• 27.03.2011 19:53

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

Podestplatz: Ist das der wahre Petrow?

Der steile Aufstieg des Witali Petrow: Intensive Gespräche mit dem Teamchef, viel Vertrauen vom Team und interessantes Lob von der Konkurrenz

(Motorsport-Total.com) - Witali Petrow hat Geschichte geschrieben. Der Renault-Pilot schaffte es beim Saisonauftakt in Melbourne als erster Russe überhaupt, einen Platz auf dem Formel-1-Podest zu erobern. Nach der furiosen Fahrt auf Platz drei stellt sich die Frage: Ist das jetzt der wahre Petrow? Wird nun dauerhaft erkennbar, warum man ihn seit Jahren die "Rakete von Wyborg" nennt?

Titel-Bild zur News: Witali Petrow

Gut gekämpft: Witali Petrow jubelt über seinen dritten Rang in Melbourne

Bei Renault hatte man im vergangenen Jahr phasenweise schon etwas den Glauben an den Russen verloren. In der Öffentlichkeit oft abfällig als "Paydriver" bezeichnet, bestätigte der Youngster das Klischee: viele Ausritte, mehrfach Ratlosigkeit, deutliche Niederlagen im teaminternen Duell gegen Robert Kubica.

Eben jener Pole, der immer noch verletzt im Krankenhaus liegt, war einer der ersten Gratulanten am Sonntag. Per SMS bat er Teamchef Eric Boullier um die Weiterleitung seiner Anerkennung. Diese hatte sich Petrow nicht nur beim etatmäßigen Teamkollegen verdient, sondern auch die Konkurrenz gratulierte.

Zwei ganz Große der Szene brachten ihre Anerkennung auf besondere Art und Weise zum Ausdruck - eher versteckt. So antwortete Weltmeister Sebastian Vettel nach seiner Siegesfahrt auf die Frage, wer in diesem Jahr seine schärfsten Rivalen um den Titel sein könnten: "Es ist recht offensichtlich, welche Namen man nennen muss. Die Jungs, die neben mir sitzen." Und dort saßen Lewis Hamilton und auch jener Witali Petrow.

Der spezielle Freund Alonso

Fernando Alonso hatte sich - wie schon beim Saisonfinale in Abu Dhabi 2010 - rundenlang das Heck vom Petrow-Renault anschauen müssen. Er kam wieder nicht vorbei. "Über die Punkte, die ich auf Petrow verloren habe, bin ich nicht besonders besorgt", sagt der Spanier nach Platz vier garstig. Aber auch ihm ist klar: 2011 begegnen sich die beiden eher mal auf Augenhöhe - zumindest war dies in Melbourne der Fall.

"Ich war immer dazu in der Lage, meine Fahrt zu kontrollieren und meine Reifen zu schonen", schildert der Drittplatzierte vom Saisonauftakt und gibt Alonso einen weiteren verbalen Tritt vor das Schienbein. "In den Schlussrunden ließen die Pneus dann aber nach. Fernando war in der letzten Runde recht nahe. Er hätte aber noch mehr Zeit gebraucht, um mich anzugreifen."


Fotos: Witali Petrow, Großer Preis von Australien


Die Formel-1-Szene staunt über die souveräne und abgeklärte Fahrt des im Vorjahr so oft gescholtenen Piloten. "Vor einem Jahr war er nirgends", sagt sein Teamchef, "aber heute ist er ein neuer Mann." Eben jener Eric Boullier hatte den Russen zwar oft öffentlich unter gewaltigen Druck gesetzt, aber nie an dessen Potenzial gezweifelt. Immerhin hatte Petrow seine Fähigkeiten schon 2010 immer mal aufblitzen lassen.

"Er war im vergangenen Jahr in Ungarn und Abu Dhabi richtig gut. Wenn du zweimal im Jahr solche Leistungen zeigen kannst, dann musst du es eigentlich immer können", so der Ansatz von Boullier. Solche Auftritte wurden im Vorjahr aber immer wieder von unnötigen Fehlern überschattet. Wie der französische Teamchef erklärt, waren es womöglich falsche Vorstellungen von den Erwartungen an ihn, die Petrow übers Ziel hinaus trieben.

Boullier als Ziehvater des Russen

"Wir haben ihm klargemacht, was wir von ihm erwarten und ihm gleichzeitig die Möglichkeiten verschafft, sich als Pilot entsprechend zu entwickeln. Es sieht so aus, als hätten wir einen guten Weg beschritten", sagt Boullier, der sich viel Zeit für seinen Schützling nahm. "Ich habe lange Gespräche mit ihm geführt, habe versucht herauszufinden, warum ihm diese Fehler unterlaufen."

Witali Petrow

Melbourne: Witali Petrow hielt sich souverän vor den starken Konkurrenten Zoom

Der Teamboss stellte schließlich einen Plan auf. Die Mannschaft, die Verantwortlichen und Petrow selbst mussten in gewissen Bereichen umdenken und einen anderen Weg einschlagen. "Es sind viele Komponenten, die dort Abhilfe schaffen können. Der einfachste Schritt ist beispielsweise, dass er nach Großbritannien gezogen ist. So kommen viele einzelne Elemente zusammen."

Man half dem Russen beispielsweise auch dabei, die Kommunikation mit seinem Renningenieur zu verbessern. "Wir mussten ihm dabei helfen, seine Wünsche exakt ausdrücken zu können. Im Gegenzug musste er verstehen lernen, was das Team genau von ihm erwartet", sagt Boullier. Der Druck auf den Piloten ist weiter angestiegen: "Für ein Scheitern in der zweiten Saison fehlen jetzt die möglichen Ausreden."

Petrow jetzt der Teamleader?

Petrow kann froh sein, dass die Renault-Verantwortlichen dermaßen viel Geduld mit ihm hatten. Sie bekommen die Entlohnung nun als dritten Rang von Melbourne. "Es ist schön zu sehen, dass er eine positive Reaktion zeigt", gibt sich Boullier erleichtert. Nicht nur der Teamchef bescheinigt dem Schützling einen deutlichen Aufwärtstrend, sondern auch Technikboss James Allison.

"Er hat sich mit jeder Session weiter gesteigert", sagt der Brite mit Blick auf das Melbourne-Wochenende. "Er war am Samstag im letzten Qualifyingabschnitt so selbstbewusst. Er hat dort nur einen Reifensatz für einen schnellen Versuch verwendet. Das war eine beeindruckende Leistung." Diese Darstellung macht deutlich, dass man in diesem Jahr wohl einen anderen Petrow erlebt.

¿pbvin|512|3555||0|1pb¿"Es ist zwar jetzt erst ein Rennen absolviert. Aber er war wirklich in jeder einzelnen Session auf dem Niveau, das wir von ihm erwartet hatten", lobt Allison. Der Russe hat zumindest in Melbourne ein Niveau gezeigt, das seine Position im Team deutlich festigt. "Wenn er weiterhin solche Ergebnisse einfährt, dann bin ich sogar mehr als glücklich", freut sich Teamchef Boullier.

In Abwesenheit von Robert Kubica hat Petrow das teaminterne Duell gegen Nick Heidfeld deutlich mit 1:0 gewonnen. Ob er nun in die Leaderposition von Kubica rücken könne? "Das seht ihr selbst. Aber ja", so der selbstbewusste Ausruf des "neuen" Petrow. Boullier tritt vorsichtshalber etwas auf die Bremse: "Man kann einem jungen Mann, der erst ein Jahr Formel 1 fährt, nicht so etwas aufbürden." Jedenfalls noch nicht.