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  • 02.11.2011 17:13

Renault ab 2012 mit professionellem Renn-Simulator

Renault-Technikchef James Allison erklärt, was den ab März einsetzbaren Simulator von den bisherigen unterscheidet, worauf es beim Bau ankommt und welche Vorteile er hat

(Motorsport-Total.com) - Als letztes Spitzenteam erhält Renault im März einen professionellen Renn-Simulator - dafür wird sogar ein neues Gebäude in Enstone eröffnet. Technikchef James Einblicke in die Geheimnisse der Simulation, schildert die Vorteile eines solchen Geräts und erklärt, worauf man beim Bau achten muss.

Titel-Bild zur News: James Allison

Frage: "James, warum besitzen Teams Simulatoren?"
James Allison: "Schon seit Jahrzehnten arbeiten Teams mit Simulatoren. Es gibt verschiedene Typen und sie werden für viele Zwecke eingesetzt. Zum Beispiel könnte ein Team eine hydraulische Belastungsanlage haben, welche in der Lage ist, einem Querlenker eine Reihe verschiedener Drücke zuzuordnen, die genau die Last simulieren, die auch unter Rennbedingungen auftreten. In diesem Fall kann durch den Simulator kontrolliert sichergestellt werden, dass das Teil seine Leistung bringt, wenn es im Rennen eingesetzt wird."

"Ein Team kann auch eine andere Art des Simulators besitzen, bei dem das Verhalten der Aerodynamik, der Aufhängung, der Reifen, des Getriebes sowie des Motors als eine Serie von Gleichungen genau in einer Computerroutine dargestellt wird. Der selbe Computer hätte dann ein elementares, mathematisches Modell eines Fahrers, der das virtuelle Auto auf einer virtuellen Strecke 'fährt', um dadurch Informationen über das Verhalten des Autos während einer Runde auszuspucken."

"Diese Art Simulator (oft als Rundensimulator bezeichnet), die seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Gebrauch ist, spielt eine wichtige Rolle in der Vorbereitung und Optimierung des Auto-Setups, bevor es an die Strecke geht. Beispielsweise können Dinge wie Federn- und Flügeleinstellungen in einer virtuellen Umgebung ausprobiert werden - diejenigen, welche die besten Rundenzeiten simulieren, werden beibehalten."

"Der Fahrer bringt eine Leistungsfähigkeit mit, die nicht von Computermodellen produziert werden kann." James Allison

"Der Typ Simulator, um den es in hier geht, ist ein Fahrer-im-Kreislauf-Simulator. Dieser ähnelt den Rundensimulatoren, die weiter oben beschrieben wurden. Der große Unterschied: Statt eines mathematischen Modells, gibt ein realer Fahrer den Input, um das virtuelle Auto über die virtuelle Strecke zu lenken."

"Obwohl es einige Probleme mit sich bringt, einen realen Menschen als Fahrer zu benutzen, statt auf ein Computer-Modell zurückzugreifen, bringt der Fahrer eine Leistungsfähigkeit mit, die nicht von Computermodellen produziert werden kann. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber eine einfache Erklärung lautet wie folgt: Es ist noch nicht möglich, präzise wiederzugeben, wie ein Rennfahrer ein Rennauto kontrolliert, wenn der Bolide in Sachen Reifengrip ans Limit gelangt.

"Der Computer ist in der Lage, ein unstabiles Auto in einer Art und Weise zu fahren, wie es ein Mensch nicht könnte. Der Unterschied zwischen richtigem Fahrer und Computermodell führt dazu, dass der Rundensimulator bei seinen Setup-Empfehlungen wichtige Fehler begeht, wenn die Ingenieure versuchen, Änderungen an der Fahrbarkeit des Autos vorzunehmen."

"Wenn man einen realen Piloten in die Simulation einbezieht (die so genannte 'Driver in the loop'-Herangehensweise), kann ein Team die Schwierigkeit umgehen, ein akkurates, mathematisches Modell eines Menschen herzustellen. Der Driver-in-the-loop-Simulator kann Setup-Empfehlungen geben, die das Auto verbessern, welche mit dem Rundensimulator-Ansatz niemals möglich wären."

Frage: "Wird der neue Simulator den bisherigen ersetzen, oder wird er eine komplett neue Bereicherung?"

"Das ist der erste Driver-in-the-Loop-Simulator in Enstone." James Allison

Allison: "Das ist der erste Driver-in-the-Loop-Simulator in Enstone. Er bringt uns das nötige Potenzial, die anderen Simulatoren, die wir in den vergangenen Jahren benutzt haben, zu ergänzen."

Frage: "Welche Faktoren muss man berücksichtigen, wenn man einen Simulator kreiert?"

Allison: "Wie bei einem Rundensimulator muss es ein mathematisches Modell geben, das genau die Physik eines realen Autos beschreibt. Das ist kein leichtes Unterfangen, aber das zugrundeliegende, richtige Modell ist bei existierenden Simulationsmethoden üblich. Die Hauptunterschiede zum Rundensimulator bestehen darin, einen realen Fahrer in den Mix zu werfen."

"Der Pilot kann nur einen Mehrwert erschaffen, wenn die Simulation möglichst genau mit der Realität übereinstimmt, damit der Fahrer das Gefühl hat, ein richtiges Auto zu fahren. Deshalb muss das System sehr vorsichtig designt werden, um sehr genaue, visuelle Darstellungen der Strecken und ihrer Umgebungen liefern zu können. Es muss auch den Sound der Autos genauestens wiedergeben, denn das ist eines der Dinge, an denen sich die Fahrer orientieren, wenn sie bremsen oder den Gang wechseln."

"Schließlich - und das ist die größte Herausforderung - muss es den Fahrer überzeugen. Für Simulatoren ist es nicht möglich, G-Kräfte zu reproduzieren, die ein realer Formel-1-Pilot verspürt. Aber das System ist in der Lage, verschiedene Aspekte des Verhaltens des Autos wiederzugeben - das ist wichtig, um das Gehirn davon zu überzeugen, dass der Simulator wirklich auf einer realen Strecke unterwegs ist."

"Für Simulatoren ist es nicht möglich, G-Kräfte zu reproduzieren." James Allison

Frage: "Wenn der Simulator fertig ist, müssen die Fahrer dann zu jedem möglichen Augenblick hart an den Simulationen arbeiten?"

Allison: "Nein. Sie werden ihn fahren, aber er wird zum Großteil des Arbeitsjahres benutzt werden. Es ist nicht praktisch, die Rennfahrer dafür zu einzusetzen. Der Löwenanteil der Arbeit wird von speziellen Simulator-Entwicklungs-Fahrern geleistet."

Frage: "Dient der Simulator eher zur Verbesserung der Fahrer oder des Autos?"

Allison: Er kann beide Rollen einnehmen. Ein Fahrer könnte ihn benutzen, um das Layout einer Strecke kennen zu lernen oder diverse Aspekte des Fahrens zu erlernen - die Startprozedur beispielsweise. Den Hauptanteil nimmt allerdings die Entwicklung des Autos ein."