• 24.04.2008 12:19

  • von Roman Wittemeier

Red Bull und "der beste Dirigent ohne Orchester"

Red-Bull-Teamchef Christian Horner blickt auf den aktuellen Entwicklungsstand und die anhaltende Arbeit bei der Verbesserung des Autos

(Motorsport-Total.com) - Vier Punkte nach drei Saisonrennen - die Bilanz von Red Bull fällt bislang nicht allzu positiv aus. Nach einer Nullrunde zum Auftakt in Australien konnte Mark Webber in den vergangenen zwei Rennen jeweils in die Punkte fahren. Die Tendenz zur Besserung scheint also da zu sein, doch hat man beim Team nach wie vor verschiedene Baustellen. Ein Großteil der Probleme habe seine Wurzeln im Jahreswechsel 2006/2007, erklärte Christian Horner.

Titel-Bild zur News: Christian Horner

Blickt positiv nach vorne: Red-Bull-Teamchef Christian Horner

"Wir hatten im Winter vor der vergangenen Saison erhebliche Sorgen mit dem Windkanal und das bescherte uns beim RB3 reichlich Probleme. Adrian Newey und seine Leute mussten sich dann erst einmal um diese Sachen kümmern und begreifen, was mit dem Windkanal schief läuft", berichtete der Red-Bull-Teamchef gegenüber 'autosport.com'.#w1#

Der Sturm im Windkanal

"Der RB3 war der erste Wagen, der in Bedford im Windtunnel stand. Er brachte interessante Ergebnisse, die wir in das Auto einfließen ließen. Aber schon nach dem ersten Test, als David Coulthard und Mark ihre Eindrücke schilderten, saß Adrian auf dem Heimweg im Flugzeug und wusste genau, dass da etwas fundamental falsch läuft", so Horner, der später im Jahr gemeinsam mit seiner Mannschaft nur noch Schadensbegrenzung betreiben konnte.

"Adrian saß im Flugzeug und wusste genau, dass da etwas fundamental falsch läuft." Christian Horner

Man zog Konsequenzen aus dem Windkanal-Malheur. Beim Bau des Autos für 2008 schwenkte man von den 50-Prozent-Modellen auf 60-Prozent-Modelle um, zusätzlich hatte man mehr Erfahrung mit der Deutung der Ergebnisse und nicht zuletzt holte man sich mit Peter Prodromou einen anerkannten Fachmann von McLaren-Mercedes, der schon mit Newey zusammengearbeitet hatte.

Nach und nach habe man die eigenen Werkzeuge und deren Ergebnisse immer mehr verstanden, so Horner: "Das ist der Schlüssel. Sonst hast du den besten Dirigenten, aber kein Orchester. Während des Jahres 2007 haben wir dann immer mehr unsere Möglichkeiten zu nutzen gelernt." Doch trotz des Weges der Erkenntnis kam der Aufschwung immer wieder ins Stocken, denn Red Bull wurde im vergangenen Jahr von hartnäckigen Zuverlässigkeitsproblemen geplagt.

Zuverlässigkeit endlich gegeben?

"Wir haben dann unsere Getriebeabteilung umstrukturiert. Das letzte Teilchen im Puzzle war dann noch die Verpflichtung von Geoff Willis. Jetzt haben wir eine gut ausbalancierte technische Mannschaft mit Adrian, der sich um die Verbesserung des Fahrzeuges kümmert und mit Geoff, der die technische Infrastruktur im Blick behält", berichtete Horner von dem Coup, der Red Bull mit der Verpflichtung des Ex-Honda-Mannes gelang.

"Das letzte Teilchen im Puzzle war die Verpflichtung von Geoff Willis." Christian Horner

"Erstmals konnten wir dann im Winter eine kontrollierte Entwicklung machen, eine Evolution mit Kontinuität auch beim Motor. Und wir wurden die Fahrhilfen los, die sicher nicht unsere Stärke waren", beschrieb der Teamchef den Umschwung zum Jahresbeginn 2008. "Unsere Tests waren wirklich gut, wir konnten uns immer mehr steigern. Wir haben unsere Laufleistung verdoppelt und konnten mit unserem Getriebe plötzlich 4.000 Kilometer fahren. Im Jahr zuvor hatten wir Schwierigkeiten, gerade einmal 200 Kilometer schadlos zu fahren."

Auch wenn sich bei Red Bull mit mehreren Aufhängungsschäden zu Beginn der Saison neue Probleme abzeichneten, wähnt sich die Mannschaft um Horner auf einem guten Weg: "Wenn ich zwölf Monate zurückblicke und uns dann jetzt sehe, dann empfinde ich uns nun in einer stärkeren Position. Es gibt bei unserem Auto Stärken, wie zum Beispiel das Verhalten in schnellen Kurven. Da sehen wir sogar im Vergleich zum McLaren gut aus."

BMW Sauber F1 Team als Vorbild
"Aber in langsamen Ecken und bei der Traktion haben wir noch einige Arbeit vor uns. Wir müssen fokussiert arbeiten und möglichst schnell Verbesserungen erzielen, aber das machen unsere Konkurrenten ja leider genauso. Alle arbeiten extrem hart und die Zeit wird es uns zeigen", beschrieb Horner die weitere Marschroute. Red Bull hat in diesem Jahr sogar schon einen kleinen Trend gesetzt. Die verlängerte Motorabdeckung am RB4 wurde zuletzt beim Barcelona-Test als Kopie am Renault gesichtet.

"Wir müssen nicht nur Renault schlagen, sondern alle anderen vor uns." Christian Horner

"Renault ist eine gute Benchmark für uns", so der Red Bull Teamchef über den identisch motorisierten Konkurrenten. "Sie sind unsere Meßlatte, denn sie waren vor zwei Jahren Weltmeister und haben einen zweifachen Champion im Auto sitzen. Aber wir müssen nicht nur Renault schlagen, sondern alle anderen vor uns. Wir sind zuversichtlich bezüglich unserer weiteren Fortschritte." Webber hatte Alonso in den vergangenen beiden Rennen auf jeden Fall im Griff.

"Wie man bei BMW sehen kann, gibt es manchmal erstklassige Entwicklungen. Man entdeckt irgendwo neues Potenzial und zack, macht man einen großen Satz nach vorn. Im Moment sind die drei Topteams vorne etwas weit weg, aber mit den neuen Regeln im kommenden Jahr können die Karten schon ganz neu gemischt sein. Jetzt haben wir schon fast Formel-3-Verhältnisse. Mit den eingefrorenen Motoren und der Standard-Elektronik, kommt es nun fast nur noch auf das Chassis und den Fahrer an."