Meteo France' sollte also verwendet werden, um die Temperaturen zu überprüfen."
Der Automobilweltverband FIA bestätigte dies bei der Anhörung vor dem Berufungsgericht, somit galt die niedrigere Temperatur-Angabe von 'Meteo France', weswegen weder das Benzin in den Autos des BMW Sauber F1 Teams noch in jenen des Williams-Teams zu kühl war. "Ich denke, dass es diesbezüglich etwas Verwirrung gab", so Michael weiter. "Einige Leute denken, dass 'Meteo France' nur Vorhersagen macht, das ist jedoch nicht der Fall. Sie haben an der Strecke eine richtige Wetter-Station, die sie verwenden, um die Temperatur zu messen."
Sam Michael schließt sich der Meinung seiner Kollegen an, wonach der entsprechende Reglement-Passus verändert werden muss: "Der richtige Ort hierfür ist die Technische Arbeitsgruppe, in die alle Teams involviert sind." Derzeit habe man diesbezüglich zwei Probleme: "Es gibt keine offizielle Messung an Bord der Autos und auch keine offizielle versiegelte und abgenommene Messung außerhalb der Autos."
Zudem verwenden die Teams unterschiedliche Temperatur-Sensoren im Tank-Schlauch: "Das hängt davon ab, wo man diese bestellt. Fakt ist, dass einige von ihnen in seit sieben Jahren nicht mehr kalibriert haben. Sie sind in keiner Weise versiegelt, sie sind nicht gegen Manipulation gefeit."
"Die Kalibrierungs-Unterlagen für unsere Anlage existieren nicht einmal", gesteht Michael ein. "Wir konnten sie nicht einmal finden. Wir klapperten den ganzen Weg bis hin zum Hersteller 'Intertechnique' ab, und sie sagten zunächst einmal, dass der Sensor, den wir verwenden, veraltet ist und nicht mehr produziert wird und sie nicht einmal die Kalibrierungs-Unterlagen dafür finden konnten."
Großartig aufregen hilft nichts, wie Michael meint, schließlich werde es immer entsprechende Lücken im Reglement geben, auch in den kommenden zehn Jahren werde es hin und wieder entsprechende Fälle geben: "Es gibt Dinge, die nicht klar sind." Wo es keine Unklarheiten gibt, müsse es schließlich auch keine Richter geben. So habe man beim Treffen der Technischen Arbeitsgruppe "üblicherweise eine Liste von 15 Dingen, die wir im Reglement verbessern müssen".
Im britischen Rennstall sei es bei der Berufungsverhandlung in erster Linie darum gegangen, der Öffentlichkeit zu zeigen, "dass wir nicht mehr Leistung oder einen schnelleren Durchfluss des Benzins hatten": "Wir hatten keinerlei Vorteil, denn unsere Minimal-Temperatur betrug 31 Grad. Das war wichtig. Wir verstießen weder gegen das Reglement noch gegen den Geist des Reglements." Interessant ist übrigens, dass alle Teams bei der Anhörung ihre Temperatur des Benzins offen legten - bis auf McLaren-Mercedes.
Aus diesem Grund war es für den Australier sogar von Vorteil, dass McLaren-Mercedes das Thema nicht hinter den Kulissen klärte sondern vor dem Berufungsgericht. Dadurch wurden die Fakten auf den Tisch gelegt, und Williams konnte darlegen, dass man alles andere als einen Verstoß gegen das Reglement zu verantworten hat.

