• 19.04.2013 20:26

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Perez: Himmelsstürmer auf Talfahrt

Erst rotzfrech, jetzt ganz bescheiden: Der Mexikaner konnte seine Erwartungen an 2013 nicht erfüllen und gibt sich kleinlaut - Sam Michael nimmt ihn in Schutz

(Motorsport-Total.com) - Bei den Topteams der Formel 1 herrschte bis zum vergangenen Winter viel Konstanz in Sachen Personal. Jahrelang saßen in den besten Boliden die gleichen Fahrer, ehe Lewis Hamilton mit seinem Wechsel zu Mercedes den Stein ins Rollen brachte - und Sergio Perez den roten Teppich in Richtung McLaren ausrollte. Der Mexikaner kam mit vielen Vorschusslorbeeren und einer großen Klappe. In den ersten drei Grands Prix im "Chrompfeil" ist er keinem von beiden auch nur annähernd gerecht geworden.

Titel-Bild zur News: Sergio Perez, Sam Michael

Gnädig mit der Jugend: Perez muss sich von Michael keine Vorwürfe anhören Zoom

Im Gespräch mit 'Formula1.com' schlägt Perez deshalb zaghaftere Töne an, als er sie noch im Vorfeld der Saison hatte anklingen lassen. "Früher oder später wird sich bei mir und dem Team der Erfolg einstellen", ist er sich sicher, verliert jedoch kein Wort mehr darüber, dass er gleich im ersten Jahr ein Wörtchen um die WM-Krone mitsprechen wolle. Genau das hatte er mehrmals angekündigt. "Wenn ich ein Auto habe, das in der Lage ist, zu siegen - dann wiederhole ich diese Worte", verspricht Perez.

Momentan kann davon jedoch nicht die Rede sein. Angesprochen darauf, dass es zwischen ihm und dem MP4-28 offenbar keine Liebe auf den ersten Blick gab, bleibt Perez im Sprachbild: "Unsere Beziehung durchlebt derzeit eine Krise, aber ich hatte zwei vernünftige Rennen und nur ein schlechtes Wochenende." Gemeint ist der China-Grand-Prix, denn in Australien war er nur zwei Sekunden hinter Teamleader Jenson Button zurück und wurde in Malaysia von einem Aufhängungsproblem gestoppt.

Pirelli-Reifen Nachteil für Youngster Perez

Auch dem Ex-Weltmeister hatte Perez im jugendlichen Übereifer nach seinem Wechsel den Kampf angesagt, bisher jedoch wirkt er wie eine Nummer zwei im Team - wenn auch nicht weit entfernt. Sam Michael will geduldig sein mit seinem Rohdiamanten. Den Vergleich mit Routinier Button vermeidet er: "'Checo' ist 23 Jahre alt und bei Weitem noch nicht so lange dabei. Die aktuelle Situation in der Formel 1 - mit dem hohen Reifenabbau - macht es für die Youngster sehr viel schwieriger, sich anzupassen."

Leidet Perez also mehr als der Brite unter den Pirelli-Reifen? Der McLaren-Sportdirektor ist jedenfalls davon überzeugt: "Sein Teamkollege ist ein Weltmeister und weiß ganz genau, wie er ein Rennen managt. Beim vergangenen Grand Prix haben fünf Weltmeister die Top 5 gestellt. Das ist kein Zufall", deutet Michael die Ergebnisse und spricht von einem "anspruchsvollen Spiel", das sich nicht mehr rein auf der fahrerischen Ebene entscheidet, sondern längst auch auf einer taktisch-strategischen ausgetragen wird.

"Die Top-10-Piloten sind alle sehr schnell, was ihr Talent angeht. Was den Unterschied macht, ist ihre Erfahrung und die Fähigkeit, sich auf unterschiedliche Situationen einzustellen", betont Michael. Die fahrerische Leistung Perez' in allen Grands Prix lobt er, merkt aber an: "Er muss intensiv darüber nachdenken, was während des Rennens mit seinen Reifen passiert." Michael weiß, welche Messlatte ein Button bedeutet. Er sei kein einfacher Gegner, sondern der erfahrenste Fahrer im Feld und ihm eile der Ruf voraus, fantastisch mit den Pneus umzugehen.

Perez ein "guter Ingenieur"

Für Perez bedeutet das mehr als einen Stallgefährten, der schwierig zu bezwingen ist. Button ist seine Chance, in der Saison doch noch auf die Beine zu kommen. Auch wenn der jungendliche Eifer etwas durchschimmert, will er Waffenstillstand in der eigenen Box und gibt sich vorübergehend geschlagen: "Wir hatten bisher keine Probleme. Jenson war bisher ein guter Teamkollege - und kaum zu bezwingen." Perez fehlende Erfahrung bedeutet jedoch nicht, dass er McLaren nicht voranbringen könnte.


Fotos: Sergio Perez, Großer Preis von Bahrain, Freitag


Michael erklärt: "'Checo' ist sehr schnell, war beim Testen sofort eine Hilfe." Dabei profitiert das Team auch davon, dass sich die beiden wichtigsten Angestellten in beruflicher Hinsicht sehr ähnlich sind. Das Duo in Chrom bevorzuget ein fast identisches Setup mit wenigen Ausnahmen, was zum Beispiel den Frontflügel angeht. Sie fahren keine komplett unterschiedlichen Autos. "'Checo' ist Ingenieur genug um zusagen, wo die Fehler liegen und was verändert werden muss", ergänzt der Sportdirektor das positive Zwischenzeugnis.

Mehr Freude im Straßenverkehr

Sergio Perez

Sergio Perez glaubt erst beim Europa-Auftakt in Barcelona an Fortschritte Zoom

Einen Grund für die intensive Zusammenarbeit mit seinem Stallgefährten nennt Perez auch die Tatsache, dass beide sich derzeit keinen Kampf um die letzte Zehntelsekunden an der Spitze des Feldes liefern, sondern auf bescheidenem Niveau rumkrebsen. "Ich hoffe, dass wir in Spanien wieder die gewohnte McLaren-Leistung abrufen, die es uns erlaubt, an der Spitze mitzukämpfen", blickt Perez, der für McLaren Entbehrungen wie weniger Heimaturlaub und hartes Fitnesstraining auf sich nimmt, voraus. Da ist er wieder, der freche Youngster.

Mit dem Terminstress, den ihm schon Martin Whitmarsh prognostiziert hatte, scheint Perez gut klarzukommen. "Natürlich ist man manchmal eingeschränkt, weil wir große Unternehmen repräsentieren, aber es gibt genügend Freiheiten." Und wenn er schon auf der Strecke nicht an die Resultate von 2012 herankommt, dann ist Perez wenigstens im Straßenverkehr schneller unterwegs als noch zu Zeiten in Hinwil. "Ich habe einen McLaren MP4-12C", verrät er über sein Dienstauto. "Der ist 'etwas' schöner als der, den ich bei Sauber hatte." Ob er das auch über den MP4-28 gesagt hätte?