• 06.09.2001 10:29

  • von Marcus Kollmann

Ralf Schumacher im Interview

Der 26-Jährige über die Bedeutung der Elektronik in der F1, seinen Sieg in Imola, sein großes Ziel, seinen Bruder und anderes

(Motorsport-Total.com) - BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher liegt derzeit mit 44 WM-Punkten an vierter der Stelle der Fahrerweltmeisterschaft, nachdem er vergangenes Wochenende beim Großen Preis von Belgien nur als Siebter die Ziellinie überquerte, obwohl er von seiner ursprünglichen Startposition von Startplatz zwei aus eigentlich gute Chancen auf einen Platz auf dem Podium gehabt hätte. Der Grund, weshalb es dazu nicht kam, ist hinlänglich bekannt: Die Mechaniker des Teams hatten den FW23B des Deutschen beim Re-Start des Rennens nach der Unterbrechung infolge des Irvine-Burti-Unfalls vergessen abzubocken. So musste der Wahl-Österreicher anschließend von der letzten Startposition aus in den Grand Prix starten.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher (BMW-Williams)

Ralf Schumachers Ziel ist der Gewinn der Weltmeisterschaft, sonst nichts

Aber nicht nur Menschen machen in der Hektik oder in außergewöhnlichen Situationen Fehler, sondern auch die Technik funktioniert nicht immer so wie sie es soll. In dieser Saison gab es genügend negative Beispiele dafür, was passieren kann wenn die Elektronik einmal versagt. Ohne Zweifel spielt die in der modernen Formel 1 eingesetzte Technologie in Form immer raffinierterer, leistungsfähiger Elektroniken und Systeme eine bedeutende Rolle. Grund genug, weshalb Ralf Schumacher in einem Interview mit 'bmw.williamsf1.com' einmal auf den Stellenwert der Elektronik in einem Formel-1-Boliden zu sprechen kam und darüber hinaus beschrieb, wie er selbst seinen Sieg in Imola erlebte.

Frage: "Worin besteht das Geheimnis in der heutigen Motorsportzeit die Daten richtig zu nutzen?"
Ralf Schumacher: "Nun, im Motorsport wimmelt es geradezu von Technologie und das beginnt bereits in der Formel 3, zumindest war es so als ich dort fuhr und wir Fahrer die ganzen Daten zu analysieren hatten. Am Ende kommt es darauf an, dass man die Daten richtig interpretiert und dieses Wissen dann bei der Ausnutzung der Leistungsfähigkeiten des Motors nutzt."

Frage: "Ist die Datenmenge und sind die Informationen seit damals mehr geworden?"
Schumacher: "Oh ja, natürlich. Ich denke, dass man als Fahrer so um die 20 Prozent der Daten selbst analysiert. Im Auto steckt mittlerweile sehr viel an Technologie und es werden so viele Werte durch die ganzen Sensoren abgelesen die wir wahrscheinlich nicht verstehen würden."

Frage: "Also müssen an diesem Punkt die Ingenieure eingreifen?"
Schumacher: "Ja, genau, wir haben für jedes Auto zwei Ingenieure die sich genau darum kümmern."

Frage: "Und auf welche Aspekte konzentrierst du dich bei der Analyse?"
Schumacher: "Grundsätzlich auf die mit der Aufhängung und der Aerodynamik zusammenhängenden Sachen. Einfach die Daten, welche ich benötige und die sich rein auf das Fahrzeugverhalten beziehen."

Frage: "Bist du der Meinung, dass die gewonnenen Datenwerte deine Erfahrungen, welche du beim Fahren sammelst, bestätigen?"
Schumacher: "Für mich tun sie das. Was eigentlich ein wenig überraschend ist, ist die Tatsache, dass die Ingenieure heutzutage so gut wie alle Einzelheiten des Fahrzeugsverhaltens nachvollziehen können. Ich meine, vor zwei oder drei Jahren musste man als Fahrer alles detailliert erklären und dies manchmal den Ingenieuren mit Händen und Füßen verdeutlichen. Heute ist dem nicht mehr so. Wenn ich meine Runden fahre und anschließend auf dem Weg zurück an die Box bin, ist der Ingenieur bereits bestens über die Performance des Autos informiert. Er liest einfach die Telemetriedaten und weiß Bescheid."

Frage: "Hast du irgendwelche Ideen in Bezug auf die weitere Entwicklung der Technolgie, wie es sich entwickeln wird?"
Schumacher: "Nein, nicht wirklich, denn ich beschäftige mich damit nicht viel. Ich glaube, dass wir weiterhin einen Fahrer, der das Auto steuert, benötigen werden. Allerdings sollte meinem Verständnis nach schon heute eine langsam gefahrene Runde ohne Fahrer im Cockpit möglich sein."

Frage: "Wie siehst du den Einfluss den die Technologie auf den Sport hat?"
Schumacher: "Nun, da die Technologie ja jedem zur Verfügung steht, darüber hinaus die Formel 1 die Königsklasse des Motorsports ist und damit führend sein sollte, und was die Entwicklung und den Nutzen für die Straßen-Pkw anbelangt, so denke ich, dass es nie genug davon geben kann. Wir haben doch die besten Möglichkeiten, um etwas für den Einsatz in den herkömmlichen Pkw zu testen, insofern ist die Richtung wirklich perfekt. In der zurückliegenden Zeit wurden aktive Fahrwerke und ABS benutzt, welche derzeit in der Formel 1 zwar verboten sind, jedoch bei den Serien-Pkw eingesetzt werden. Ich finde aber, dass es Sinn macht, aktive Fahrwerke und ABS zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu verbieten, denn es schien auch einige Probleme gegeben zu haben, auch bezüglich der Sicherheit. Denn wenn das Auto sich nicht so verhält wie man das erwartet, kann es auch ziemlich gefährlich sein. Ich glaube, dass wir die gegenwärtig eingesetzten Technologien noch verbessern können, jedoch sollte es nie so weit kommen, dass es wirklich gefährlich wird sie zu benutzen."

Frage: "Denkst du, dass der Grat zwischen dem Sport und dem Einsatz der Elektroniken schmal ist"
Schumacher: "Ja. Es geht darum, dass man es richtig benutzt. In einem Straßen-Pkw ist das kein großes Problem, einfach weil die Limits dort niedriger sind als in der Formel 1. Unsere Autos sind viel leichter und wir haben nicht so viele Sicherheitsprogramme und die Sicherheit verbessernde Systeme im Auto. Wie gesagt, in einem Straßen-Pkw ist das alles kein Problem. Ich meine, dort haben wir schon aktive Fahrwerke, mehr oder weniger, in einem guten BMW auf jeden Fall. In einem Formel 1 ist das aber eine schwierigere Angelegenheit."

Frage: "Benutzt du die Telemetriedaten, um deine eigene Leistung auf der Rennstrecke zu verbessern?"
Schumacher: "Als Fahrer gibt man immer sein Bestes, jedoch sind die zusätzlichen Daten, auf die man sich auch verlässt, willkommen. Seit meiner Zeit in der Formel 3 nutze ich diese Möglichkeit und bin daher daran gewöhnt."

Frage: "Was macht dir am meisten Spaß an deinem Beruf als Rennfahrer?"
Schumacher: "Ganz klar das Fahren an sich, denn man ist dort im Auto alleine auf sich gestellt, niemand stört einen, niemand redet, man muss keine Interviews geben und muss auch keine Verkehrszeichen beachten. Man macht einfach das, was man so gerne tut: sich konzentrieren und fahren."

Frage: "Formel 1 ist eine Teamsportart, wenngleich der Fahrer immer im Mittelpunkt steht. Spürst du diesen Druck?"
Schumacher: "Nein. Denn ich konzentriere mich einfach auf meinen Job und dann merkt man nichts von dem Druck. Man will einfach seine Sache gut machen und etwas erreichen, dafür arbeitet man. In gewisser Weise ist die Formel 1 eine Teamsportart, zumindest in dem Punkt, dass man als Fahrer sich auf viele Sachen und die Leute des Teams verlassen muss. Allerdings ist es auf der anderen Seite auch wieder so, dass man allein auf sich gestellt ist und versucht für sich und das Team das Beste zu erreichen. Aber egal ob man gegen seinen eigenen Bruder oder seinen Teamkollegen kämpft, am Ende versucht man immer der Beste zu sein. In diesen Momenten kann ich genau das tun wofür ich bezahlt werde."

Frage: "Hast du irgendwelche speziellen Vorgehensweisen in Vorbereitung eines Rennens?"
Schumacher: "Nein, keine. Ich habe vorher meine Meetings, esse etwas und dann geht es los."

Frage: "Ist es nicht etwas Besonderes, was du verspürst, wenn du auf dem Weg in die Startaufstelllung bist?"
Schumacher: "Nicht wirklich. Es ist ja jetzt meine fünfte Saison und seitdem wir die Launch-control haben kann man kaum noch etwas falsch machen. Der Start ist abhängig von der Elektronik. Vorher war es anders, da hatte man das Problem, dass man den Start versauen und dadurch alles verlieren konnte. Heute ist dem nicht mehr so, alles ist etwas einfacher und die Nervosität ist auch verschwunden."

Frage: "Und fühlst du dich besonders glücklich weil Michael dein Bruder ist?"
Schumacher: "Also ich bin natürlich stolz sein Bruder zu sein, denn Michael hat eine Menge erreicht. Ich denke manchmal, dass es für mich hilfreich und gut gewesen ist, manchmal denke ich aber auch, dass genau das mich etwas in einigen Sachen behindert hat oder das Leben deshalb schwieriger ist. Am Ende ist er aber mein Bruder und nur das ist wichtig. Ich denke, dass wir beide, in einer Art wie wir uns das vorgestellt haben, genau das erreicht haben, was wir erreichen wollten. Ganz klar will ich noch mehr erreichen, aber ich habe ja auch noch etwas Zeit. Warten wir einfach ab."

Frage: "Es muss schön sein, sich gegenseitig zu unterstützen..."
Schumacher: "Es ist toll einfach an einem Rennwochenende zusammen dort zu sein. Manchmal essen wir gemeinsam am Abend oder verbringen die Zeit miteinander. Es ist schön, ja."

Frage: "Vor allem weil es ein anderer Rennfahrer ist?"
Schumacher: "Ja, jemand der einen als Fahrer versteht, jemand mit dem man sich unterhalten kann."

Frage: "Was hast du gefühlt, als du in San Marino als Sieger die Ziellinie überquert hast?"
Schumacher: "Es war ein tolles Gefühl. Aber ich habe darauf auch fünf Jahre gewartet und hatte Ziele die ich erreichen wollte, welche aber nicht wahr wurden. Insofern war es nur ein Punkt auf meiner Liste, nicht mehr. Einen Sieg zu erzielen ist schön, jedoch ist das nicht alles was ich erreichen will."

Frage: "Wird man nicht ein wenig süchtig nach Rennsiegen?
Schumacher: "Nun, vielleicht ein wenig, aber man weiß in seiner fünften Saison und mit den ganzen Bemühungen die das Team und man selbst leistet, dass es eines Tages zu einem Sieg kommen muss. Wir hatten an jenem Tag ein großartiges Auto und es stimmte einfach alles, aber es war jetzt nichts Besonderes."

Frage: "Ehrlich nicht?"
Schumacher: "Es war für mich ein schöner Tag, jedoch schienen die Leute um mich herum sich mehr zu freuen als ich selbst. Wie gesagt, es war schön, jedoch ist mein Ziel der Gewinn der Weltmeisterschaft, nicht der ein einziges Rennen zu gewinnen."