• 11.10.2005 10:40

Peter Sauber: Das Interview zum Formel-1-Abschied

Nach 13 Jahren zieht sich Peter Sauber aus der Formel 1 zurück - Interview über Lieblingsfahrer, den nie erreichten Sieg und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Am kommenden Grand Prix von China wird Peter Sauber zum letzten Mal am Kommandostand Platz nehmen. Am Ende der Saison geht sein Lebenswerk in die Hände von BMW über. Im Interview mit dem 'emagazine' der 'Credit Suisse' blickt der Pionier auf 35 Jahre Motorsport zurück - und wagt einen Ausblick in die Zukunft...

Titel-Bild zur News: Peter Sauber

Sag zum Abschied leise Servus: Peter Sauber steht vor seinem letzten Rennen...

Frage: "Wenn im März 2006 die neue Formel-1-Saison beginnt, wird man Sie erstmals nach 13 Jahren nicht mehr am Kommandostand antreffen. Befürchten Sie keine Entzugserscheinungen?"
Peter Sauber: "Das kann schon sein, ich bin selbst gespannt."#w1#

Freunde und Konkurrenten werden Sauber am meisten fehlen

Frage: "Was werden Sie am meisten vermissen? Den Adrenalinschub?"
Sauber: "Den bestimmt auch, doch das hat man nach einer bestimmten Zeit überwunden. Am meisten werde ich wohl die Menschen vermissen, allen voran die Mitarbeiter, aber auch alle andern im Paddock - sogar diejenigen, mit denen ich die eine oder andere Auseinandersetzung hatte."

Frage: "Ganz aus dem Zirkus werden Sie aber nicht verschwinden, immerhin stehen Sie dem neuen Team als Berater zur Seite. Was heißt das konkret?"
Sauber: "Ich werde in erster Linie den Sponsoren zur Verfügung stehen, allen voran der 'Credit Suisse'."

Frage: "Also keine operative Rolle mehr?"
Sauber: "Nein. Ich denke, es ist wichtig und richtig, dass ich mit dem Operativen gar nichts mehr zu tun habe. Das war nicht nur der Wunsch von BMW, sondern auch meiner."

Frage: "In der Ehe zwischen BMW und WilliamsF1 war der Kulturunterschied ein oft genanntes Argument für die Trennung. Droht in der neuen Achse München-Hinwil diesbezüglich weniger Gefahr?"
Sauber: "Kulturell sehe ich keinen Anlass zur Sorge, schließlich arbeiten bei uns schon einige deutsche Mitarbeiter, und die fühlen sich sehr wohl hier. Wo es bestimmt zu Friktionen kommen kann - und das hat mit BMW nichts zu tun -, ist bei der Herausforderung, einen mittelständischen Betrieb mit einem Großkonzern zusammenzuführen. Wichtig ist hier, dass man die positiven Elemente des kleineren Partners übernehmen kann und sich trotzdem möglichst gut in die Spielregeln eines Konzerns fügt."

Das Team muss sich nun an den Großen orientieren

"Auch die Einstellung wird sich ändern müssen: Das neue Team ist nicht mehr der kleine David, der den Großen ab und zu ein Bein stellen kann. BMW ist selbst ein Großer, von dem man letzten Endes Siege erwartet."

Frage: "Was war letztlich wichtiger für den Entscheid von BMW, das Sauber-Team zu kaufen: der hochmoderne Windkanal oder das Know-how der Mitarbeiter?"
Sauber: "Ganz sicher hat der Windkanal eine Rolle gespielt, schließlich handelt es sich um ein exzellentes Werkzeug, das obendrein noch sehr elegant ist und sich gut für Anlässe nutzen lässt. Dennoch ist es bloß ein Werkzeug. Unser wichtigstes Kapital sind die Mitarbeiter und ihr Know-how, das hat auch BMW betont."

Frage: "Welches Modell aus Ihrer großen Rennautosammlung werden Sie dereinst Ihren Enkeln einmal am liebsten zeigen?"
Sauber: "Schwer zu sagen. Ich habe eigentlich zu meinen Fahrzeugen nicht so eine enge Beziehung. Ich bin auch kein Sammler, ich habe einfach eine Sammlung. Müsste ich nun doch eines herauspicken, dann wäre das wohl der C9 oder der C11. Mit den C9 haben wir Le Mans gewonnen, mit dem C11 wurden wir zum zweiten Mal Weltmeister bei den Sportwagen."

Frage: "Wenn es kein eigentliches Lieblingsauto gibt: Gibt es wenigstens einen Lieblingspiloten?"
Sauber: "Nein. Jeder war auf seine Art einzigartig - und viele von ihnen waren sehr gut. Einige habe ich von ihren Anfängen an im Rennsport begleitet, darunter Karl Wendlinger, Heinz-Harald Frentzen und Michael Schumacher, später dann auch Kimi Räikkönen und Felipe Massa. Frentzen ist der Pilot, der am längsten bei uns gefahren ist und insgesamt auch und am meisten Punkte geholt hat. Mit ihm hatte ich bestimmt ein gutes Verhältnis."

Besondere Beziehung zu Unfallopfer Karl Wendlinger

"Mit Karl Wendlinger war die Beziehung vielleicht noch etwas tiefer, bedingt auch durch seinen schweren Unfall. Aber auch mit Jean Alesi verstehe ich mich immer noch sehr gut, obwohl wir mit ihm in seiner zweiten Saison bei uns viel Mühe hatten und auch ein paar Mal ziemlich heftig aneinander gerieten. Und natürlich denke ich sehr gerne an die Zeit mit Johnny Herbert zurück: Er hatte ein sehr sonniges Gemüt und war obendrein sehr schnell."

"Mit Karl Wendlinger war die Beziehung vielleicht noch etwas tiefer, bedingt auch durch seinen schweren Unfall." Peter Sauber

Frage: "Als Talentschmiede hat Ihr Team in all den Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Bei Kimi Räikkönen hat der Absprung an die Spitze perfekt geklappt. Nicht so bei Heinz-Harald Frentzen. Woran lag das?"
Sauber: "Vom Talent her hatten die beiden wohl ähnliche Voraussetzungen, doch ihr Charakter ist total verschieden. Kimi ist ein sehr spezieller Typ. Er ist unglaublich fokussiert auf ein Ziel. Das hilft ihm ganz bestimmt. Vielleicht liegt dort der Unterschied."

Frage: "In welche Kategorie gehört Felipe Massa?"
Sauber: "Ich glaube, dass er eine gute Zeit bei Ferrari erleben wird, denn er ist nicht weit vom Niveau eines Michael Schumacher weg - und alles, was auch nur in der Nähe von Michael ist, gilt in der Szene schon als sehr gut."

Frage: "Ein Grand-Prix-Sieg wird Ihnen als Teamchef wohl nicht mehr vergönnt sein. Wann erwarten Sie den ersten Sieg des neuen Teams von BMW?"
Sauber: "Da lasse ich mich nicht auf Prognosen ein. Die Konkurrenz ist heute derart groß, dass es nicht einfach ist, in die Spitzengruppe vorzustoßen. Das sieht man im Moment auch bei WilliamsF1, wo man Mühe hat, wieder den Anschluss zu finden."

Am liebsten hätte Sauber selbst einen Grand Prix gewonnen...

Frage: "Angenommen, ein BMW gewinnt ein Rennen. Wäre das für Sie, als ob ein Sauber gewonnen hätte?"
Sauber: "Die Freude wäre bestimmt sehr groß, doch wenn ich ganz ehrlich sein soll: Einen Sieg am Kommandostand mitzuerleben wäre doch noch etwas anderes als zuhause am Fernseher..."

Frage: "Bei Ihren Fans ist das nicht viel anders. Viele trauern dem einzigen Schweizer Formel-1-Team nach. Was sagen Sie diesen Leuten?"
Sauber: "Wir haben nach wie vor ein Formel-1-Team in der Schweiz, der Standort Hinwil bleibt erhalten und auch die meisten Mitarbeiter bleiben im Team. Die Vorteile überwiegen derart stark - an das andere gewöhnt man sich schnell einmal."

Frage: "Wird der Name Sauber überleben?"
Sauber: "Ich weiß das wirklich nicht - und ich bin nicht mal sicher, ob man das bei BMW zum jetzigen Zeitpunkt schon weiß. Das wird eine Entscheidung sein, die vom Marketing getroffen wird. Man darf eines nicht vergessen: Der globale Markt ist so groß, dass die Schweiz da eine untergeordnete Rolle spielt. Auf der anderen Seite ist BMW nicht bestrebt, den Schweizern etwas wegzunehmen. Man wird das bestimmt sehr vorsichtig abwägen."