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Red Bull findet: Pirelli sollte Bahrain-Wintertest bezahlen

Toto Wolff ärgert sich, weil Mercedes zuerst als "Panikmacher" bezeichnet wurde, Pirelli jetzt aber plötzlich doch auf einen Reifentest in Bahrain pocht

(Motorsport-Total.com) - Hinter den Kulissen der Formel 1 entbrannte am vergangenen Wochenende wieder einmal einer jener Kleinkriege, die dem Image des Sports so sehr schaden. Diesmal geht es um die Wintertests vor der Saison 2017. Die sollen eigentlich von 27. Februar bis 2. März und von 7. bis 10. März in Barcelona stattfinden. Doch plötzlich gibt es Kräfte, die den zweiten Test lieber in Bahrain absolvieren würden.

Titel-Bild zur News: Paul Hembery und Niki Lauda

Paul Hembery und Niki Lauda setzen sich für einen Bahrain-Wintertest ein Zoom

Größter Treiber hinter der Bahrain-Idee ist Pirelli. 2017 werden neue (breitere) Reifen eingeführt, die bis zum 27. Februar nicht mit den neuen Autos getestet werden können. Tests mit umgebauten Übergangsautos, wie sie jetzt schon stattfinden, sind aber nur bedingt aussagekräftig. Und weil Barcelona Anfang März laut Klimatabelle frische acht bis 15 Grad Celsius kühl bleibt, wäre Bahrain (18 bis 25 Grad) besser geeignet, um die Sicherheit der Reifen im Grenzbereich zu überprüfen.

"Das Risiko in Barcelona ist: Im Februar kannst du dort eine schlechte Woche erwischen, in der es morgens klirrend kalt ist und tagsüber nicht warm genug wird, um die Reifen in einen kritischen Bereich zu bekommen", kann Mercedes-Sportchef Toto Wolff das Anliegen von Pirelli verstehen. Mercedes führt jene Teams an, die sich eine Last-Minute-Umbuchung von Barcelona nach Bahrain zumindest vorstellen können.

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"Pirelli", erklärt Wolff, "bittet um repräsentative Tests auf einer Strecke, auf der sie tatsächlich etwas lernen können, wo die Reifen im richtigen Temperaturfenster sind, und Bahrain hat sich dafür angeboten. Bernie ist auch dafür. Niki (Lauda; Anm. d. Red.) hat sich dafür eingesetzt, weil wir glauben, dass wir Pirelli alle Möglichkeiten eröffnen müssen, diese neuen Reifen ordentlich zu testen."

Aber die große Frage ist: Wer soll das bezahlen? Die Kostendifferenz für einen Test in Barcelona und einen Test in Bahrain liegt je nach Team bei 450.000 (Größenordnung Williams) bis 800.000 Euro (Größenordnung Red Bull). Insbesondere die kleineren Teams sehen nicht ein, warum sie für diese Mehrkosten aufkommen sollten, zumal die Strecke in Barcelona bereits gebucht ist.

"Ich habe ein Problem damit, 400.000 Pfund auszugeben." Pat Symonds

"Ich habe ein Problem damit, 400.000 Pfund auszugeben", sagt Williams-Technikchef Pat Symonds. "Das ist ein signifikanter Teil unseres Budgets, aber ein weniger signifikanter Teil des Budgets von Mercedes oder Ferrari." Wolff sieht das ein: "Ich kann das Argument verstehen. Wenn wir nach Bahrain gehen und die Kosten dafür wesentlich höher sind als in Barcelona, dann ist es nur fair, über diese Kosten zu reden."

Pirelli will nicht zahlen

Also wäre naheliegend: "Wenn Pirelli will, dass wir in Bahrain testen, dann sollen sie sich halt an den Kosten beteiligen", findet Red-Bull-Teamchef Christian Horner, der die Fraktion der Bahrain-Gegner anführt. Doch das kommt für Pirelli nicht in Frage: "Wir bringen uns schon mit einem signifikanten Betrag ein. 70 Prozent davon bekommen sowieso die Teams", weist Sportchef Paul Hembery gegenüber 'Motorsport-Total.com' auf die Millionenbeträge hin, die Pirelli als Sponsor in die Formel 1 investiert.

"Wir mussten auch enorm investieren, um die breiteren Reifen zu entwickeln. Wir haben das Gefühl, dass das für die Formel 1 der richtige Schritt ist, also haben wir uns dazu bereiterklärt. Aber es gibt eine Grenze. Wenn es Barcelona sein muss, dann gehen wir halt nach Barcelona", lehnt er einen Zuschuss für die Teams ab. Damit steht für Horner fest: "Dann würde es darauf hinauslaufen, dass Bernie zahlen muss. Wir alle kennen die Antwort darauf. Also sehen wir uns in Barcelona!"


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Tests in Barcelona und Bahrain?

Also kam ein Kompromissvorschlag auf: Die Teams, die nach Bahrain gehen wollen, gehen mit Pirelli nach Bahrain - die anderen aber bleiben in Barcelona. Das hat zwei Kehrseiten. Erstens: Wenn statt elf nur fünf oder sechs Teams in Barcelona testen, wird die Streckenmiete pro Team teurer. Dagegen werden Williams und Co. protestieren. Zweitens: Es gibt eine Vereinbarung der Teams, die einen Paralleltest an zwei unterschiedlichen Standorten unterbindet.

"Wir haben eine Testvereinbarung, in dem die Regeln sehr klar definiert sind", erklärt McLaren-Teamchef Eric Boullier. "Wenn wir testen, dann alle auf der gleichen Strecke und im gleichen Zeitraum. Daran müssen wir uns halten." McLarens Position ist übrigens eine seltene: Hauptsache alle testen auf einer Strecke - aber ob das Barcelona oder Bahrain ist, ist uns ziemlich egal.

"Wenn wir testen, dann alle auf der gleichen Strecke und im gleichen Zeitraum." Eric Boullier

Dass ein Test außerhalb Europas aufgrund der Testvereinbarung unmöglich sein soll, will Pirelli so nicht wahrhaben: "Wir haben mit den neuen Antriebseinheiten schon in Bahrain getestet. Also kann mir keiner erzählen, dass das nicht möglich ist", sagt Hembery. Eine Lösung muss jedenfalls "in den nächsten paar Wochen" her, fordert Wolff: "Der Ball liegt bei Pirelli und der FIA. Sie müssen sich anschauen, was für Pirelli erforderlich ist, um die Reifen ordentlich zu testen. Dann werden wir uns überlegen, wie wir das auch für die kleineren Teams ermöglichen können."

Wolff: Barcelona-Test wäre kein Weltuntergang

"Wenn es am Geld scheitert, müssen wir das Thema diskutieren. Sonst bleiben wir in Barcelona. Das war ohnehin von Anfang an der Plan", relativiert er die ganze Diskussion. Dass weder Pirelli noch die FOM sich bereiterklärt haben, die Kosten für den Bahrain-Test zu tragen, leuchtet dem Mercedes-Sportchef ein: "Wir leben in einer Welt, in der es darum geht, Profite zu erwirtschaften. Da hebt keiner die Hand und sagt: 'Hier habt ihr fünf Millionen von mir!'"

Ärgerlich findet Wolff, dass der Bedarf nach einem Bahrain-Test überhaupt so spät entstanden ist. Eigentlich waren die Formel-1-Teams davon ausgegangen, mit dem Testprogramm mit umgebauten Übergangsmodellen auszukommen. Nun sagt Pirelli, dass diese Tests mit den Simulationsdaten nicht übereinstimmen und die 2017er-Autos viel mehr Anpressdruck generieren werden. Wolff: "Es kann doch nicht sein, dass wir das im Oktober merken!"

Esteban Gutierrez

Bisher finden die 2017er-Reifentests nur mit Übergangsautos statt Zoom

"Diejenigen, die diese Regeländerung wollten", schimpft er, "haben uns als Panikmacher bezeichnet, weil wir damit gerechnet haben, dass wir extrem viel mehr Anpressdruck haben werden. Jetzt finden wir plötzlich raus: 'Ups, ist ja wirklich viel mehr als erwartet!' Und dann sind da die Teams, die nicht alle Informationen freigeben, und deswegen tappt Pirelli jetzt im Dunkeln. Sie wissen nicht, was sie nächstes Jahr erwartet. Das ist keine gute Situation."

Alternative: Test nach dem Bahrain-Grand-Prix?

Sollte es im Winter bei zwei Barcelona-Tests bleiben, wäre noch eine andere Möglichkeit denkbar, mit der die Teams zumindest einen Schritt auf Pirelli zugehen könnten. "Nach dem Grand Prix in Bahrain zu testen, finde ich vernünftig", sagt Symonds über einen Test am 18. und 19. April. Zwischen dem zweiten Saisonrennen in China und dem dritten in Bahrain liegt nur eine Woche. Einen Test könnte man gleich in einem Aufwasch mitnehmen.

"Vergessen wir nicht die ersten vier Rennen", erklärt Horner, der Urheber dieser Idee. "In Melbourne kann es ziemlich frisch sein, China ist meistens recht kühl, Bahrain ist ein Nachtrennen und auch Russland kann auf der kühleren Seite sein. Vielleicht wäre ein vernünftiger Ansatz, nach dem Rennen in Bahrain zu bleiben und dort zu testen, wenn sowieso schon alle das ganze Equipment und Personal dort haben."


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Fortsetzung folgt.