• 20.11.2012 12:13

Rosberg: "Letztendlich zählt nur der Titel"

Der Mercedes-Pilot zieht eine gemischte Saisonbilanz, zeigt sich aber erfreute über den ersten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere: "Ständige Fragen haben genervt"

(Motorsport-Total.com/SID) - Er gewann das dritte Rennen 2012 in Schanghai, holte dann über mehrere WM-Läufe hinweg die meisten Punkte, dennoch war sein Jahr enttäuschend. Aber Nico Rosberg setzte sich auch drei Mal in drei Jahren im teaminternen Duell gegen Rekordchampion Michael Schumacher durch. Wie seine Bilanz aussieht und wie er den Zweikampf gegen den neuen Stallrivalen Lewis Hamilton angeht, verrät er im Interview.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Tipps vom Papa, ein Herz für Mercedes und Vorfreude auf Hamilton: Rosberg Zoom

Frage: "Nico, wie bewertest du deinen im TV fürchterlich aussehenden Unfall von Abu Dhabi mit zwei Wochen Abstand?"
Nico Rosberg: "Letztendlich sah es heftiger aus, als es war. Natürlich, wenn das Auto in der Flugphase gekippt wäre, wäre es brenzlig geworden. Da dies nicht der Fall war, war es aber kein Problem."

Frage: "Nach dem Rennen sagtest du, du hättest nur noch himmelblau gesehen. Bist du selbst erschrocken, als du den Unfall nochmal gesehen hast?"
Rosberg: "Ich habe mir die Szene natürlich angesehen, aber erschrocken bin ich nicht. Ich bin auch direkt wieder ins Auto gestiegen und habe Vollgas gegeben. Nach einem richtig heftigen Unfall vor einigen Jahren in der Formel 3 war das auch schon mal anders gewesen."

Frage: "Wie fällt nach dem ersten Sieg in Schanghai und einigen Enttäuschungen danach dein Saisonfazit aus?"
Rosberg: "Es gab ja auch nach Schanghai noch einige erfreuliche Rennen. In den sechs Rennen ab China habe ich die meisten Punkte geholt. Dann ging es leider richtig bergab. Dafür gibt es aber auch Gründe. Unter anderem den Windkanal, den wir von 50 auf 60 Prozent umbauen mussten. Dadurch haben wir einige Wochen verloren, und die anderen haben mit Vollgas weiterentwickelt."

Siege künftig einfacher

Frage: "Ärgert dich so etwas nicht?"
Rosberg: "Letztendlich zählt doch nur der Titel. Und der wäre in diesem Jahr ohnehin nur noch sehr schwierig möglich gewesen. Deshalb ist es im Endeffekt besser so gewesen, denn irgendwann mussten wir es machen. Und so weiß ich wenigstens, dass das Auto im nächsten Jahr besser wird."

Frage:: "Wie wichtig war für dich persönlich der erste Sieg? Bis dahin hatte man dir schließlich oft vorgerechnet, wie viel Starts du schon hast."
Rosberg: "Das Einzige, was mich genervt hat, waren die ständigen Fragen danach. Ich war immer überzeugt, dass ich gewinnen werde, wenn ich das Auto dazu habe, und dass ich nur Geduld haben muss. Deshalb war ich auch nicht frustriert, sondern immer voll motiviert. Dennoch war der Sieg natürlich eine Erlösung. Und Niki Lauda sagt immer, der erste ist der schwierigste, danach wird es einfacher. Der zweite ist immer einfacher als der erste."


Fotos: Nico Rosberg, Großer Preis der USA


Frage:: "Was in diesem Jahr aber bisher nicht so war."
Rosberg: "Nein. Aber wenn ich wieder in der Situation bin, das stärkste Auto zu haben, wird es einfacher werden, weil es dann keine ungewohnte Situation mehr ist."

Frage:: "Wie wichtig war es für dich, in allen drei Jahren der gemeinsamen Mercedes-Zeit vor Michael Schumacher zu landen?"
Rosberg: "Natürlich war das wichtig. Ich wusste immer, dass ich gut fahren und einen guten Job machen werde. Aber man weiß nie, wie das im Vergleich zum Teamkollegen aussieht. Und plötzlich sitzt der Beste aller Zeiten neben dir im gleichen Auto. Da weiß man erst einmal nicht, was einen erwartet. Deswegen bin ich nun glücklich, dass ich in den drei Jahren vor ihm sein konnte."

Hamilton einer der Wunsch-Teamkollegen

Frage:: "Jetzt sagte er kürzlich, du wärst der Beste - der beste Teamkollege aller Zeiten."
Rosberg: "Ich weiß nicht, ob er das gesagt hat. Zu mir jedenfalls nicht. Aber schön zu hören."

Frage:: "Was hat du von ihm lernen können?"
Rosberg: "Es war sehr interessant und eine gute Erfahrung. Es war deutlich erkennbar, warum er siebenmaliger Weltmeister ist. Vor allem seine Einstellung zum Sport ist genial. Wir haben uns hervorragend ausgetauscht und gegenseitig gepusht."

Frage:: "Findest du es deshalb schade, dass er aufhört?"
Rosberg: "Es hat sehr gut geklappt. Also hätte es von mir aus sehr gerne auch so weitergehen können. Aber gleichzeitig wird es mit Lewis eine tolle neue Herausforderung."

Frage:: "Wenn du dir einen Teamkollegen hättest aussuchen können, wäre es dann Lewis Hamilton geworden?"
Rosberg: "Er wäre sicher in der engen Auswahl gewesen. Ich stelle in dieser Hinsicht keine Ansprüche, aber ich freue mich, dass es Lewis geworden ist."

Frage: "Ihr beide sind seit vielen Jahren befreundet. Inwiefern wird es eine Belastung für die Freundschaft, plötzlich Stallrivalen zu sein?"
Rosberg: "Wir waren schon einmal zwei Jahre Teamkollegen im Kart (als 15-Jährige, Anm. d. Red.). Da sind wir auch um EM- und WM-Titel gefahren und Freunde geblieben. Deshalb glaube nicht, dass es eine Belastungsprobe wird."

Von Mercedes voll und ganz überzeugt

Frage: "Aber wie bedeutend ist es für dich, besser als er abzuschneiden?"
Rosberg: "Der Vergleich mit dem Teamkollegen ist immer wichtig. Wenn wir mal das beste Auto haben, wird der Schnellere von uns gewinnen. Und deshalb muss ich schauen, dass ich schneller bin."

Nico Rosberg

Nico Rosberg glaubt, mit dem Silberpfeil bald vorne mitmischen zu können Zoom

Frage: "Wird Hamilton - allein schon aufgrund seines Alters - als Gegner eine härtere Nuss als Schumacher?"
Rosberg: "Härter als der Beste aller Zeiten? Ich weiß nicht, ob das möglich ist."

Frage: "Wie lautet denn dein Ziel für 2013?"
Rosberg: "Das Minimum ist eine Steigerung. Und in diesem Jahr war ich einmal Erster und einmal Zweiter."

Frage: "Du gehst anscheinend immer fest davon aus, dass im kommenden Jahr der Durchbruch von Mercedes kommt. Was macht dich so sicher?"
Rosberg: "Ich sehe keinen Grund, warum es nicht klappen kann. Keinen einzigen, null. Deshalb habe ich mich auch vergangenes Jahr erst wieder aus voller Überzeugung an das Team gebunden - und ich wurde ja zwischenzeitlich auch schon mal rechtfertigt."

Tipps vom Papa helfen weiter

"Wir haben alles, was es braucht, um zu den Besten zu gehören. Vielleicht muss manches noch optimiert werden, aber wir haben die geballte Intelligenz und Kompetenz im Team. Und wenn wir irgendwann wieder das beste Auto haben, dann sind wir gut vorbereitet. Denn mit allen Dingen, die nicht mit dem Tempo zu tun haben, haben wir uns sehr viel beschäftigt und die gesamte Basis optimiert."

Frage: "Hast du nie von einem anderen Team geträumt? Selbst Sebastian Vettel, der mit Red Bull von Sieg zu Sieg fährt, träumt von Ferrari."
Rosberg: "Mich reizt nur der Silberpfeil. Im Silberpfeil zu gewinnen, ist Hammer. Einmal habe ich es ja schon erlebt."

Frage: "In den USA war dein Vater Keke dabei, aber seine Anwesenheit an der Strecke ist selten geworden. Wie wichtig ist er für dich heute noch als Ratgeber?"
Rosberg: "Sehr wichtig. Mein Vater ist einfach weise. Er ist immer auf dem neuesten Stand und kann mir immer noch sehr weiterhelfen. Aber es ist auch weise, dass er mich immer mehr allein machen lässt. Er war 2012 nur zweimal an der Strecke dabei."

Frage: "Und gemeinsam hofft ihr, dass es in der Familie irgendwann einen zweiten Weltmeister geben wird?"
Rosberg: "Diese Hoffnung haben wir, und die werden wir auch nicht aufgeben."