Renault: Red Bull und McLaren im Visier
Während Nick Heidfeld den verpatzten Saisonstart so schnell wie möglich vergessen will, glaubt Witali Petrow vor Sepang an weitere Podestplätze
(Motorsport-Total.com) - Verkehrte Welt bei Renault. Der Mann, der laut Kritikern bei der Truppe aus Enstone nur das Geld abliefert, verblüffte in Melbourne mit seinem ersten Podestplatz, der Teamleader bekam hingegen am gesamten Wochenende keinen Fuß auf den Boden. Damit Witali Petrow seinen Status als Nummer eins bei Renault nicht festigt, muss Nick Heidfeld in Malaysia nun reagieren. Denn durch die außergewöhnlichen Umstände im Albert Park fährt der Mönchengladbacher unter Schonfrist: Im Qualifying wurde er aufgehalten, im Rennen zerstörte Sebastien Buemi schon im Startgerangel seinen R31.

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Geht Witali Petrows Renault-Höhenflug schon in Malaysia weiter?
Ein Glanzlicht darf man unter diesen Umständen auch von einem Routinier wie Heidfeld nicht erwarten. Doch in Sepang muss er jetzt auf den starken Saisonstart seines russischen Teamkollegen antworten, will er die Rolle ausfüllen, für die er nach Robert Kubicas Rallyecrash geholt worden war. "Aus meiner Perspektive war es natürlich enttäuschend", blickt Heidfeld noch einmal auf Melbourne zurück. "Zumal man gesehen hat, wieviel Potenzial unser Auto hat. Mein Ziel ist es immer, das Maximum aus jedem Renn-Wochenende herauszuholen, doch das ist mir in Melbourne nicht gelungen."
Heidfelds Saisonstart zum Abhaken
Ein Grund dafür waren die Schäden an Heidfelds Boliden nach der Kollision mit Toro-Rosso-Pilot Buemi. "Es war sehr schwierig", bestätigt er. Die Balance war nicht mehr so wie sie sein sollte. Der Grip war sehr niedrig und das machte es schwierig, die Reifen am Leben zu erhalten. Ich habe trotzdem mein Bestes gegeben, denn man weiß ja nie, was in einem Rennen passieren kann, und es gibt immer eine Chance auf Punkte, also pushte ich weiter." Doch über den unbelohnten zwölften Platz kam er nicht hinaus.
Auch als Testfahrt war das Rennen für Heidfeld nur bedingt nützlich: "Über das Auto und die Reifen konnten wir nichts lernen, aber wir hatten nützliche Daten von Witalis Auto. Ich habe aber einiges über die Abläufe im Team gelernt, denn es war mein erstes volles Renn-Wochenende mit dem Team. Das war sehr hilfreich." Dennoch will er Melbourne so schnell wie möglich vergessen: "Man blickt immer zum nächsten, vor allem nach einem schwierigen Rennen. Derzeit versuche ich, Australien zu vergessen, und nach Malaysia zu schauen."
Heidfeld rechnet mit viel Action in Sepang
Dort sollten Überholmanöver leichter sein als im Albert Park - auch danke des verstellbaren Heckflügels: "Er sollte einen größeren Einfluss haben. Überholen war in Malaysia aufgrund des Streckenlayouts schon immer einfacher. Es gibt lange Geraden, die von langsamen Haarnadel-Kurven gefolgt werden - wir sollten mehr Action sehen."
In der Vergangenheit hat Heidfeld in Sepang schon viel Action erlebt: "Ich habe gute Erinnerungen an meinen Podestplatz mit Williams 2005 und meinen zweiten Platz vor einigen Jahren in einem sehr feuchten Rennen. 2008 habe ich dort im Rennen meine erste schnellste Runde eingefahren. Das war auch das Jahr, in dem ich bei einem doppelten Überholmanöver an Alonso und Coulthard viel Spaß hatte. Das sollte man sich auf YouTube ansehen!"
Petrows Telefon lief heiß
So ungern Heidfeld aber nach "Down Under" zurückblickt, so groß ist die Freude immer noch bei Witali Petrow, der im Albert Park Dritter wurde. "Es war toll, vor meinem Team auf dem Podest zu stehen, nach all den schwierigen Momenten, die wir alle im Winter durchgemacht hatten", verweist er auf Kubicas Unfall. "Das zeigt, dass es die harte Arbeit und die Mühe wert waren. Daher bedanke ich mich für das brillante Auto und weiß, dass wir eine großartige Saison haben können."
Für Petrow war es in jeder Hinsicht eine einzigartige Erfahrung: "Ich erhielt viele Anrufe und Nachrichten - alle haben mir gratuliert. Ich hatte ganz vergessen, wie viele Leute meine Telefonnummer haben." Dennoch rechnet er nun mit weiteren Großtaten: "Wir können in den kommenden Rennen das Gleiche schaffen."
Reifen als Unbekannte
Gleichzeitig gibt er sich aber auch vorsichtig: "Wir haben zwar jetzt einen besseren Eindruck wo wir stehen, um ein reales Bild davon zu bekommen, müssen wir aber noch ein paar Rennen warten. Wir wissen, dass auch Red Bull und McLaren sehr stark sind, aber hoffentlich können wir viel Druck machen." Ob dies auch in Sepang möglich sein wird, hängt von den Reifen ab: "Wir sind nie wirklich bei hohen Temperaturen gefahren. Ich weiß aber, dass wir für Sepang ein paar neue Aerodynamikteile bekommen werden, die helfen werden."
Auch für die Piloten ist die Hitze eine große Herausforderung. Während Jenson Button als Vorbereitung an einem Triathlon teilnahm, glaubt Petrow aber nicht an spezielle Tricks: "Man muss sich einfach im Freien aufhalten und die Klimaanlage meiden. Das ist das Geheimnis. Ich habe keine spezielle Ernährung, aber ich trinke viel Wasser." Auch seine Sepang-Bilanz kann sich sehen lassen: "Ich war schon ein paar Mal dort und hatte lustige Rennen. In der GP2-Serie habe ich dort 2008 und 2009 gewonnen."
Boullier lobt auch Petrows Teamgeist
Für Teamchef Eric Boullier ist der Erfolg beim Auftakt nach dem harten Testwinter eine tolle Belohnung. "Das war eine Erleichterung", bestätigt er, "denn es ist schön zu sehen, dass unser Auto ein Schritt vorwärts ist und dass wir schon um Podestplätze kämpfen. Zudem ist es eine große Belohnung für das Team, denn jeder hat sich im Winter und vor allem in den letzten paar Wochen bemüht, damit das Auto bereit ist und gut funktioniert."
Boullier ist stolz auf Petrow, für dessen Verpflichtung das Team im Vorjahr noch kritisiert worden war: "Es ist schön, dass er auf der Strecke seine Leistung gebracht hat, konzentriert blieb und konstruktiv mit dem Team gearbeitet hat. Das Resultat war das Ergebnis dieses perfekten Wochenendes und jeder im Team war unglaublich stolz, ihn auf dem Podest zu sehen. Es war eine tolle Sache, dass er sich bei seiner Ankunft in Enstone nach dem Rennen an das gesamte Team gewendet hat."
Aufmunternde Worte für Heidfeld
In das frustrierende Wochenende von Heidfeld will er nicht zuviel hineininterpretieren: "Ich bin hundertprozentig sicher, dass er zurückschlagen wird. Er ist ein Kämpfer und ein Rennfahrer mit viel Erfahrung. Er wird noch entschlossener sein, um in Malaysia eine großartige Leistung zu bringen." Zudem glaubt er, dass sich auch der R31 in Sepang stark präsentieren wird: "Natürlich wird das Kräfteverhältnis in Malaysia anders sein als in Melbourne. Dort waren wir in einer guten Verfassung und ich sehe uns weiterhin im Kampf mit den Topteams."
Diese Hoffnung zieht er daraus, dass Renault schon im Vorjahr ein beeindruckendes Entwicklungstempo an den Tag legte: "ich bin absolut zuversichtlich, dass wir diese Leistung wiederholen können. Wir haben im Vorjahr bewiesen, dass wir das Auto auf einem sehr hohen Level entwickeln können und ich weiß nicht, warum uns das nicht dieses Jahr auch gelingen sollte, zumal wir ja unsere Abläufe und unsere Produktionskapazitäten verbessert haben."

