• 06.09.2014 21:01

  • von Rencken, Fritzsche, Sharaf & Wittemeier

Rennstrategie in Monza: Doch nicht so klar wie gedacht?

Während man bei Pirelli fest von einer Einstoppstrategie ausgeht, machen sich die Fahrer aufgrund der Streckencharakteristik Gedanken über einen zweiten Stopp

(Motorsport-Total.com) - Wie oft werden die Piloten am Sonntag beim Grand Prix von Italien an die Box kommen, um Reifen wechseln zu lassen? Über diese Frage herrscht nach dem Qualifying Uneinigkeit. Zu den Fakten: Pirelli hat für die Hochgeschwindigkeitsstrecke im Parco di Monza die Mischungen Medium und Hard ausgewählt. Die Top 10 der Startaufstellung starten komplett auf Medium-Reifen, weil sie diese im zweiten Qualifying-Abschnitt aufgezogen hatten.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg, Valtteri Bottas

Die Top 10 der Startaufstellung, angeführt von Lewis Hamilton, fahren auf Medium los Zoom

"Wir gehen von einer Einstoppstrategie aus. Entscheidend wird sein, wann man diesen einen Boxenstopp einlegt", sagt Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery im Hinblick auf die Renndistanz von 53 Runden. Die nach Angaben des italienischen Reifenherstellers am wahrscheinlichsten zum Erfolg führende Strategie sieht einen Wechsel von Medium auf Hard in Runde 23 vor.

"Dem Reifenabrieb wird im Rennen eine große Bedeutung zukommen, denn vermutlich werden wir sowohl mit dem Medium- als auch mit dem Hard-Reifen viele Runden drehen", sagt Ferrari-Pilot Fernando Alonso (Startplatz sieben) und deutet damit an, in Richtung der von Pirelli empfohlenen Strategie zu tendieren.

Einstoppstrategie in Stein gemeißelt?

Auch Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo (Startplatz neun) geht davon aus, dass "realistisch betrachtet jeder nur einmal stoppt". Der Australier hat am Freitag und Samstag beobachtet: "Auf dem harten Reifen konnten wir mehrere Runden schnell fahren. Sie scheinen keine wirkliche Spitze bei der Performance zu haben, dafür können sie aber mehrere Runden hintereinander schnell sein."

Paul Hembery

Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery rechnet mit nur einem Stopp, aber ... Zoom

So sieht es auch für Force-India-Pilot Nico Hülkenberg (Startplatz 13) "schwer nach einer Einstoppstrategie aus". Aber: "Es wird die Frage sein, wie mutig die Leute sind, frühzeitig zu wechseln. Man kann einen Undercut versuchen und frühzeitig stoppen, aber dann braucht man das Vertrauen, dass der Prime bis zum Ende hält", wie Ricciardo bemerkt.

Basierend auf den Erfahrungen des Vorjahres, als Pirelli ebenfalls mit Medium/Hard nach Monza kam, überlegen einige Fahrer, einen deutlich längeren Stint hinzulegen. "Im vergangenen Jahr hielt die weichere der beiden Mischungen bis zu 49 Runden", erinnert sich Lotus-Pilot Romain Grosjean (Startplatz 17) und fügt hinzu: "Ich gehe nicht davon aus, dass es in diesem Jahr grundlegend anders sein wird. Um ehrlich zu sein, fuhr ich aber gestern keinen Longrun. Deswegen kenne ich die genauen Verschleißwerte nicht." Ricciardo jedenfalls meint, dass "schon 40 Runden mutig" wären.

Im Hinblick auf einen langen Stint mit einer der beiden Mischungen spricht Grosjean zudem eine andere Problematik an. "Es hängt auch ein bisschen davon ab, wie stark man seiner Vorderradaufhängung vertraut. Wenn man sich einen Bremsplatten einfährt, hat man natürlich ein Problem. Das passiert auf dieser Strecke schneller als auf anderen Strecken. Wir fahren hier mit sehr wenig Abtrieb und die Bremszonen sind hart. Da kann man es schnell mal übertreiben", sagt der Lotus-Pilot.

Marcus Ericsson

... werden Verbremser wie hier von Marcus Ericsson über die Strategie entscheiden? Zoom

Williams-Pilot Felipe Massa (Startplatz vier) winkt ab: "Ich sehe keinen Unterschied zu anderen Strecken. Der einzige Unterschied ist, dass man nur einen Stopp machen wird und mehr Runden auf einem Reifen fährt." Bezüglich der Gefahr von Bremsplatten, hofft der Brasilianer, dass sich Pirelli nicht verschätzt hat. "Ich hoffe, dass wir keine sehen werden, denn sonst wäre das ein Fehler von ihm (Hembery; Anm. d. Red.). Er kann keine Reifen bringen, von denen er sicher ist, dass sie einen Bremsplatten bekommen werden."

McLaren-Pilot Kevin Magnussen (Startplatz fünf) stimmt derweil Grosjean zu und meint: "Wenn man hier ein Rad blockieren lässt, war es das wohl mit einer Einstoppstrategie." Teamkollege Jenson Button (Startplatz sechs) sieht es ähnlich. "Anhand der Longrun-Zeiten vom Freitag waren vermutlich viele Fahrer der Ansicht, dass es kein Problem sei, mit nur einem Stopp über die Distanz zu kommen. Das Problem ist aber, dass es morgen wohl zehn bis 15 Grad Celsius wärmer sein wird als am Freitag. Das wird sich natürlich auswirken. Ich bin mir nicht so sicher, dass die Einstoppstrategie in Stein gemeißelt ist", so der Brite.

Was macht das Wetter?

Genau diese Unsicherheit in Bezug auf die Streckenbedingungen ist es, die Williams-Chefingenieur Rob Smedley sehr gut gefällt: "Beim Arbeitsfenster unterscheiden sich die beiden Mischungen stark. Das ist eine schöne Herausforderung für die Ingenieure. Ich mag es. Wir müssen aber abwarten, weil wir einerseits Vorhersagen haben, dass die Streckentemperatur auf 40 Grad Celsius klettern soll und andererseits Vorhersagen haben, dass es nur 25 Grad Celsius werden sollen."

"Wir werden morgen aufstehen, aus dem Fenster schauen und dann entscheiden, was wir machen." Williams-Chefingenieur Rob Smedley

So schlussfolgert Smedley: "Wir werden morgen aufstehen, aus dem Fenster schauen und dann entscheiden, was wir machen." Dass es viele Bremsplatten geben wird, glaubt der Williams-Chefingenieur indes nicht: "Die Fahrer werden nicht in Kurve 1 oder 4 reinhacken, sie behandeln die Kurven mit ein wenig mehr Respekt." Was zu beweisen wäre...