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  • 20.06.2011 09:04

Pietsch: Der älteste Formel-1-Pilot wird 100

Am heutigen Montag wird Paul Pietsch 100 Jahre alt: Der Freiburger ist der älteste noch lebende Formel-1-Fahrer

(Motorsport-Total.com/SID) - Er war Bierbrauer, Rennfahrer und Verleger. Am heutigen Montag erreicht Paul Pietsch einen Meilenstein in seinem erfolgreichen Leben: Der Freiburger wird 100. Pietsch ist der älteste noch lebende Formel-1-Fahrer. Kurios bei jemandem, der eigentlich immer der Jüngste war und den sie deshalb "Rennbaby" nannten. Doch Pietsch war vor allem schon immer eines: zäh. Auch heute noch ist er zu stolz für einen Gehstock oder ein Hörgerät. Denn das sei schließlich "nur was für alte Leute".

Titel-Bild zur News:

Auch nach dem Krieg im Auto: Paul Pietsch im Veritas Meteor 1952

Kein noch so schwerer Schicksalsschlag konnte den Mann, den seine Tochter Patricia als "rundherum liebenswert" bezeichnet, brechen. Nicht der Tod des Vaters, als Paul gerade 13 war. Und auch nicht der Ausbruch des 2. Weltkrieges, ausgerechnet 1939. Zu diesem Zeitpunkt scheint der Rennfahrer Paul Pietsch nämlich auf dem Höhepunkt seines sportlichen Könnens.

Den deutschen Grand Prix auf dem Nürburgring führt er vor mehr als 100.000 Zuschauern mit seinem Maserati vor Stars wie Rudolf Caracciola an, trotz technischer Probleme und zweier unplanmäßiger Kerzenwechsel wird er am Ende umjubelter Dritter. Als der Krieg vorbei ist, ist Paul Pietsch schon 34, zur Fortsetzung der Rennfahrer-Karriere ist kein Geld da. Gemeinsam mit zwei Freunden kommt ihm die rettende Idee.

"Wir wollten wieder Rennen fahren. Das mussten wir irgendwie finanzieren, und dazu mussten wir ja etwas verkaufen. Ich sagte mir, was soll ich verkaufen, wenn nicht mein Know-how zum Thema Motorsport", sagt Pietsch in einem 'FAZ'-Interview. Pietsch gründet den Motor-Presse-Verlag, später die Vereinigten Motor-Verlage und führt diese nach dem frühen Ausstieg des einen und dem Tod des anderen Partners 1956 noch 20 Jahre lang an.

Noch heute ist der Verlag mit der Fachzeitschrift 'auto, motor und sport' einer der führenden im Motorsport, Pietschs Sohn und Tochter arbeiten heute im Hause. Dass es den Verlag gibt, ist auch Pietschs Sturheit zu verdanken, denn zunächst rieten ihm alle ab. "Wir mussten uns anfangs anhören, es werde in Deutschland nie mehr so viele Autos geben, dass man eine Zeitschrift dafür braucht", sagt Pietsch heute schmunzelnd.

¿pbvin|512|3809||0|1pb¿Doch er war immer schon ein wenig anders. Das Erbe seines Vaters und das Geld aus dem Verkauf seines ersten Wagens investiert er im Alter von 20 Jahren in einen Bugatti. Daraufhin lernte er sogar den Chef Ettore Bugatti kennen, denn der "wollte selbst sehen, welcher 20-Jährige sich denn einen seiner Rennwagen leisten konnte". Doch das Alter war für Paul Pietsch schon immer nur eine Zahl. Den 85. Geburtstag feierte er noch bis tief in die Nacht, am 90. setzte er sich unter dem Beifall der staunenden Gäste für einige Runden noch einmal in den Bugatti.

Natürlich hatte er auch Glück, so alt zu werden. Als Glück wertet er auch seine Verletztengeschichte im Rennauto, dabei hat er einige schwere Crashs überstehen müssen. "Ich habe ja fast keinen Knochen im Körper, der nicht schon mal gebrochen war", sagt er, ergänzt aber stolz: "Glück hatte ich aber immer, wenn es um den Kopf ging. Außer der Nase ist dort alles heil geblieben." In seiner Garage hing er neben fast jeden Siegerkranz einen Gipsverband, "sozusagen als Erinnerung an den körperlichen Einsatz".

Schwer fiel es ihm nur, mit menschlichen Enttäuschungen umzugehen - und mit dem Tod von Kollegen. Dann musste er immer seinen "inneren Rolladen runterlassen" und fuhr weiter. So hat er schon zu Lebzeiten eine Menge hinterlassen. Und sich mit seinem vermeintlich einzigen Fehler - sich einst für die Auto-Union und gegen Mercedes entschieden zu haben - versöhnt. "Wenn ich jetzt meinen 100. Geburtstag feiern kann, habe ich wohl überhaupt keinen Fehler gemacht", sagt er.