Pirelli hält Zweistoppstrategie für möglich
Reifenhersteller Pirelli revidiert seine bisherigen Äußerungen und glaubt, dass am Rennsonntag zwei Stopps möglich sind - Leistungen der Reifen variieren sehr stark
(Motorsport-Total.com) - Bahrain stellt die Formel 1 jedes Jahr vor eine große Herausforderung. Die Hitze auf dem Wüstenkurs setzt nicht nur den Fahrern zu, sondern vor allem auch dem Material. Im Vorjahr mussten die Piloten ihre Reifen vor allem im Rennen extrem schonen, ein damals noch aktiver Michael Schumacher schimpfte im Anschluss darüber, dass man mit den Pirelli-Reifen kaum Rennen fahren könne, da sie einfach nicht haltbar genug seien um etwa ein Überholmanöver zu starten.

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Jenson Button will sich bei der Reifenwahl für den Rennsonntag noch nicht festlegen Zoom
Das Freie Training am Freitag machte zwar wieder deutlich, dass einige Teams Probleme mit den hohen Temperaturen hatten - der Asphalt wies bis zu 34 Grad auf -, doch ganz so extrem scheinen die Pneus darunter nicht gelitten zu haben. Laut Pirellis Motorsport-Direktor Paul Hembery könnten manche Teams am Rennsonntag sogar mit zwei Boxenstopps über die Runden kommen.
"Was den Verschleiß angeht, glauben wir, dass zwei Stopps vielleicht möglich sind", so Hembery. "Vor dem Rennen dachten wir, dass drei Stopps die wahrscheinlichste Variante sind, aber anhand der heutigen Daten könnten auch zwei gehen, wenn sich die Strecke noch ein bisschen entwickelt."
Der Leistungsabfall zwischen den beiden gelieferten Mischungen sei heute unterschiedlich stark ausgefallen: "Die Performance-Abweichung zwischen den beiden Reifenmischungen variiert von Team zu Team sehr stark, zwischen einer halben Sekunde und 0,8 Sekunden", sagt Hembery, der offenbar ganz andere äußere Verhältnisse erwartet hatte: "Wir hatten mit mehr Staub und Sand auf der Strecke gerechnet. Daher waren wir auf Körnen der Hinterreifen eingestellt, aber das ist nicht passiert. Das war gut. Das erste Training war besser als normalerweise auf so einer Strecke, und viele sind 22 oder 23 Runden gefahren. Das ist genau das, was wir uns auf so einer Strecke erhoffen.
Reifenentscheidung nicht durch Lobbying der Teams beeinflusst
Angesichts der enormen Reifenverschleißes im Vorjahr änderte Pirelli vor dem Grand Prix in Bahrain den ursprünglichen Plan, die Rennställe mit einer weichen und einer harten Mischung auszustatten. Stattdessen entschied man sich für die mittlere Mischung als Option. Dies habe man den Teams unmittelbar nach dem Rennen in Malaysia mitgeteilt: "Es schien uns angesichts der hohen Temperaturen und der anspruchsvollen Asphaltoberfläche eine logische Entscheidung zu sein."
Die Entscheidung traf Pirelli laut Hembery aber unabhängig von Forderungen diverser Teams. Red Bull hatte sich beispielsweise nach dem Malaysia Grand Prix lauthals über die in ihren Augen mangelhafte Haltbarkeit der Pirelli-Gummis beklagt. Ein Lobbying fand aber offenbar nicht statt. "Die finale Entscheidung liegt bei uns, aber die Teams betreiben da auch kein großes Lobbying", bekräftigt Hembery. "Solange sie gleich behandelt werden und sie wissen, dass sie es selbst in der Hand haben, die Performance zu maximieren, ist das Lobbying minimal. Das war schon die vergangenen Jahre so."
Harter Pirelli-Reifen die begehrteste Mischung?
Im zweiten Freien Training setzten die Teams vor allem die harte Pirelli-Mischung ein. Der Reifen wird wohl auch im Rennen am Sonntag hauptsächlich zum Einsatz kommen, ist der Abbau pro Runde doch mit der mittleren Mischung doppelt so hoch wie mit der harten (0,15 zu 0,3 Sekunden).
Hembery: "Der harte Reifen funktioniert hier gut, weil er für ein sehr hohes Temperaturfenster ausgelegt ist - fast schon zu hoch. Wir müssen dieses Fenster vielleicht ein bisschen für niedrigere Temperaturen nach unten schieben, aber das sind Kleinigkeiten, die nicht in die Richtung gehen, die sich einige wünschen." Im weiteren Verlauf des Wochenendes erwartet Hembery allerdings noch Veränderungen, welche die Reifenwahl noch kippen könnten: "Der Asphalt wird sich weiter verändern. Daher ist es immer noch schwer, ein klares Bild zu erhalten. Abrieb und Verschleiß haben das von uns erwartete Maß. Die Hinterreifen werden besonders beansprucht."
Button bezüglich Reifenwahl noch unschlüssig
Dass die Hinterreifen besonderen Belastungen ausgesetzt sind, musste im Freien Training vor allem McLaren erfahren. Die Traktion ist die große Schwachstelle des MP4-28, worauf Jenson Button am Freitag nach der Session noch einmal hinwies. Mit der Entscheidung Pirellis, eine mittlere statt harte Mischung in den Wüstenstaat zu liefern, zeigt sich Button zufrieden, ist sich allerdings noch nicht sicher, welcher Gummi am Sonntag am besten sein wird.
"Ich denke, dass viele Leute glücklich sind, dass wir hier nicht mit der weichen Mischung fahren müssen", so der Brite. "Was das Fahren über die Distanz angeht, ist es schwierig zu sagen, welche der beiden Mischungen hier die geeignetere ist. Wir haben zwar viele Informationen gesammelt, aber es erscheint dennoch sehr schwierig, die richtige Wahl fürs Rennen zu treffen."
Rosberg: "Reifen sind der Knackpunkt"
Während man bei McLaren noch die Schwachstelle Traktion in den Griff bekommen muss, sieht man bei Mercedes die Situation gelassener. Kein Wunder, gilt der Silberpfeil doch in dieser Saison als deutlich reifenschonender als noch 2012. Während Paul Hembery auf die enormen Zeitunterschiede zwischen den beiden Mischungen hinweist, kann Nico Rosberg keinen großen Leistungsunterschied ausmachen. "Hier ist es recht normal", sagt der Deutsche in Bezugnahme auf den Verschleiß. "Wir werden hier mit beiden Sorten 15 bis 20 Runden fahren können."

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Laut Nico Rosberg muss beim Setup ein Kompromiss gefunden werden Zoom
Auch Toro-Rosso-Pilot Daniel Ricciardo denkt, dass die weichere Mischung am Sonntag ähnlich lange halten wird wie die harte: "Auf den Longruns sieht der weiche Reifen vielleicht nicht schneller aus, aber zumindest gleichwertig von den Rundenzeiten her - und auch von der Haltbarkeit."
Was die Beanspruchung der Reifen angeht, sieht es Rosberg ähnlich wie Button: Die Traktion wird eine wichtige Rolle spielen. Was die Abstimmung angeht, müsse man am Wochenende einen guten Kompromiss finden, denn: "Wenn man per Setup die Hinterreifen schont, dann belastet man die Vorderachse mehr", schildert der 27-Jährige. "Dadurch gibt es mehr Untersteuern. Und mit Untersteuern ist man auf eine einzelne gezeitete Runde im Qualifying sehr langsam."

