• 22.11.2013 22:26

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Pirelli-Gummi 2014: Es geht (auch) um die Wurst

Pirelli macht sich vehement für Reifentests im Dezember stark: Warum die Italiener die Probefahrten in Bahrain unbedingt brauchen

(Motorsport-Total.com) - Pirelli stand in diesem Jahr mehrfach in der Kritik: Mal waren die Reifen zu wenig haltbar, mal zu wenig sicher (Silverstone), dann wechselte man zum Leidwesen mancher Teams zu 2012er-Kontruktionen zurück und in den vergangenen Wochen ging man die Grands Prix mit recht harten Reifen aus Sicht einiger Verantwortlicher "zu konservativ" an. Die Italiener wurden oft zum Sündenbock gemacht, obwohl sie sich laut Motorsportchef Paul Hembery immer "an den Wünschen der Formel 1" orientiert hatten.

Titel-Bild zur News: Pirelli

Pirelli will mit den 2014er-Reifen möglichst bald testen Zoom

Für die Saison 2014 sind die Wünsche der Szene noch unklar. Niemand kann derzeit präzise sagen, wie sich die neue Antriebstechnologie (V6-Turbo mit größerem Hybridsystem) auf die Reifenbelastungen auswirken wird. "Wenn wir unsere jetzigen Simulationen betrachten, dann ist es so, dass man in allen Gängen durchdrehende Räder haben kann. Das ist natürlich nicht die schnellste Art, um einen Rennkurs zu kommen, aber das zeigt, was wir dort unter Kontrolle bringen müssen", so Hembery.

Pirelli braucht mehr Anhaltspunkte, um gut abgestimmte Produkte für die kommende Saison produzieren zu können. Auf dem Weg dorthin sind Daten und Simulationen nicht alles, sondern es müssen Tests gemacht werden. Eine solche Erprobung mit Blick auf 2014 soll im Dezember in Bahrain stattfinden. "Wir haben die Möglichkeit, mit einem alten Lotus oder dem Toyota zu testen. Und wir haben die Erlaubnis der FIA, dies umzusetzen", sagt der Pirelli-Verantwortliche.

Dezember-Test mit 2014er-Mischungen

"Eigentlich spielt es keine Rolle, mit welchem Auto wir fahren. Alle Teams würden einen Beobachter schicken, die Daten würden allen offengelegt", meint Hembery mit Blick auf den Streit darüber, mit dem Auto welches Teams solche Probefahrten unternommen werden sollten. Ein 2013er-Bolide könnte bezüglich 2014 mehr Aussagekraft bringen als ein altes Modell aus dem Jahr 2011. Selbst mit einem diesjährigen Fahrzeug ließen sich wohl nicht alle Erkenntnisse tatsächlich auf die kommende Saison übertragen.

"Das kann ich erst in Bahrain beantworten", zeigt sich Hembery auch noch im Unklaren. "Wir werden dort das Layout nutzen, das auch im Grand Prix befahren wird. Ob wir mit den Mischungen zu konservativ oder womöglich zu aggressiv sind, kann ich jetzt noch nicht sagen. Wie man sich vorstellen kann, gehen wir natürlich etwas konservativ an die Sache heran, weil die kommende Saison eine wirklich große Unbekannte ist." An den Mischungen wird dieser Tage final gearbeitet.

"Die Mischungen werden wir im Dezember fertig haben. Wir haben den Reifenabrieb im Blick, denn wir wollen die Bildung dieser 'Marbles' für das kommende Jahr reduzieren", so der Brite. "Da die Hinterräder aber 2014 wohl häufiger mal durchdrehen werden, erhöht sich eigentlich die Chance zur Bildung dieser Gummiwürstchen. Wir sollten also zumindest dafür sorgen, dass es nicht mehr wird als in diesem Jahr. Die Mischungen müssen also grundsätzlich abriebfester werden."

Paul Hembery

Paul Hembery erhofft sich wichtige Erkenntnisse von den Bahrain-Tests Zoom

"Wenn man dabei zu weit geht, bekommt man wiederum mehr durchdrehende Räder. Da muss man den passenden Mittelweg finden - und das, obwohl wir noch nicht allzu viel über den aerodynamischen Anpressdruck wissen. Ein gewisses Risiko liegt auch darin, dass es wohl deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Teams geben wird", beschreibt Hembery. "Diese Gummifetzen neben der Ideallinie sind etwas, was die Fahrer als störend empfinden. Daran kann man leider während einer Saison nicht viel ändern.

Es soll regnen in der Wüste

"Die Probefahrten in Bahrain sind schon einmal ein großer Fortschritt für uns, weil wir früh auf einer jener Strecken testen können, die in Sachen Reifen recht heftig sind. Nach drei oder vier Rennen wissen wir spätestens, ob alles passt", sagt er. "Bahrain ist eine tolle Strecke für die Überprüfung von Reifenmischungen - wir waren 2010 und 2011 dort. Am Ende eines Rennjahres - das haben wir zuletzt gesehen - geht es eher auf die harmloseren Strecken. In der Frühphase stehen die aggressiveren Pisten auf dem Plan. Bahrain bietet uns also einen guten Fingerzeig, ob wir mit den Mischungen auf einem guten Weg sind."

In der Wüste soll es für Pirelli regnen. Die Italiener planen eine Bewässerung der Manama-Strecke. "Uns ist es wichtig, dass wir einen Regentest haben, bevor wir zum Saisonstart kommen. Unser Ziel ist es, dass wir beim Regenreifen die Neigung zum Aquaplaning minimieren. Außerdem müssen wir die Lücke zwischen Intermediates und Regenreifen weiter schließen, da gibt es derzeit so eine Art Loch dazwischen, wo keiner von beiden passt", meint Hembery. "Auch die Mischungen überarbeiten wir. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass uns diesbezüglich Fortschritte gelungen sind."

Die Überprüfung der aktuellen Entwicklungen sollen bereits im Dezember stattfinden, damit niemand beim Testauftakt 2014 im Januar in Jerez eine böse Überraschung erlebt. "Beim Jerez-Test können wir ohnehin nicht alle benötigten Informationen bekommen. Dort steht für die Teams natürlich der erstmalige Betrieb der neuen Autos im Vordergrund", sagt der Pirelli-Motorsportboss. "Ich gehe natürlich davon aus, dass wir dort nicht nur den Supersoft haben werden, sondern eher die gesamte Bandbreite von Slicks."

Während Pirelli um mehr Erkenntnisse über die Formel-1-Fahrzeuge von 2014 kämpft und die Teams sich mit Übergangs-Windkanal-Reifen abmühen, denken die Italiener auch schon an 2015 und 2016. Dann könnte die Formel 1 nach breiteren Pneus verlangen. "Lasst uns mal abwarten, wie sich alles entwickelt. Wir müssen schauen, wie sich das im Rennbetrieb darstellt und die neue Technologie erst einmal verstehen. Die Formel-1-Teams sind sehr gut, sehr kompetent. Da wird sich im Verlauf des kommenden Jahres einiges tun", so Hembery.