Ratlose Vettel-Rivalen tappen im Dunkeln
Während die Rivalen für die restliche Saison schwarz sehen, weiß Vettel nicht, was er gegen die Buhrufe tun soll, will sich die Party aber nicht vermiesen lassen
(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel fährt in der Formel 1 derzeit in einer eigenen Liga. Der Weltmeister dominiert seit Beginn der zweiten Saisonhälfte die Rennen - Siege in Spa-Francorchamps, Monza und Singapur waren die Folge. Die Triumphe in Belgien und Italien waren beeindruckend, weil man dort Red Bull eigentlich nicht besonders stark eingeschätzt hatte, beim Nachtrennen in Singapur konnte Vettel dementsprechend noch ein Scherflein nachlegen und degradierte seine Rivalen zu Zuschauern.
© Red Bull
Sebastian Vettel degradiert seine Rivalen derzeit zu Statisten Zoom
Vor allem in den ersten Runden des Rennens und unmittelbar nach Safety-Car-Phase fuhr sich der Red-Bull-Pilot stets ein Polster auf seine Verfolger heraus. Vor Jahren gab es diesbezüglich schon einmal Gerüchte, das Weltmeister-Team würde mit dem Reifendruck experimentieren, doch Lewis Hamilton ist davon überzeugt, dass dies bloß die Überlegenheit des Autos zeige.
Hamilton: Zeigt Red Bull nur einen Teil des Potenzials?
"Das ist einfach das wahre Tempo ihres Boliden", sagt der Mercedes-Pilot. "Vielleicht haben sie ja noch viel mehr in der Hinterhand, also wir zu sehen bekommen, und sie spulen einfach nur ihre Runden ab. Zu Beginn des Rennens und beim Restart geben nämlich alle Vollgas, es sollte also keinen Grund geben, dass sie so viel schneller wegziehen können."
Hamilton hat aus diesem Grund auch die Onboard-Aufnahmen Vettels studiert - ihm viel wie Ex-Teambesitzer Giancarlo Minardi, der diese Beobachtung an der Rennstrecke machte, auf, dass Vettel früher aufs Gas steigen kann als alle anderen: "Er gibt zumindest 20 Meter früher Vollgas als alle anderen, und das ist ein großer Vorteil."
Seinem Team fällt darauf laut Hamilton kein Rezept ein: "Wir können nicht wirklich etwas dagegen unternehmen. Wir verlangen ständig mehr Abtrieb an der Hinterachse, wollen immer die Möglichkeit haben, früher aufs Gas zu steigen. Das letzte Mal, als ich so rasch das Pedal durchdrücken konnte, war 2007, als wir noch die Traktionskontrolle hatten."
Massa rechnet mit weiteren Vettel-Siegen
Ferrari-Pilot Felipe Massa rechnet nicht damit, dass sich das Kräfteverhältnis in den verbleibenden Saisonrennen großartig ändern wird: "Wenige Teams werden von jetzt bis zum letzten Rennen neue Teile haben - ich gehe also davon aus, dass er ähnlich wie beim vergangenen Rennen weitere Siege feiern wird. Da war sein Tempo deutlich besser als das der anderen." Zudem stehen weitere Kurse auf dem Programm, wo Abtrieb ein Schlüsselfaktor ist: "Dort ist ihre Performance immer gut."
Wodurch Red Bull aber seit der Sommerpause so enorme Fortschritte gemacht hat, sorgt bei der Konkurrenz aber derzeit noch für Rätselraten. "Aber sie haben es geschafft, irgendetwas zu finden, das ihre Rundenzeit deutlich verbessert", fällt Lotus-Pilot Romain Grosjean auf. "Platz zwei ist also derzeit für uns wie ein Sieg." Paul di Resta ist hingegen der Meinung, dass es die Kombination Vettel-Red-Bull "nicht erst dieses Jahr, sondern in den vergangen vier Jahren funktioniert hat."
Dass die Konkurrenz Vettel derzeit nicht das Wasser reichen kann, habe laut seinem Landsmann Adrian Sutil auch damit zu tun, dass der Red-Bull-Star gerade einen Lauf hat: "Wenn man einmal an der Spitze ist, gewinnt und sich gut fühlt, dann fährt man noch einmal besser. Er ist sehr gutmütig zu den Reifen. Es ist einfach die perfekte Kombination im Moment. Beeindruckend, wie sie arbeiten."
Vettel will Buhrufe nicht überbewerten
Das stößt aber nicht überall auf so viel Lob wie beim Force-India-Pilot. Vettels Dominanz sorgt bei den Grands Prix derzeit schon nach wenigen Runden für klare Verhältnisse im Kampf um den Sieg - Erinnerungen an Michael Schumachers Triumphfahrten vor rund zehn Jahren werden wach. Zuletzt mehrten sich auch die Zuschauer, die Vettel, der kompromisslos alles für den Sieg tut, bei der Siegerehrung ausbuhten.
Zumindest nach außen lässt sich Vettel dadurch nicht aus der Ruhe bringen. "Es ist ja nicht so, als würde jeder da rumschreien", relativiert er die negativen Reaktionen des Publikums bei den vergangenen Grands Prix. "Von hundert Leuten sind es vielleicht zehn, die Buh rufen. Ich glaube, es ist normal, dass jeder sein eigenes Team unterstützt. In dem Moment waren es, meine ich, Ferrari-Fans, die halt nicht so glücklich waren, dass wir wieder mal vor Ferrari die Zielflagge gesehen haben."
Er vergleicht die Situation mit der Entscheidung eines Schiedsrichters beim Fußball, die bei manchen gut und bei manchen schlecht ankomme. "Es wäre aber in diesem Augenblick falsch, das Abseits nicht zu pfeifen", deutet er an, dass es keinen Grund gäbe, sein Verhalten zu ändern. "Bei uns ist es so: Wenn man seine Leistung bringt, kann man auch stolz darauf sein. Dann muss man es nicht so ernst nehmen, wenn es andere nicht so sehen."
Muss Vettel das Team wechseln?
Ganz egal sei ihm die Reaktion des Publikums dann aber doch nicht: "Es ist natürlich nicht toll, wenn man in diesem Moment feiern will, und da stehen ein paar Leute, die Buh rufen. Und wenn mal einer anfängt, gibt es immer einen nächsten, der mitmacht." Die Freude am Siege nähmen ihm die Buhrufe aber nicht - "ganz im Gegenteil".
Doch was kann Vettel nun tun, damit die negativen Reaktionen der Fans verstummen? Das Ende seiner Siegesserie wäre eine Möglichkeit, doch diesen Gefallen wird ihnen der ehrgeizige Vettel zumindest nicht freiwillig machen. Ex-Formel-1-Pilot und 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer hat gegenüber 'Sky' einen anderen Vorschlag: "Für ihn wäre in Zukunft ein Wechsel gut - dann wäre das Image, dass er nur in einem Red Bull gewinnen kann, endlich weg, und auch die Pfiffe würden verstummen."
