• 16.03.2016 14:27

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Renault: Das steckt hinter dem Comeback als Werksteam

In klassischem Gelb-Schwarz und mit großen Ambitionen für die Zukunft: Wie sich Renault das Werksengagement in der Formel 1 langfristig vorstellt

(Motorsport-Total.com) - Zwei Tage vor dem Start des ersten Freien Trainings in der Formel-1-Saison 2016 hat Renault am heutigen Mittwoch die endgültigen Farben seines neuen Auftritts präsentiert. Eine große Überraschung blieb bei der Vorstellung in Melbourne aus. Der neue R.S.16 trägt das klassische Gelb-Schwarz, das schon die Renaults in der früheren Turboära der Formel 1 ausgezeichnet hatte. Die Farben gelten dennoch als Signal: Die Franzosen wollen wieder dorthin, wo sie in den späten 1970er-Jahren schon einmal waren.

Titel-Bild zur News: Renault R.S. 16

Die Farben kennt man von Renault bereits: Vorstellung des R.S.16 in Melbourne Zoom

Damals revolutionierte Renault die Formel 1 mit der Einführung des Turbomotors. Man war Vorreiter in der Königsklasse. Und genau dies will man in Zukunft wieder darstellen, wenngleich unter ganz anderen Voraussetzungen. Die Konzernleitung hat es sich im vergangenen Jahr nicht leicht gemacht. Die Entscheidung zum Rückkauf des Lotus-Teams samt des Standortes in Großbritannien (Enstone) zog sich über viele Monate hin. Es wurde eine Hängepartie mit einem Last-Minute-Deal.

"Die Entscheidung wurde von unserem CEO Carlos Ghosn getroffen. Solange er nicht wirklich überzeugt war und die Teilhaber nicht richtig an einem Strang zogen, wurde die Entscheidung eben nicht getroffen. Das hat gedauert. Erst wirklich auf den allerletzten Drücker wurden alle Vorgaben erfüllt", erklärt Renault-Sportchef Jerome Stoll im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Es galt, die Beteiligten auf einen Kurs einzuschwören, Bernie Ecclestone einige Versprechen abzuringen und bei Gerard Lopez den Preis zu drücken.

Vor dem Rückkauf von Lotus: Kampf an zwei Fronten

"Da spielten zum Beispiel Genii, Gravity Sports, oder auch Bernie eine Rolle. Das waren jene von extern, aber es gab auch noch die interne Gemengelage", berichtet Stoll vom Weg, der zur Rückkehr der Franzosen als Werksteam führte. "Es ist nicht so, dass eine kleine Gruppe von Formel-1-Freunden das mal eben festlegt, sondern so etwas ist eine Konzernentscheidung. Nur so stehen letztlich alle im Unternehmen dahinter."

"Wir haben die Formel 1 nie verlassen, waren zuletzt aber nur noch Antriebslieferant. Und das ist die schlechteste Position, in der man sich befinden kann", sagt der Renault-Sportchef. "Wie es unser CEO oft gesagt hat: Verlierst du, dann bist du dafür verantwortlich, gewinnst du, dann ernten die anderen die Früchte. Auf dieser Grundlage gab es letztlich nicht drei, sondern nur zwei Optionen: Ausstieg oder Comeback als Werksteam. Weiterhin nur Lieferant zu sein, war keine Option mehr für uns."

Cyril Abiteboul und Jerome Stoll

Leiten die Formel-1-Geschicke von Renault: Cyril Abiteboul und Jerome Stoll Zoom

"Es war am Ende eine ganz einfache Rechnung. Mit dem gleichen Geld wie als Antriebslieferant können wir als Werksteam agieren. Was wir in Sachen PR davon haben, ist aber in einer ganz anderen Liga. Es wird viel mehr wahrgenommen, dass Renault in der höchsten Motorsportklasse weit oben mitspielt", erklärt Stoll. Die Franzosen fahren das Programm zunächst auf Sparflamme. Man nimmt mögliche sportliche Niederlagen 2016 und 2017 bewusst in Kauf, um spätestens 2018 vorn mitmischen zu können.

Renault denkt langfristig. Im Gegensatz zur Konkurrenz von Volkswagen, Kia, Hyundai, Toyota oder General Motors ist man fest davon überzeugt, dass die Formel 1 als perfekte Bühne für Marketing genutzt werden kann. "Mit der Renault-Nissan-Allianz stehen wir auf Rang vier der größten Automobilhersteller, aber Renault allein ist eigentlich ein relativ kleiner Player am Markt", sagt Stoll. Genau dies soll sich allerdings bald ändern. Renault will nun endlich auch in China Fuß fassen, dafür braucht man weltweite Präsenz.

Formel 1 als Bühne: China erobern, Nissan einholen

"Wenn wir unsere Markenbekanntheit in jenen Märkten stärken wollen, die uns bislang noch nicht kennen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Fußball, Cricket oder andere Sportarten. Wir haben als Renault aber eine feine Formel-1-Tradition. Das liegt uns allein deshalb näher als Cricket oder Fußball", schildert der Franzose die Herangehensweise. Renault will die Konzernschwester Nissan auf dem chinesischen Markt einholen und so die eigene Position in der Allianz stärken,

"In der Formel E sind wir führend. Das entspricht genau unserem Status als führender Hersteller von Elektrofahrzeugen. Nun müssen wir zusehen, dass wir das gleiche Konstrukt mit der Formel 1 und der dort verwendeten Technologie hinbekommen", sagt Stoll zur Strategie der Marke. "Wenn wir über Verbrennungsmotoren sprechen, dann sind die CO2-Vorgaben unser größtes Problem. Durch die neuen Regeln in der Formel 1 sind die Werte um 30 oder 40 Prozent zurückgegangen. Das entspricht dem Trend. Wir haben Downsizing, Hybrid und ein neues Antriebskonzept in der Formel 1. Das ist genau das, was im Bau von Straßenfahrzeugen heutzutage gefragt ist."

Unter diesen Voraussetzungen haben es Stoll und seine Mitstreiter geschafft, den stets kritischen Rechner Carlos Ghosn vom Formel-1-Werksengagement zu überzeugen. Nun gilt es, die versprochenen Vorteile eines solchen Investments auch in Ergebnisse umzusetzen. "Im ersten Schritt wollen wir erst einmal die Glaubwürdigkeit zurückerlangen, die wir in der Vergangenheit schon einmal hatten. Das sind die Hausaufgaben, die wir erst einmal erledigen müssen", sagt der Sportchef.


So surft Renault in die Saison 2016

Das Werksteam hat sich für die Präsentation des Designs etwas Besonderes einfallen lassen: Kevin Magnussen und Jolyon Palmer müssen aufs Surfboard Weitere Formel-1-Videos

"Wenn wir entsprechend positioniert sind, dann wird es uns viel leichter fallen, in Zukunft auch an den Entscheidungsprozessen teilhaben zu dürfen - und mehr an den Einnahmen der FOM zu partizipieren", meint Stoll, dessen Mannschaft aktuell nicht einmal in der Strategiegruppe vertreten ist - somit kaum Einfluss auf Regelfindungen hat. "Wir arbeiten eng mit Daimler zusammen, haben auch ein Business mit Ferrari. Da sollte es doch möglich sein, dass man auch auf der Ebene Formel 1 etwas enger zusammenarbeitet."