• 08.09.2011 17:09

  • von Dieter Rencken

Ricciardo: "Die Strecke ist eher unser Vorteil"

Daniel Ricciardo im Interview: Warum Monza für HRT die große Chance ist, wieso er an Italien gute Erinnerungen hat und wie er auf den Webber-Vertrag reagiert

(Motorsport-Total.com) - Daniel Ricciardo erlebte in Spa Höhen und Tiefen. An seinem vierten Formel-1-Wochenende lag er im Qualifying eineinhalb Sekunden hinter Teamkollegen Tonio Liuzzi und musste Kritik von Red-Bull-Juniorteam-Chef Helmut Marko über sich ergehen lassen. Im Rennen trumpfte er beim Start auf und lag plötzlich vor seinen direkten Rivalen, doch ein Defekt beendete den kurzen Höhenflug. Im Interview lässt er noch einmal das Wochenende in Spa Revue passieren und erklärt, warum er in Monza die große Chance für sein Team sieht.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Daniel Ricciardo geht voller Zuversicht in sein zweites Heimrennen

Frage: "Daniel, in Spa sind einige Dinge bei dir schief gelaufen - das Qualifying war nicht sehr gut, im Rennen der Ausfall. War es das bisher schwierigste Wochenende deiner Formel-1-Karriere?
Daniel Ricciardo: "Ich würde nicht sagen, das schlechteste. Es war mit Sicherheit nicht großartig, aber es gab auch ein paar Lichtblicke. Das Qualifying war ziemlich schlecht. Auch wenn der Abstand nicht repräsentativ war, war ich einfach nicht schnell genug."

"Im Nassen war Tonio definitiv besser als ich. Das Rennen lief aber vielversprechend. Zwei Kerle hatten in der ersten Kurve ein Problem und dann überholten wir noch einige andere durch den Windschatten vor Kurve 5. Davon haben wir profitiert und auch das Renntempo war nicht so schlecht. Vor der Safety-Car-Phase hatten wir noch einige Runden in den Reifen. Es hätte anders laufen können, wenn wir weitergefahren wären - aber dann hatten wir das Problem und es war ein recht kurzes Rennen."

"Das war definitiv enttäuschend, aber wenn ich mir die Runden anschaue, die ich gefahren bin, dann gibt es ein paar positive Dinge, die ich mitnehmen kann. Ich sehe das Wochenende mit gemischten Gefühlen, bin aber nicht zu niedergeschlagen."

Frage: "Fühlst du dich im Cockpit inzwischen zuhause?"
Ricciardo: "Ich fühle mich definitiv wohler, aber es gibt immer noch ein paar persönliche Dinge mit dem Auto, die wir lösen müssen."

Frage: "Aber an diesem Wochenende gibt es keine Änderungen."
Ricciardo: "Nein, ich gewöhne mich auch immer mehr daran. Es ist schon in Ordnung. In Spa habe ich gemerkt, dass ich im Nassen eine Stufe besser werden muss, etwas mehr Vertrauen in das Auto benötige, um es wirklich am Limit zu bewegen. Bei Trockenheit bin ich schon fast dort, wo ich sein möchte - in den Hochgeschwindigkeits-Kurven brauche ich noch etwas mehr Vertrauen. Beides wird besser, aber ich würde nicht sagen, dass ich schon bei 100 Prozent bin."

"Ich würde nicht sagen, dass ich schon bei 100 Prozent bin." Daniel Ricciardo

Frage: "Wenn es nicht 100 Prozent sind, wie viel sind es dann? 95?"
Ricciardo: "Ich pushe zu 100 Prozent, aber es gibt immer noch Raum für Verbesserungen. Vielleicht sind es 90, 95 Prozent. Ich weiß, dass es da noch wo was geben sollte."

Frage: "Aber in Spa bist du lange 15. gewesen. Wie schwierig war es, diese Position zu verteidigen?"
Ricciardo: "In den wenigen Runden, die ich gefahren bin, kamen einige schnellere Autos von hinten - ein McLaren, ein Sauber. Ich sah, wie sie schnell näher kamen und machte es ihnen nicht wahnsinnig schwer, denn ich wusste, dass sie sowieso vorbeikommen würden. Ich habe versucht, wenig Zeit zu verlieren, um vor den Marussia-Virgins, vor den Lotus-Autos und Vitantonio zu bleiben."

"Ich hatte eigentlich keinen Kampf mit meinen direkten Konkurrenten. Jerome war nur ein paar Sekunden hinter mir, aber er war nie nahe genug, um mich anzugreifen. Es war nicht so schlecht. Es gelang mir, recht konstante Zeiten zu fahren, und auch die Reifen waren in sehr gutem Zustand. Das war positiv."

Frage: "Ist Monza für dich eine Art Heimrennen, weil deine Vorfahren aus Italien stammen?"
Ricciardo: "Ja, ich schätze, es ist eine zweite Heimat. Es ist so ähnlich wie Silverstone, ich wohne nicht weit von dort. Mein familiärer Hintergrund ist aber Italien, daher ist es wahrscheinlich eher eine zweite Heimat. Es sollte gut laufen, ich bin gespannt auf die Zuschauer."

Frage: "Magst du Strecken, wo man mit wenig Abtrieb fährt?"
Ricciardo: "Ja, mich stört das nicht. Es sollte in Ordnung sein. In der Renault-World-Series, wo wir das Rennen mit wenig Abtrieb am Samstag und das mit viel Abtrieb am Sonntag haben, da bin ich meistens am Samstag besser. Ich bin daran gewöhnt, mit wenig Abtrieb zu fahren."

Frage: "Was für einen Flügel verwendet ihr hier?"
Ricciardo: "Einen speziell für Monza designter Flügel."

Frage: "Denn im Vorjahr verwendete HRT hier den gleichen Heckflügel wie in Monaco."
Ricciardo: "Wir haben dieses Jahr glücklicherweise ein Update."

"Ich hoffe, dass wir bei diesem Rennen unsere Rivalen etwas mehr herausfordern können." Daniel Ricciardo

Frage: "Werdet ihr mit wenig Abtrieb näher an Marussia-Virgin dran sein?"
Ricciardo: "Ich hoffe es. Durch die Natur der Strecke sollte hier alles etwas enger sein. Ich schätze, diese Strecke ist für uns kein Nachteil, eher ein Vorteil. Ich hoffe, dass wir bei diesem Rennen unsere Rivalen etwas mehr herausfordern können."

Frage: "Du bist hier schon in der Renault-World-Series gefahren. Gibt dir das Rückenwind? Es war glaube ich eines deiner besten Wochenenden."
Ricciardo: "Das war es. Ich habe das Wochenende hier sehr genossen und auch die Rennen. Das gibt einem etwas mehr Selbstvertrauen, wenn man hier schon einmal erfolgreich war. Dann genießt man es etwas mehr. Ich fühle mich bereit. Es ist Tonios Heimrennen und auch für ihn ist es sehr emotionell. Wenn wir uns gegenseitig pushen können und Marussia-Virgin einholen oder hoffentlich überholen können, dann wäre das sehr gut. Vielleicht können wir sogar zu Lotus aufschließen."

Frage: "Auch durch DRS schiebt sich alles etwas enger zusammen. Kann das helfen, um an Marussia-Virgin oder an Lotus dranzubleiben?"
Ricciardo: "Definitiv. Außerdem gibt es ja die zwei Zonen. Solange wir in den ersten drei Runden dranbleiben, dann kann es sehr eng werden. Ich finde auch den Ort der zwei Zonen sehr gut. Sie liegen nicht direkt hintereinander."

"Für die Zuschauer sollte das spannend werden - es wird mehr Überhol-Manöver geben. Ich habe die Linie auf der Start-Ziel-Geraden gesehen - sie kommt erst sehr spät. Es wird also nicht so einfach wie auf einigen anderen Strecken. Es könnte späte Bremsmanöver vor der ersten Schikane geben. Ich glaube nicht, dass ein Fahrer vor dem Scheitelpunkt vorne sein und davonziehen wird. Vielleicht irre ich mich aber auch."

"Vielleicht bleibt das Wetter hier stabil. Das macht es natürlich etwas einfacher." Daniel Ricciardo

Frage: "Das ist das erste Wochenende für dich, an dem das Wetter stabil zu sein scheint. Hilft das?"
Ricciardo: (lacht) "Es sollte helfen, ja. An jedem meiner bisherigen Formel-1-Wochenenden gab es interessante Wetterbedingungen. Vielleicht bleibt es hier stabil. Das macht es natürlich etwas einfacher, denn wir haben vor dem Qualifying drei Sessions bei mehr oder weniger gleichen Bedingungen - da kann ich mich besser vorbereiten. Doch was immer passiert - ich versuche, vorbereitet zu sein."

Frage: "Mark Webber wurde bei Red Bull bestätigt. Was bedeutet das für deine Zukunft?"
Ricciardo: "Es macht keinen großen Unterschied. Es wäre schön gewesen aufzusteigen. Aber realistisch gesehen war ich nicht sehr optimistisch. Für mich ändert sich nicht viel. Wir werden sehen, was in der restlichen Saison passiert und dann nächstes Jahr."

Frage: "Du musst warten, was Toro Rosso macht."
Ricciardo: "Wie ich gesagt habe, muss ich hier pushen. Ich muss im Qualifying vorne sein und gleichzeitig ein paar gute Rennen fahren."