• 05.09.2001 09:52

  • von Marcus Kollmann

Ricardo Zonta im Interview

Der Brasilianer über seine Zukunft in der Formel 1, die intensiven Testfahrten und die Unterschiede zwischen Jordan und BAR

(Motorsport-Total.com) - Offiziell ist Ricardo Zonta in den Augen der meisten Formel-1-Fans "nur" der Testfahrer des Jordan-Teams. Seit die Königsklasse den Begriff und die Bedeutung der im Falle des Falles bereitstehenden Rennfahrer erweitert hat, wird auch gerne vom dritten Fahrer des Team gesprochen. Letztendlich bedeutet dies zwar auch nichts anderes, jedoch soll es den Wert der jeweiligen Piloten verdeutlichen. Der Brasilianer Ricardo Zonta kam in dieser Saison zwei Mal für das Jordan-Team außerplanmäßig zum Einsatz. So geschehen beim Großen Preis von Kanada, wo er Heinz-Harald Frentzen, der an den Unfallfolgen seines Crashs im Freien Training und denen des Unfalls in Monaco litt, ersetzte, sowie auf dem Hockenheimring, wo er für den gefeuerten Deutschen einsprang. Zonta meisterte die Aufgabe insgesamt betrachtet recht gut, jedoch sorgte er auch für Gesprächsstoff. Denn bevor der Mann aus Curitiba auf dem Circuit Gilles Villeneuve als undankbarer Siebter nur knapp an den Punkterängen vorbei ins Ziel gekommen war, war er im Rennen auf der langen Geraden Sauber-Pilot Kimi Räikkönen ins Heck gefahren. In Deutschland, wo er seinen zweiten Renneinsatz in dieser Saison erlebte, endete der Grand Prix für den 25-Jährigen nach einer selbst verschuldeten Kollision nach nur sieben Runden. Im Interview mit F1Total.com sprach Zonta nun über seine weiteren Karrierepläne, seine Aufgabe als Testfahrer und ging auf verschiedene andere Aspekte kurz ein.

Titel-Bild zur News: Ricardo Zonta bereitet sich auf seinen Einsatz vor

Über Zontas Zukunft in der Formel 1 ist noch keine Entscheidung gefallen

Frage: "Ricardo, dieses Jahr hast du viele Testfahrten für Jordan bestritten. Es hat ganz den Anschein, als ob das Team mehr als in den Jahren zuvor testen würde. Gibt es dafür einen besonderen Grund?"
Ricardo Zonta: "Ja! Diese Saison hat Jordan ein Testteam welches mit zwei Autos operieren kann und darüber hinaus mit mir einen Testfahrer der immer zur Verfügung steht. Ich denke, dass dies die Bedeutung, die das Team der Testarbeit und Weiterentwicklung des Autos widmet, genau verdeutlicht."

Frage: "Für die Formel-1-Fans sieht es immer so aus, als ob nur Reifen getestet und die Balance des Autos optimiert würde. Dennoch beschweren sich die Fahrer jedes Wochenende, dass das Fahrverhalten besser hätte sein können. Wie schwer ist es denn wirklich die Balance eines Formel-1-Boliden hinzubekommen?"
Zonta: "Nun, meiner Meinung nach geben die Testberichte ganz gut Aufschluss darüber, dass mehr als nur Reifentests und Arbeiten an der Balance durchgeführt werden. Wir testen während einer Saison praktisch in allen Bereichen, wenngleich an einigen Testtagen nur Abstimmungsarbeiten oder Vergleichstest der Reifenmischungen auf dem Programm stehen. An einem Rennwochenende gibt es nicht genug Zeit, um von null mit dem Set Up anzufangen, also machen wir unsere Hausaufgaben in Vorbereitung der Grand Prix schon während der Tests. Jeder Fahrer hat jedoch seine ganz eigenen Abstimmungsvorlieben, welche er an die Strecke und Gegebenheiten vor Ort anpasst. Das kann manchmal recht schwierig sein, vor allem wenn die Streckenbedingungen sich ständig verändern."

Frage: "Ricardo, wie ist dein vertraglicher Status mit Jordan? Werden wir dich nächstes Jahr, solltest du kein Cockpit für 2002 finden, wieder als Testfahrer bei Jordan sehen oder hast du andere Pläne?"
Zonta: "Ich habe mit Jordan einen Vertrag als dritter Fahrer bis zum Ende der diesjährigen Saison. Derzeit wäge ich meine Möglichkeiten für das kommende Jahr ab, aber bis jetzt ist noch nichts entschieden."

Frage: "In dieser Saison haben viele Fahrer Michael Schumachers Fahrmanöver nach erfolgtem Rennstart kritisiert. Dein ehemaliger Teamkollege Jacques Villeneuve hat der FIA empfohlen, dass man Michael dafür bestraft oder aber die Regeln deutlicher formuliert. Welche Meinung hast du zu diesem Thema? Hat er Recht damit, dass Schumacher zu viel Einfluss in der Königsklasse hat und deshalb Sachen tun darf die andere Rennfahrer nicht dürfen?"
Zonta: "Nun, ich kann dazu nur sagen, dass für alle Fahrer die gleichen Regeln gelten. Michael hat in der Formel 1 einiges geleistet, vor allem in Bezug auf die Verbesserung der Sicherheit."

Frage: "Sowohl BAR als auch Jordan werden von Honda mit Werksmotoren beliefert. Jedoch ist die Leistung beider Teams in Sachen Konkurrenzfähigkeit in der Qualifikation und im Rennen höchst unterschiedlich. Kannst du als Insider, mit dem Hintergrundwissen beider Teams, verraten weshalb das so ist?"
Zonta: "Sowohl Jordan als auch BAR bekommen die gleichen Motorenausbaustufen, weshalb der Unterschied in der Leistung der Teams nur an den Autos und Fahrern liegen kann."

Frage: "Viele Leute fragen sich auch, welchen Einfluss Honda auf BAR und Jordan hat. Ganz offensichtlich ist an den Rennwochenenden mehr Honda-Personal bei dem Team aus Brackley zu sehen. Auf der anderen Seite heißt es, dass Jordan einen längeren Motorenvertrag mit Honda hat. Kannst du uns diesbezüglich Aufschluss geben?"
Zonta: "Leider kann ich dazu nichts sagen, denn ich bin ja nur als Testfahrer angestellt, ich habe mit den ganzen Verträgen nichts zu tun."

Frage: "Immer mehr junge Rennfahrer aus den unteren Formel-Klassen stehen Gewehr bei Fuß, um in die Formel 1 zu kommen. Für Testfahrer wie dich wird der Wettkampf um die begehrten Plätze immer härter oder?"
Zonta: "Heutzutage kommen mehr Fahrer direkt in die Formel 1, anstatt erst die unteren Formel-Klassen zu durchlaufen und sich dann vom Testfahrer zum Rennfahrer des Teams hochzuarbeiten. Ja, ganz klar, der Wettkampf ist härter geworden, jedoch gibt es in den unterschiedlichen Motorsportserien immer noch gute Chancen..."

Frage: "Welchen Eindruck hast du von der Formel-1-Weltmeisterschaft in diesem Jahr gewonnen? Welche Teams haben deiner Meinung nach auf der ganzen Linie überzeugt und welche haben diese Saison an Boden verloren?"
Zonta: "Williams und Sauber sind ganz klar die großen Überraschungen in diesem Jahr."

Frage: "Von welchen Strecken glaubst du, dass der EJ11 dort gut und schnell unterwegs sein müsste?"
Zonta: "Ich glaube, dass der Jordan auf allen Strecken gut gehen müsste. Bei den noch ausstehenden Rennen ist also noch alles möglich..."

Frage: "Nachdem du Heinz-Harald Frentzen in Montreal ersetzt hattest, war es da hart für dich wieder nur als Testfahrer für das Team arbeiten zu können, da du nur zum Einsatz kommst wenn einer deiner Kollegen Pech hatte?"
Zonta: "In Kanada wieder im Cockpit zu sitzen, war eine großartige Gelegenheit für mich. Allerdings verstehe ich meine Position als dritter Fahrer des Teams genau. Ich muss quasi einspringen wenn das notwendig wird, ansonsten gehe ich meiner Arbeit als Testfahrer des Teams nach, so einfach ist das."