Patrese kritisiert Strafensystem: "Fahrer werden Marionetten"

Ex-Pilot Riccardo Patrese findet, dass die Rennkommissare heute zu viel Einfluss haben und so legendäre Duelle wie zwischen Arnoux und Villeneuve 1979 verhindern

(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 gibt es Bestrebungen, eine Art "Punkte-Führerschein" einzuführen - und zwar für Vergehen auf und neben der Strecke. Dazu zählen Zwischenfälle im Zweikampf, das Aufhalten eines Gegners, aber auch Dinge wie das Zuspätkommen zur FIA-Pressekonferenz. Die Piloten würden je nach Schwere des Vergehens ein bis drei Strafpunkte erhalten. Bei zwölf Punkte droht der Entzug der Superlizenz für ein Rennen.

Titel-Bild zur News: Riccardo Patrese

Riccardo Patrese wünscht sich mehr Freiheiten für die Piloten Zoom

Die Idee stößt aber nicht überall auf Zustimmung. Während sich einige Piloten dadurch weniger Willkür bei den Strafen erhoffen, befürchten andere genau das Gegenteil. Auch die Tatsache, dass man Vergehen, die nichts mit dem Geschehen auf der Strecke zu tun haben, bestrafen will, sorgt für wenig Begeisterung.

Patrese: Fahrer werden zunehmend zu Marionetten

Ex-Formel-1-Pilot Riccardo Patrese sieht das System auch kritisch und erkennt einen Trend: "Heute werden die Fahrer immer mehr zu Marionetten der Rennkommissare, die ihnen schlechte Manieren im Umgang mit ihren Konkurrenten vorwerfen. Als ich noch im Geschäft war, da war das ganz anders: wilder, aber sicher direkter. Und ohne die Einmischung von Dritten."

Der Italiener kam Ende der 1970er-Jahre in die Formel 1 und beendete 1993 bei Benetton als Teamkollege von Michael Schumacher seine Karriere in der "Königsklasse" des Motorsports. Er ist der Ansicht, dass die Entscheidungen der Rennkommissare negative Auswirkungen auf die Qualität des Rennsports haben.

Verhindert der Einfluss der Rennkommissare heiße Duelle?

"Ich erinnere mich an ein Beispiel, das zeigt, worauf ich hinauswill", erklärt Patrese gegenüber 'Il mattino die Padova' - und nennt den Grand Prix von Frankreich in Dijon 1979, der von einem der aufregendsten Rad-an-Rad-Duelle der Formel-1-Geschichte geprägt wurde. Der Zweikampf zwischen Renault-Pilot Rene Arnoux und Ferrari-Legende Gilles Villeneuve war auch für Patrese "einer der schönsten Momente der Formel 1".


Arnoux vs. Villeneuve mit Prüller-Originalkommentar

Heute wäre dies seiner Ansicht nach aber undenkbar: "Es würde zum Entzug der Superlizenz führen. Unsere Verhaltenskriterien waren damals vielleicht wilder, aber auch spektakulärer." Er versteht aber auch, warum sich die Formel 1 in eine andere Richtung entwickelt hat: "Die Sicherheit ist in der Rennsport-Welt überall wichtig. Ich hatte zahlreiche Zwischenfälle, der schlimmste war in Estoril in Portugal im Jahr 1992."

Sicherheit: Patrese zeigt Verständnis

Damals saugte sich Williams-Pilot Patrese im Windschatten an Gerhard Bergers McLaren an und wollte überholen, doch der Österreicher bog in diesem Moment in die Boxengasse ein, und schickte Patrese über das Hinterrad in einen Salto. "Das war ein richtiger Flug, der durch die Unvorsichtigkeit von Berger ausgelöst wurde", gibt er dem damaligen Teamkollegen Ayrton Sennas die Schuld.

Er weiß, dass er damals nur um ein Haar an einer Katastrophe vorbeischrammte, schließlich hätte sein Bolide an der Boxenmauer, wo die Kommandostände der Teams positioniert waren, aufprallen können. Am Ende kam er aber mit dem Schrecken davon: "Glücklicherweise habe ich keine ernsthaften physischen Folgeerscheinungen, es hätte viel schlimmer ausgehen können. Daher ist es schon richtig, bei so einem Verhalten mit heftigen Strafen einzugreifen."