• 25.07.2012 15:47

Renault: Budapest ist eine Herausforderung

Der Motorenlieferant aus Frankreich möchte am Hungaring die Fahrbarkeit des RS27-V8 in den Vordergrund rücken und erwartet ein heißes Rennen

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Ungarn ist der erste Grand Prix der zweiten Saisonhälfte und gleichzeitig der letzte vor der vierwöchigen Sommerpause der Formel 1. Der Lauf auf dem Hungaroring vor den Toren der pulsierenden Metropole Budapest gehört bei Teams und Fahrern zu den beliebtesten des Jahres - obwohl oder gerade weil er sehr komplexe Anforderungen an Technik und Fahrkönnen stellt.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Der Ungarn Grand Prix ist einer der anspruchsvollsten der Saison

Die winklige, 4,381 Kilometer lange Strecke ähnelt einer überdimensionalen Kartbahn - eine Kurve folgt der anderen. Abgesehen vom Stadtkurs in Monaco ist der Hungaroring im Rundenschnitt der langsamste aktuelle Kurs im Kalender. Für die Motoren-Ingenieure steht daher die kraftvolle Leistungsabgabe im unteren Drehzahlbereich sowie die leichte Fahrbarkeit der 2,4-Liter-Achtzylinder im Mittelpunkt.

Renault mit besonderen Luftfiltern

Die Spitzenleistung des Renault RS27-V8 steht in Ungarn nicht im Vordergrund, weil das Rennen mit rund 182 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zu den langsamsten der Saison gehört. Lediglich auf der 790 Meter langen Start-Ziel-Geraden und auf dem Geradeausstück zwischen den Kurven drei und vier erreichen die Triebwerke überhaupt das Drehzahllimit. Nur während 55 Prozent der Runde sind die Drosselklappen voll geöffnet, ein ähnlicher Wert wie in Singapur.

Ein wichtiges Thema ist die Konfiguration der Kühlsysteme. In den vergangenen Jahren lag die Lufttemperatur im Schnitt bei 26 Grad Celsius. Hinzu kommt der Stop-and-Go-Charakter der Strecke - die Motoren bekommen kaum einmal Gelegenheit, bei kühlendem Fahrtwind 'durchzuatmen'.

Renault-Motor im Red Bull

Die Kühlung darf beim Rennen am Hungaroring nicht unterschätzt werden Zoom

Der zweite Sektor ist der kurvigste Streckenabschnitt. Hier fahren die Autos praktisch alle Biegungen im dritten Gang und erreichen dabei nicht mehr als 245 km/h. Alle Kurven scheinen ineinander überzugehen. Kurve fünf ist ein endlos langer Rechtsbogen und eine wahre Geduldsprobe - hier dürfen die Fahrer nicht zu früh wieder aufs Gas steigen, weil unzählige Bodenwellen die Fahrzeugbalance stören können.

Eine weitere Besonderheit des Hungarorings ist seine Lage in einem Talkessel inmitten einer trockenen, vegetationsarmen Landschaft. Sand und Staub wirbeln durch die Luft und können die beweglichen Teile der Motoren gefährden oder zu erhöhtem Verschleiß führen. Renault baut daher selbst entwickelte Filter ein, die auf Luftfiltern für Wüstenrallyes basieren und die Partikel wirkungsvoll von den Aggregaten fernhalten.

Flüssiges Layout

"Auf dem Hungaroring musst du dich sehr gut konzentrieren, weil die Kurven flüssig ineinander übergehen, besonders im zweiten und dritten Sektor", bemerkt Williams-Pilot Pastor Maldonado. "Es fühlt sich an, als ob du nie richtig auf Tempo kommst, weil du immer gerade in die nächste Kurve einlenkst. Aber ein kraftvoller Motor ist trotzdem wichtig, weil du dich darauf verlassen musst, Power zu bekommen, wenn du sie brauchst. Gerade in den langsamsten Passagen ist hier die meiste Zeit zu holen."

"Nach Hockenheim, einem recht schnellen Kurs, folgt nur eine Woche später der zweitlangsamste", analysiert Remi Taffin, der Leiter des Renault-Einsatzteams. "Wegen der großen Zahl enger Kurven und der Abwesenheit langer Geraden spielt die Spitzenleistung unseres RS27-V8 an diesem Wochenende keine besondere Rolle. Stattdessen arbeiten wir an gutem Drehmoment bei niedrigen Geschwindigkeiten. Deswegen wollen wir erstens guten Grip und Traktion beim Gasgeben und zweitens ein stabiles Heck beim Bremsen erzielen. Im Sinne einer guten Beschleunigung verwenden wir in Ungarn relativ kurze Getriebeübersetzungen."

"Auf dieser Stop-and-Go-Piste liegt der Kraftstoffverbrauch pro Kilometer relativ hoch. Folgerichtig werden die Autos am Start eine überdurchschnittlich schwere Spritladung mitführen. In diesem Jahr beeinflussen sich Reifenverschleiß und Kraftstoff gegenseitig sehr stark. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass wir in der Schlussphase des Rennens nicht mit zuviel oder zuwenig Sprit unterwegs sind", erklärt Taffin.

Taffin rechnet mit Hitze

"Die Art der einzelnen Kurven unterscheidet sich stark: In einigen bleiben die Fahrer bis über den Scheitelpunkt hinaus auf Halbgas, in anderen ist das klassische Bremsen, Einlenken, Gasgeben angesagt. Diese Unterschiede ermöglichen eine gewisse Flexibilität in der Kraftstoffstrategie", schildert der Renault-Einsatzleiter.

"Üblicherweise ist es beim Ungarn-Grand Prix sehr heiß - auch wenn wir in dieser Saison anscheinend vom Regen verfolgt werden. Die hohen Lufttemperaturen und das langsame Durchschnittstempo verlangen naturgemäß nach einer effizienten Motorkühlung. Weil die Teams hier jedes einzelne Kilo aerodynamischen Abtrieb brauchen, können wir nicht einfach hingehen und die Kühlöffnungen vergrößern", bedauert er.

"Wir haben die Motorenspezifikationen für den Hungaroring deshalb auf unseren Prüfständen in Viry intensiv im unteren Drehzahlbereich und bei hoher Umgebungstemperatur vorbereitet", berichtet Taffin. "Wenn das Rennen erst einmal läuft, können wir kaum noch etwas an den Kühlmitteltemperaturen ändern, es ist also entscheidend, dass wir die Kühlung in den Freitagstrainings in den Griff bekommen."