• 17.03.2006 14:00

  • von Hust / Stracke

Ralf Schumacher: "Von Siegen sind wir weit entfernt"

Der Toyota-Pilot analysierte nach dem Freien Training in Malaysia ausführlich die Probleme, mit denen sein Team im Moment zu kämpfen hat

(Motorsport-Total.com) - Das Toyota-Team erlebte einen Saisonauftakt zum Vergessen. Im Qualifying schaffte es keiner der Fahrer in die Top 10, Jarno Trulli war auf dem 14. Rang liegend der "Beste", im Rennen war es dann Ralf Schumacher, der als 14. die Nase vorn hatte.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher: Eigentlich wollte Toyota in diesem Jahr Siege einfahren...

Weil man die Bridgestone-Reifen einfach nicht auf Temperatur bekam, fehlten "Dreistoppler" Ralf Schumacher auf die schnellste Rennrunde 1,704 Sekunden, bei Jarno Trulli, der wie die Top-Leute auf zwei Boxenstopps setzte, waren es gar 2,444 Sekunden. Für den Rennstall, der vor dem Saisonbeginn von Siegen sprach, war das natürlich eine echte Blamage.#w1#

Eine schnelle Lösung des Problems ist unwahrscheinlich

Zum Leidwesen der Japaner konnte man das Problem vor Ort nicht in den Griff bekommen: "Wir versuchten natürlich, etwas an den Einstellungen zu verändern, aber innerhalb von einer Woche ist das einfach unmöglich. In Bahrain haben wir alles Mögliche versucht, das hat jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis geführt."

Im Freien Training zum Großen Preis von Malaysia lief es deutlich besser, nicht zuletzt deshalb, weil die Luft 37 Grad warm war, der Asphalt gar 44 Grad. Da brachte man die Reifen besser auf Temperatur. Läuft es in zwei Wochen in Melbourne, wo es deutlich kühler sein wird, erneut so schlecht wie in Bahrain?. "Das Risiko besteht natürlich, aber ich möchte jetzt erst einmal abwarten, wie es hier weiterläuft, es ist ja erst Freitag", so Ralf Schumacher. "Wir werden das erst nach dem Qualifying und dem Rennen beurteilen können."

Hat Toyota wirklich nur ein Problem mit der Reifentemperatur?

Ralf Schumacher Jarno Trulli

In Bahrain fuhren beide Toyota der Konkurrenz hinterher Zoom

"Wenn wir auch hier sehr weit hinterherhinken, dann gibt es sowieso noch eine weitere Ursache, die wir bisher nicht gefunden haben. Es würde dann etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, diese zu beheben", warnt der Familienvater. "Aber davon gehe ich im Moment nicht aus. Ich werde am Sonntag direkt zurückfliegen und zwei Tage in Paul Ricard testen. In Melbourne werden wir andere Reifen bekommen, die sicherlich etwas besser sein sollten."

Ob sich die Probleme schnell abstellen können, diese Frage wagt der 30-Jährige nicht zu beantworten: "Ich war schon in Bahrain der festen Überzeugung, dass sich das Problem dort lösen wird. Da bin ich im Moment etwas überfragt."

Toyota kämpft im Heck- und Frontbereich mit fehlendem Grip

"Wir haben sowohl im Heckbereich als auch vorne Probleme, aber es macht sich meistens hinten mehr bemerkbar, so wie jetzt in Bahrain", so Ralf Schumacher weiter. "Wenn man beim Einlenken oder beim Beschleunigen eine schlechte Traktion hat, dann verliert man natürlich viel Zeit."

"In Bahrain war es so gewesen, dass wir beim Einlenken Untersteuern hatten, in der Kurve wurde dann das Heck nervös und beim Herausbeschleunigen hatten wir durchdrehende Räder - es fehlte uns also überall an Haftung", erläutert der Rennfahrer.

Ein Bild sagt mehr als...

Ralf Schumacher

Schon bei den Testfahrten hatte Ralf Schumacher so seine Probleme... Zoom

Für einen Fahrer ist es schwierig, zu analysieren, wo das Auto schlechter liegt als jenes der Gegner, wenn man auf der Strecke ist: "Das erste Problem ist, dass man keine Runde hinter jemandem herfahren kann, wenn dieser deutlich schneller ist als du. Natürlich bekommt man eine Ahnung, wenn man sieht, wo der andere ungefähr bremsen kann, oder wie er einlenken kann. Man sieht anhand der Onboard-Aufnahmen wirklich mehr. Da sieht man einfach besser, wie der Fahrer einlenkt und was das Auto macht."

Vom Regen in die Traufe..."

Bei seinem früheren Arbeitgeber Williams kämpfte Ralf Schumacher mit dem gegenteiligen Problem: "Dort hatten wir das Problem, dass wir immer Reifen 'aufgefressen' haben. Das haben wir über die Jahre nie in den Griff bekommen, trotz allen Veränderungen, die wir durchgeführt haben - Veränderungen am Fahrwerk, der Aerodynamik oder was auch immer."

Der Rennstall aus Köln kämpft nun mit dem gegenteiligen Problem: "Dieses Auto tendiert dazu, den geringsten Reifenverschleiß zu haben, dies war schon beim 04er und beim 05er so. Wir waren diesbezüglich im vergangenen Jahr weit von allen anderen entfernt. Das hilft uns natürlich jetzt nicht, wo der Bridgestone-Reifen scheinbar etwas mehr Wärme verträgt als der Michelin."

Ralf Schumacher

Ralf Schumacher kann es derzeit nicht heiß genug sein... Zoom

"Dies trifft vor allem auf Strecken zu, auf denen es kühl ist, oder die einen nicht allzu rauen Asphalt haben", erläutert "Schumi II". "Wenn die Reifen nicht sehr beansprucht werden, dann haben wir das Problem, dass wir nie die Temperatur in sie hineinbekommen, die wir bräuchten. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hatte McLaren im vergangenen Jahr zu Beginn ein ähnliches Problem."

Williams düpierte Toyota auf dem gleichen Reifen

"In Bahrain sind wir andere Konstruktionen gefahren als Ferrari", verrät Ralf Schumacher. "Aufgrund der Wetter-Prognose für das Wochenende haben wir die Probleme nicht vorhergesehen. Als wir dann hätten wechseln wollen, war es schon zu spät. Wir hatten aber die gleiche Reifenmischung. Hier fahren wir jetzt auch die gleiche Konstruktion. Williams war in Bahrain jedoch auch auf dem gleichen Reifen wie wir unterwegs." Und Mark Webber und vor allem Nico Rosberg zeigten bekanntlich eine überzeugende Vorstellung...

"Wenn man Toyota vor zwei Jahren gesehen hat... " Ralf Schumacher

Hatte sich Ralf Schumacher vorgestellt, dass Toyota solche Probleme haben könnte, konkurrenzfähig zu werden? "Na ja, ich bin ja gerade mal das zweite Jahr hier", antwortet der Wahl-Österreicher. "Wenn man Toyota vor zwei Jahren gesehen hat... Vergangenes Jahr war sicherlich in Relation ein ausgezeichnetes, mit dem wir sehr zufrieden sein konnten. Entsprechend waren unsere und die Erwartungen von außen für dieses Jahr natürlich viel höher. Wir werden diesen schon noch gerecht werden."

Toyota

Ralf Schumacher glaubt daran, dass Toyota das Ziel WM-Titel erreichen wird Zoom

"Ich glaube, dass viele die technischen Möglichkeiten unterschätzen, die Toyota hat", fährt Ralf Schumacher fort. "Entsprechend hat Toyota ein Bild vor Augen, wie eine solche Erfolgskurve auszusehen hat. Bedenkt man aber, wie viel der Konzern investiert, ist diese Haltung aber verständlich. Es wird ja nicht nur Zeit, sondern auch Geld investiert, und das muss sich ja irgendwann einmal rechnen."

Der Mutterkonzern setzt das Rennteam unter Druck

Ohne Zweifel steht man in Köln also unter Erfolgsdruck, das weiß auch Ralf Schumacher: "Bei uns ist Japan allgegenwärtig. Es gibt ja im Zeitalter der Computer keine Distanzen mehr. Wir haben auch einen Führungskreis aus Japan vor Ort, der sich permanent mit Tokio austauscht." Die große Distanz zwischen Köln und Tokio stellt für die Mannschaft also keine Erleichterung dar.

Dass in absehbarer Zeit bei Toyota Köpfe rollen werden, glaubt Ralf Schumacher nicht: "Grundsätzlich ist es natürlich so, dass in einer solchen Organisation Gründe gesucht werden für das, was nicht so funktioniert, wie es funktionieren soll. Das fängt beim Fahrer an und hört beim Reifenmann auf. Jedem, der seine Arbeit nicht so macht, wie er sie machen soll, wird geholfen, dass er es besser machen kann. Personelle Konsequenzen als solche sehe ich da im Moment nicht."

Druck von außen hat Toyota nicht nötig

Jedenfalls brauche das Team keinen Druck von der Führungsetage des Automobilgiganten: "Da braucht von außen nichts zu kommen, das merken wir auch selbst. Das, was wir am Auto kurz vor dem Saisonbeginn verändert haben, hat eigentlich den gewünschten Schritt gebracht. Wir wurden schneller. Natürlich war der Winter kalt und es kamen einige Faktoren zusammen, sodass wir nicht wussten, wo wir stehen. Wir dachten, dass sich das mit den Temperaturen, wo wir hinreisen werden, erledigen wird."

"Ich war über Ferrari wirklich ganz erstaunt. " Ralf Schumacher

Bei Ferrari übrigens war dies der Fall, die Zeiten waren bei den Wintertests teilweise nicht besonders berauschend, aber man war sich sicher, dass dank höherer Temperaturen das Paket funktionieren wird. So war es dann auch. "Ich habe das überhaupt nicht nachvollziehen können, wo Ferrari herkommt", wundert sich Bruder Ralf über die starke Vorstellung von Michael Schumacher am ersten Rennwochenende. "Wir müssen dieses Wochenende noch einmal abwarten, aber ich war wirklich ganz erstaunt."

Ralf Schumacher weist aber auch auf einen Vorteil hin, den Ferrari hat: "Sicherlich darf man nicht unterschätzen, dass ein Partner schon fünf oder sechs Jahre mit einem Reifenhersteller zusammenarbeitet. Wir machen das jetzt gerade einmal seit vier oder fünf Monaten. Am Ende des Jahres werden wir sicherlich eine Ahnung haben, warum das hin und wieder nicht funktioniert hat."

Ralf Schumacher hält am Ziel WM-Titel fest

Unabhängig der aktuellen Probleme hält Ralf Schumacher weiterhin an seinem Ziel fest, mit Toyota Weltmeister zu werden: "Ich hatte ja nicht gehofft, dass ich dieses Jahr Weltmeister werde. Damit habe ich auch nicht gerechnet. Natürlich ist es klar, dass wenn wir so weitermachen, wir nicht um die Weltmeisterschaft fahren werden. Aber man darf das Team nicht unterschätzen, es hat schon Vorteile, hier zu sein. Alle sind sehr motiviert, ich habe schon andere Teams erlebt, da ist man in ein großes Loch gefallen. Hier konzentriert sich jeder auf seine Arbeit, sieht kein Gesicht und das macht eine Menge aus."

"Ich glaube schon, dass wir relativ schnell wieder aus diesem Loch herauskommen. Ich sage absichtlich relativ, denn ich kann es im Moment selbst relativ schlecht einschätzen. Es ist natürlich klar, dass wir um Siege mitfahren wollten und wollen und dass wir diesbezüglich im Moment davon zu weit entfernt sind. Zu unserer eigenen, kleinen Entschuldigung muss sich jedoch sagen, dass dieses Jahr viele Teams sehr eng beisammen liegen. Das kann keine Entschuldigung sein, denn wir sollten natürlich besser sein, aber es erschwert die Sache."