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Renault fürchtet um Auspuff-Vorteil

Warum Renault das Verbot abgasangeblasener Diffusoren am wenigsten verkraften würde und auf welchen Kompromiss sich Teams und FIA vermutlich einigen werden

(Motorsport-Total.com) - Den abgasangeblasenen Diffusoren geht es in der Formel 1 an den Kragen. In einem Brief teilte Charlie Whiting den Teams mit, dass ab dem Grand Prix von Großbritannien kaltes und heißes Anblasen des Diffusors verboten wird. Vermutlich handelt es sich bei diesem Vorstoß Whitings um einen taktischen Schachzug der FIA: Man geht davon aus, dass sich Whiting am Donnerstag beim Treffen mit den Technikchefs in London auf ein Verbot des effizienteren heißen Anblasens, aber eine Beibehaltung des kalten Anblasens einigen wird.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Dem innovativen Auspuffsystem dürfte es bald an den Kragen gehen

Die heiße Variante gilt als effizienter: Benzin wird auch in die Brennkammer gepumpt, wenn der Fahrer nicht auf dem Gas steht - durch den Brennvorgang wird die Energie der Strömung auf den Diffusor erhöht. Über komplexe Motorenmappings wird gesteuert, dass die Energie nur in den Auspuff geht, nicht aber auf die Räder übertragen wird. Beim kalten Anblasen wird auf diesen "leeren" Brennvorgang verzichtet.

Motorenhersteller Cosworth war es, der die FIA auf den Trick von Red Bull, Renault, McLaren, Mercedes, Force India, Ferrari und Lotus hingewiesen hatte. Nur die Cosworth-Rennställe Williams, Marussia-Virgin und HRT sowie Sauber und Toro Rosso blasen den Diffusor kalt an. Cosworth argumentiert, dass ein Umrüsten auf ein heißes Anblasen dem Motorenhersteller zu teuer käme. Auch Peter Sauber, der nicht auf die Budgets der Herstellerteam zurückgreifen kann, ächzt gegenüber 'auto motor und sport': "Ich wäre ganz froh, wenn das aufhört."

Warum das Verbot Renault am meisten treffen würde

Die FIA stört an den heißen Systemen, dass der Motor selbst dann Sprit verbrennt, wenn der Fahrer nicht am Gas steht - das passt nicht ins Bild des "grünen" Motorsports, das die FIA propagiert. Zudem will man die Kosten im Griff behalten. Doch wer würde am meisten unter dem Verbot des heißen Anblasens leiden?

Im Fahrerlager geht man davon aus, dass ein Verbot die Renault-Teams Renault und Red Bull härter als die anderen Rennställe treffen würde. Vor allem im Qualifying-Modus, wenn die Teams auf ein Motormapping setzen, das deutlich mehr Sprit verbraucht, dürfte ein heißes Anblasen des Diffusors bei optimaler Effizienz wie bei Red Bull bis zu eine Sekunde pro Runde bringen. Dass sich Ferrari in Montreal deutlich stärker präsentierte, dürfte ebenfalls an einem optimierten Motormapping liegen.

"Ich wäre ganz froh, wenn das aufhört." Peter Sauber

Es gilt als offenes Geheimnis, dass Renault mit dem aggressiven Auspuff vor den Seitenkästen zum größten Verlierer der Auspuffnovelle dastehen würde, auch wenn Nick Heidfeld stets versucht, dies zu relativieren. Bei keinem Boliden ist der Weg vom Auspuff zum Heck so groß wie beim R31 - je länger der Weg, desto weniger effizient funktioniert das System. Durch das heiße Anblasen konnte man diesen Nachteil wettmachen, bei kaltem Anblasen würde er sich aber stärker bemerkbar machen. Bei Red Bull bläst der Auspuff hingegen erst vor den Hinterrädern unter den Unterboden.

Boullier fühlt sich an F-Schacht erinnert

In der kommenden Saison sollen sowohl heißes, als auch kaltes Anblasen verboten werden. Bis zum 30. Juni muss das Reglement für die kommende Saison stehen. "Ich kann nachvollziehen, wie man sich bei McLaren im Vorjahr gefühlt haben muss, als der F-Schacht verboten wurde", gibt Renault-Teamchef Eric Boullier gegenüber 'Adam Coopers F1 Blog zu. "Ehrlich gesagt, denken wir nicht zu viel darüber nach. Aber wenn man in eine Richtung gehen möchte und die FIA ändert die Regeln, dann muss man sich daran halten. Wir müssen herausfinden, was der genaue Grund dafür ist, aber wenn am Ende herauskommt, dass diese System verboten werden, dann müssen an etwas anderem arbeiten."

Sprich - bevor die FIA eine Entscheidung getroffen hat, werden Renault und Red Bull alles in ihrer Macht stehende tun, um das drohende Verbot doch noch abzuwenden. Sollte es dennoch dazu kommen, würde Renault die gewonnenen Erkenntnisse in diesem Bereich allerdings nicht in die Mülltonne werfen. "Wenn wir einen anderen Weg finden, es zum Arbeiten zu bringen, dann werden wir alles in unserer Macht stehende dafür tun", gibt Boullier offen zu.

"Ich kann nachvollziehen, wie man sich bei McLaren im Vorjahr gefühlt haben muss, als der F-Schacht verboten wurde." Eric Boullier

Die Teams haben sich bei ihrer ungewöhnlichen Nutzung der Motoren ein Schlupfloch im Reglement zunutze gemacht, dass es ihnen erlaubt, die Drosselklappen bis zu zehn Prozent zu öffnen. Dadurch können die Motoren geschont werden. Doch die FIA sieht dennoch einen klaren Regelverstoß: Sie beruft sich durch das Anblasen des Diffusors durch den Auspuff auf eine künstliche Einflussnahme auf die Aerodynamik, was verboten ist.