Pirelli: Neue Reifen bestehen erste Bewährungsprobe
Reifenhersteller Pirelli hat auf dem Nürburgring den ersten Tag ohne Probleme überstanden - Für die Fahrer ändert sich mit der Neukonstruktion nicht viel
(Motorsport-Total.com) - Gespannt blickten heute alle auf das Freie Training auf dem Nürburgring. Nach dem Reifenchaos von Silverstone war wohl die größte Frage, ob die Pneus den heutigen Tag ohne Probleme überstehen würden. Die Antwort lautet kurz und bündig: Ja. Die neuen Hinterreifen, die einen Kevlar- statt einen Stahlgürtel tragen, hielten den Belastungen in der Eifel gut stand und bekamen Lob von allen Seiten. Das ungewöhnlich trockene Wetter machte es zudem möglich, die neuen Konstruktionen ausreichend zu testen, nachdem Regen in Kanada den ersten Trainingseinsatz der Pneus ins Wasser fallen ließ.

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Paul Hembery kann zufrieden sein: Im Training gab es keine Probleme Zoom
"Heute hatten die Teams Gelegenheit, beide Mischungen mit der neuen Konstruktion für die Hinterreifen zu testen", erklärt Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery. "Es waren erfolgreiche Sessions. Die meisten Teams konnten viel erreichen und haben nun eine gute Ausgangsposition für das morgige Qualifying und das Rennen am Sonntag", freut sich der Brite über einen problemlosen Freitag. Darum will er auch ausnahmsweise mal nichts über mögliche Probleme sagen.
Es sei an der Zeit, auch mal wieder auf die sportlichen Aspekte zu schauen: "Beim soften Slick haben wir einen recht hohen Verschleiß beobachtet. Aber er ist ein sehr schneller Reifen und wird hauptsächlich während des Qualifyings zum Einsatz kommen", erzählt Hembery über die Taktik. "Das Rennen werden die Piloten vor allem mit dem Medium bestreiten. Der Leistungsunterschied zwischen den beiden Mischungen liegt bei rund 1,5 Sekunden pro Runde. Nach dem, was wir heute sahen, gehen wir am Sonntag von zwei Boxenstopps pro Auto aus."
Keine spürbaren Unterschiede
Doch wie hat sich die Generalprobe auf dem neuen Schlappen eigentlich angefühlt? Das können nur die Fahrer beantworten, und die sahen performancemäßig keinen großen Unterschied: "Abgesehen vom Sicherheitsaspekt hat sich nicht viel verändert", findet Sergio Perez, der in Silverstone selbst einer der Leidtragenden des Reifendilemmas wurde. Doch sein Teamkollege Jenson Button glaubt, dass das nur die halbe Wahrheit ist.
"Wenn man sie auf der gleichen Strecke gegentestet, dann würde man es spüren", findet er. Doch so könne auch ein 236-facher Grand-Prix-Teilnehmer keine großen Unterschiede ausmachen. "Die Veränderung hier betreffen uns in erster Linie bei den Einschränkungen", meint er und spielt auf die vorgegebenen Luftdrücke und Sturzwerte sowie das Verbot des Vertauschens der Hinterreifen an. "Deshalb überhitzen bei allen Fahrern die Reifen. Alle müssen damit umgehen."
Ansonsten herrscht aber ein zufriedener Grundtenor im Fahrerlager. Das Thema mit der höchsten Priorität, nämlich die Sicherheit, sollte seitens des Reifenherstellers gut gelöst sein. "Ich rechne nicht damit, dass wir hier wieder explodierende Reifen sehen werden", erklärt Nico Rosberg und findet Unterstützung bei Romain Grosjean: "Es ist gut, dass etwas im Sinne der Sicherheit getan wurde. Wir üben einen gefährlichen Beruf aus. Risiken gibt es im Rennsport immer, aber wir brauchen wirklich keine zusätzliche Gefahr durch defekte Reifen", so der Franzose.
Hembery erwartet keine Kräfteverschiebung
Auch Sebastian Vettel hat einen "sehr positiven Eindruck" von den neuen Pneus gewonnen: "Wir hatten keine Probleme. Wenn ich von 'wir' spreche, dann meine ich alle Fahrer. Ich glaube, kein Team hatte ähnliche Probleme wie in Silverstone - nicht einmal annähernd", so der Red-Bull-Pilot bei 'RTL'. Doch der Deutsche könnte nicht nur aufgrund der verbesserten Sicherheit Lob für die Pirelli-Gummis übrig haben. Groß im Thema steht auch eine Veränderung der Kräfteverhältnisse durch den neuen Reifen, auch wenn Paul Hembery beschwichtigt: "Es sieht nicht danach aus, dass sich das Kräfteverhältnis durch die neuen Reifen großartig verschoben hätte."
Doch das kann man nach dem Training natürlich noch nicht mit Sicherheit sagen. Auch wenn mit Red Bull und Mercedes ausgerechnet jene Teams an der Spitze stehen, denen nachgesagt wird, am meisten von der Einführung der neuen Pneus zu profitieren. "Wir kamen mit den Reifen ganz gut zurecht", bestätigt Vettel. Doch das gefällt natürlich nicht jedem. "Es ist klar, dass die Reifen für die Topteams gemacht werden", beklagt sich Adrian Sutil. "Die Topteams beklagen sich, kriegen es nicht hin, und dann werden die Reifen gewechselt. Und wir müssen damit leben. Sportlich ist das nicht."

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Dieses Bild von Sergio Perez soll der Vergangenheit angehören Zoom
Force India gilt als ein Team, das am meisten durch die neuen Reifen benachteiligt werden könnte, doch unabhängig davon, sprach Teamkollege Paul di Resta die Unterstützung für die Entscheidung zu: "Wir hatten keine Schwierigkeiten in Silverstone, trotzdem war das Ganze natürlich ein Problem, und wir unterstützen die Entscheidung sicherzustellen, dass die Reifen sicher sind."
Das scheint für heute erst einmal funktioniert zu haben, doch morgen steht die nächste Bewährungsprobe für Pirelli auf dem Programm. Sergio Perez ist sich sicher, dass der Reifenhersteller auch diese meistern wird, selbst wenn mal etwas nicht rundlaufen sollte - im wahrsten Sinne des Wortes: "Ich fing mir heute einen ziemlich üblen Bremsplatten ein, hatte aber nie das Gefühl, dass mir der Reifen um die Ohren fliegen könnte. Letztendlich hat er dann auch gehalten. Das ist positiv."

