Petrov: "Das Echo ist unglaublich"
Renault-Pilot Vitaly Petrov über die Kreise, die sein bevorstehendes Formel-1-Debüt schon im Vorfeld zieht - "Russland hat eine einzigartige Chance"
(Motorsport-Total.com) - Um das Fahrerfeld seiner Träume endgültig zu komplettieren, braucht Bernie Ecclestone nur noch einen Chinesen und eine Frau. Zuletzt hat Renault dem mächtigen Formel-1-Boss gleich anderthalb seiner sehnlichsten Wünsche erfüllt: In Vitaly Petrov verpflichteten die Franzosen den ersten Russen in der "Königsklasse" des Motorsports, in Ho-Pin Tung zudem noch einen Chinesen als Testfahrer.

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Vitaly Petrov geht ab dem Rennen in Bahrain für das Renault-Team an den Start
Der "Aufschwung Ost" freut Ecclestone, denn die Expansion in jene Regionen hat sich der geschäftstüchtige Brite seit einiger Zeit auf die Fahnen geschrieben. Petrovs WM-Einstieg soll die russischen Motorsportfans wachrütteln und den Weg für einen Grand Prix im flächenmäßig größten Land der Welt ebnen: "Wir sind Russland, wir müssen ein Formel-1-Rennen haben", sagt Petrov.#w1#
Das Telefon steht nicht mehr still...
"Vielleicht wachen sie jetzt auf, wo ich hier bin." Und in der Tat: Als Petrovs Verpflichtung Ende Januar offiziell wurde, brach in der Heimat ein regelrechter Hype aus. Die Zeitungen bezeichneten ihn euphorisch als "Juri Gagarin auf vier Rädern" oder "Wiborg Rocket" in Anlehnung an seinen Heimatort an der finnischen Grenze. Petrov wurde von dem großen Interesse erst einmal überwältigt.
"Ich wurde ständig angerufen. Da habe ich das Telefon einfach mal abgeschaltet, denn ich muss mich auf meine Arbeit und mein Team konzentrieren", so der 25-Jährige. "Das Echo ist unglaublich. Ich war in allen TV-Shows. Ganz Russland sprach über das Thema", ergänzt Petrov bei 'Auto Motor und Sport'. Die finanzielle Unterstützung aus Russland war vor dem Formel-1-Einstieg aber überschaubar.
"Vermutlich war wegen der Finanzkrise keine große russische Firma bereit, Vitali zu sponsern", sagt Managerin Oksana Kossatschenko. "Dabei hat Russland eine einzigartige Chance, in der Elite des Motorsports zu bleiben. Wir hoffen, dass sich Ministerpräsident Wladimir Putin dieser Sache annehmen wird", kommentiert Kossatschenko die Finanzlage ihres Rennschützlings.
Laut russischen Medienberichten soll Vater Alexander Petrov die 15 Millionen Euro Mitgift selbst durch einen Kredit aufgetrieben haben und bürgt dafür mit seinem Privatbesitz. Angeblich soll der Dreijahresvertrag mit Renault nur dann wirksam werden, wenn der Neuling im ersten Jahr mindestens 25 Prozent der WM-Punkte seines polnischen Teamkollegen Robert Kubica einfährt.
Zur Saisonmitte müssen WM-Punkte her
"Das Team hat mir gesagt, dass sie ab Mitte der Saison erwarten, dass ich Punkte hole", erläutert Petrov und verrät damit zumindest die Dauer seiner offiziellen Schonzeit. Bis zum Sommer muss sich der in Valencia wohnende Rennfahrer also an die Formel 1 gewöhnen, doch der Aufstieg von der GP2 ist alles andere als einfach: "Das Auto ist richtig klein, sogar im Vergleich zur GP2", so Petrov.
Doch Petrov beweist, dass er schnell lernen kann. Schließlich hatte er mit großen Standortnachteilen zu kämpfen: Erst vor acht Jahren saß er erstmals in einem Rennauto. "Wer Michael Schumacher war, wusste ich damals nicht", sagte der neue Renault-Fahrer. "In Russland ist der Rennsport einfach nicht verbreitet, in meiner Gegend gab es das überhaupt nicht", hält Petrov fest.
Doch Petrov hat sich durchgebissen. Angeblich wollten ihn mehrere Teams verpflichten - neben Renault zum Beispiel auch Hispania und Sauber. Renault stellte klar, dass allein sein fahrerisches Potenzial den Ausschlag für die Verpflichtung gegeben habe: "Wir hätten Fahrer bekommen können, die doppelt so viel Geld mitgebracht hätten wie Vitali", sagt Finanz-Investor Gerard Lopez.
Die GP2 als Sprungbrett für Petrov
Der Geschäftsmann aus Luxemburg hat im Dezember mit seiner Firma Genii Capital die Mehrheit am Renault-Rennstall übernommen. Dass ausgerechnet er Ecclestone anderthalb große Wünsche erfüllt hat, ist übrigens kein Zufall: Gemeinsam hatten Genii und Ecclestone zuletzt Interesse an einer Übernahme von Saab geäußert, waren letztendlich aber nicht zum Zuge gekommen.
Anders Petrov: Der 25-Jährige erhält 2010 seine große Chance, ist aber eigentlich ein Spätstarter. "Kein anderer der aktuellen Fahrer hat so spät begonnen. Als ich anfing, waren meine heutigen Kollegen schon vollwertige Rennfahrer. Ich musste alles von Null lernen", meint der Russe. "Hätte ich mich im Kart vorbereiten können, wäre ich schon vor fünf Jahren Formel 1-Fahrer geworden."
"Ich muss alles in komprimierter Zeit lernen. Ob ich im Restaurant oder in der Disco bin, in meinem Kopf gibt es nur den Rennsport", erläutert Petrov. Diese Denkweise hat er sich in der GP2 angeeignet. "Seit ich GP2 fahre, arbeite ich wie ein Profi. Da hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich eines Tages in der Formel 1 landen könnte. Reif für die Formel 1 bin ich erst seit 2009", sagt Petrov.

