• 15.07.2002 10:57

  • von Fabian Hust

Nick Heidfeld im Exklusiv-Interview

Sauber-Pilot Nick Heidfeld über Teamkollege Felipe Massa, die bisherige Saison, Aussichten für 2003 und seinen Porsche

(Motorsport-Total.com) - Letzten Samstag in Roggwil, südwestlich von Zürich: Nick Heidfeld und Felipe Massa begeistern mehr als 1.000 Mitglieder des Sauber-Petronas-Clubs in der Karthalle "Race-Inn" mit Demorunden im Kart und einer Autogrammstunde. F1Total.com-Chefredakteur Fabian Hust traf sich mit dem 25-jährigen Mönchengladbacher - der übrigens selbst F1Total.com-Leser ist - vor dem Event zu einem ausführlichen Gespräch unter vier Augen.

Titel-Bild zur News: Heidfeld und Massa

Heidfeld und Massa präsentierten der Presse ein neues Sauber-Maskottchen

Frage: "Kartfahren, ist das die Art von PR-Termin, die einem Formel-1-Fahrer Spaß macht? Ist es für sie überhaupt noch ein Reiz, ein Nicht-Renn-Kart zu fahren?"
Nick Heidfeld: "Ja klar! Mir macht es Spaß, mit allen möglichen Fahrzeugen zu fahren und aus diesem Grund freue ich mich auch jetzt schon auf das Kartfahren."

Frage: "Eine große Hilfe bei solchen Terminen dürfte sein, dass sie mit ihrem Teamkollegen Felipe Massa scheinbar sehr gut auskommen?"
Heidfeld: "Ja das stimmt. Manche Leute sagen ja, dass ich letztes Jahr mit Kimi Probleme hatte, das kann man aber so nicht stehen lassen. Es war vor allem auf der Rennstrecke ein wenig problematisch aber abseits der Strecke haben wir uns auch ganz gut verstanden. Mit Felipe verstehe ich mich aber außergewöhnlich gut."

"Mit dem Begriff Freundschaft bin ich vorsichtig"

Frage: "Kann man das schon Freundschaft nennen?"
Heidfeld: "Nein, soweit geht es noch nicht. Ich bin mit dem Begriff Freundschaft auch etwas vorsichtig. Ich habe eine handvoll Freunde, so vier oder fünf, und ich denke, dass dies schon sehr viel ist."

Frage: "Was haben sie über Felipe Massa unmittelbar nach den Wintertests gedacht und was denken sie jetzt nach der ersten Saisonhälfte über ihn?"
Heidfeld: "Man konnte von Anfang an sehen, dass er schnell ist, dass der Speed da ist. Er hat aber zu Beginn sehr viele Fehler gemacht, vor allem bei den Tests hat er sich sehr oft gedreht. Ich war dann doch sehr erstaunt, wie schnell er das über die Saison hinweg abgestellt hat. Da hat er dann wirklich wenig Fehler gemacht."

"Auf keinen Fall" Massas Mentor

Frage: "Sehen sie sich ein wenig als Mentor des Brasilianers an?"
Heidfeld: "Nein, auf keinen Fall. Ich habe natürlich mehr Erfahrung als er, aber auf der anderen Seite bin ich mit meinen 25 Jahren auch noch sehr jung. Ich sehe mich aus diesem Grund auch nicht in einer Lehrerrolle ? überhaupt nicht."

Frage: "In der Formel 1 gibt es den Spruch, der besagt, dass der erste Gegner immer der eigene Teamkollege ist. Helfen sie Felipe wenn er ein Problem mit der Abstimmung des Autos hat und tauschen sie Telemetriedaten aus, oder arbeitet jeder mit seinen Ingenieuren doch sehr für sich?"
Heidfeld: "Ja, das wird bei uns im Team so gehandhabt. Die Daten werden offen gelegt und man schaut sich dann natürlich immer die Runden des anderen an."

Sauber hat keine Finanzprobleme

Frage: "Nicht wenige Teams haben im Moment finanzielle Probleme. Wie beeinflusst das ihre Zukunftsplanung?"
Heidfeld: "Das Positive ist, dass Sauber solche Probleme nicht hat und darüber bin ich sehr glücklich. Ich vermute, dass das ein wenig der Schweizer Mentalität und der guten Arbeit zu verdanken ist, die Peter Sauber geleistet hat. Er hat mit dem Geld sehr gut gehaushaltet und nur das ausgegeben, was vorhanden war. Das sollte uns nur entgegenkommen."

Frage: "Wie wichtig ist ihnen persönlich Geld, würden sie zum Beispiel für ein Cockpit bei einem Top-Team auf ein Top-Gehalt verzichten?"
Heidfeld: "Es ist natürlich klar, dass an erster Stelle der sportliche Erfolg steht. Wenn man die Möglichkeit hat, Geld zu verdienen, sage ich mit Sicherheit nicht nein. Wenn man die Chance hat, für ein gutes Team zu fahren, so sind beide Parteien interessiert daran, zusammen zu arbeiten und dann wird man sich schon einig. Der sportliche Erfolg steht aber ganz klar im Vordergrund."

Von Ferraris deutlicher Überlegenheit überrascht

Frage: "Welches Konkurrenzteam hat sie in diesem Jahr positiv und welches negativ überrascht?"
Heidfeld: "(Gerät kurz ins Grübeln) Da gibt es bisher eigentlich keine großen Überraschungen. Dass Renault so stark sein würde hatte ich schon letzte Saison erwartet, als sie so große Sprünge nach vorne gemacht hatten und aus Benetton Renault wurde. Toyota hat am Anfang eine starke Leistung gezeigt, hier muss man abwarten, wie sie sich weiterentwickeln. Dass Ferrari auch stark sein würde war klar, die größte Überraschung ist wohl, dass sie dann doch so sehr überlegen sind."

"Unterschrieben ist noch nichts"

Frage: "Wie wahrscheinlich ist es, dass sie auch im kommenden Jahr bei Sauber fahren werden?"
Heidfeld: "Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, ich fühle mich im Team sehr wohl. Ich möchte aber natürlich auch eines Tages gerne um die Weltmeisterschaft mitfahren. Unterschrieben ist noch nichts, die Wahrscheinlichkeit ist aber wie gesagt sehr groß."

Frage: "Gab es für die kommende Saison Anfragen anderer Teams?"
Heidfeld: "Es gibt schon andere Teams, die Interesse bekunden. Aber viele Dinge, die man so hört oder liest, sind übertrieben."

Frage: "Käme es für sie prinzipiell auch in Frage, in ein Team zu wechseln, das auf dem Papier das Potenzial besitzt, zu einem Top-Team zu werden, aber beispielsweise wie Toyota oder Jaguar noch viele Jahre Aufbauarbeit vor sich hat?"
Heidfeld: "Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich natürlich sofort in ein Top-Team gehen. Es ist auch nicht einfach zu sehen, wer in drei oder vier Jahren an der Spitze sein wird. Das ist unmöglich vorherzusehen."

Mit dem C21 sehr zufrieden

Frage: "Hat der C21 ihre Erwartungen nach den Wintertests erfüllt?"
Heidfeld: "Ja definitiv. Das Auto ist schneller als das Vorgängermodell, der Speed ist da. Bei den Wintertests sah es sogar so aus, als wären wir noch schneller, vor allem im Vergleich zu Williams-BMW. Aber da musste einem natürlich klar sein, dass sie mehr Möglichkeiten haben sich weiterzuentwickeln, einfach auf Grund der Ressourcen, die das Team zur Verfügung hat. Und aus diesem Grund bin ich damit ganz zufrieden."

Frage: "Auf welchen Strecken erwarten sie in dieser Saison noch eine besonders gute Leistung des C21 und wo sind sie eher skeptisch?"
Heidfeld: "Hockenheim hat eigentlich immer ganz gut gepasst, jetzt ist die Strecke umgebaut, aus diesem Grund müssen wir einfach abwarten, wie es dort läuft. Ich denke, dass wir unseren besten und schlechtesten Kurs schon hinter uns haben ? der schlechteste mit Monaco und der beste normalerweise mit dem Österreichring, wo ich auch Fünfter im Qualifying war. Jetzt kommen glaube ich keine herausstechenden Strecken mehr. Im letzten Jahr lief es noch in Ungarn ganz gut, wo ich Sechster wurde obwohl alle Top-Teams ins Ziel kamen. Vielleicht kann man da noch ein wenig mehr erwarten."

Frage: "Gibt es beim aktuellen Auto Stärken oder Schwächen, die besonders auffallen?"
Heidfeld: "Nein, da gibt es weder im positiven noch im negativen Bereich etwas. Aus diesem Grund versuchen wir uns auch im Moment auf allen Gebieten weiterzuentwickeln, wobei das Hauptaugenmerk immer auf der Aerodynamik liegt, weil das in der Formel 1 heutzutage einfach das Wichtigste ist."

"Möglichkeit auf Platz vier besteht"

Frage: "Als Ziel hat ihr Teamchef Peter Sauber für dieses Jahr Rang vier der Konstrukteure angegeben. Wie realistisch schätzen sie dieses Ziel im Moment ein?"
Heidfeld: "Die Möglichkeit besteht, aber es wird sehr schwierig werden. Platz vier war von Anfang an der Saison unser erklärtes Ziel. Momentan sind wir Fünfter mit ein paar wenigen Punkten Rückstand auf Renault. Die Saison ist aber noch lang und wir werden alles daran setzen, den vierten Platz wieder zu erreichen. Ich persönlich wäre aber nicht enttäuscht, wenn es der fünfte Platz wäre, denn mit unseren Möglichkeiten wäre das schon sehr gut."

Frage: "Renault wird ihnen ja besonders dann gefährlich, wenn Michelin bessere Reifen liefert als Bridgestone. Wie beurteilen sie bisher das Reifenduell?"
Heidfeld: "Damit bin ich sehr zufrieden, wenn man sich die bisherige Saison anschaut, so ist das sehr ausgeglichen. Im letzten Rennen war Bridgestone wieder im Vorteil. Ganz extrem ist der Vorteil bei Regen- oder Intermediate-Bedingungen, wie man das in Silverstone gesehen hat. Aus diesem Grund ist es schade, dass wir diese Bedingungen nicht schon früher hatten, denn es ist schon etwas ungewöhnlich, dass man so wenig Regen hat. Der Intermediate-Reifen ist wirklich der beste für uns, bei Regen bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob wir da noch im Vorteil sind, denn Michelin hat hier definitiv aufgeholt."

Frage: "Wird Sauber in das Entwicklungsprogramm von Bridgestone nach der Trennung der Japaner von McLaren-Mercedes stärker involviert?"
Heidfeld: "Ja, aber natürlich ist Ferrari das klare Nummer-1-Team. Wir sind aber von den Punkten her das zweitstärkste Bridgestone-Team."

"Ich bin mir der Risiken bewusst"

Frage: "Sie hatten in diesem Jahr zwei schwere Unfälle (Kollision mit Medical Car in Brasilien, Unfall mit Sato in Österreich), bei denen nur mit viel Glück niemand ernsthaft verletzte wurde. Wie fühlen sie sich nach so einem Unfall?"
Heidfeld: "Es braucht natürlich immer etwas Zeit, um das ganze zu verarbeiten und zu analysieren. Bisher war es aber nach einem Unfall noch nie so, dass ich gedacht habe 'Muss ich jetzt aufhören oder nicht?', weil ich mir schon vorher Gedanken darüber mache, was passieren kann. Ich bin mir also der Risiken bewusst."

"Schade, dass der Hockenheimring umgebaut wurde"

Frage: "Was halten sie vom neuen Hockenheimring?"
Heidfeld: "Ich habe schon ein paar Skizzen gesehen und finde es schade, dass die Strecke umgebaut worden ist, denn ich bin auf der alten Strecke immer sehr gern gefahren. Es war eine Strecke mit einer ganz speziellen Charakteristik, die man vielleicht am ehesten mit Monza vergleichen kann. Es gab zusätzlich noch das Infield, wo man fast ohne Flügel regelrecht das Auto durchbalancieren musste. Im Wald war man dann fast ganz allen, das war schon eine besondere Atmosphäre. Hinzu kommt, dass ich dort meistens sehr schnell war. Ich finde es also schade, dass die Strecke umgebaut wurde, auch wenn dies den Zuschauern natürlich entgegenkommen sollte, was natürlich die Hauptsache ist."

Frage: "Ist für sie ein Heimrennen anders als die anderen Formel-1-Rennen?"
Heidfeld: "Es ist schon etwas besonderes von der Atmosphäre her. Man freut sich auch immer besonders auf das Heimrennen. Wenn man aber im Auto sitzt, so ändert sich da nicht viel, denn man versucht immer sein Bestes zu geben und wenn man in Deutschland fährt, kann man nicht plötzlich mehr aus dem Auto rausholen."

Der Porsche 911 GT2

Frage: "Sie haben sich vor kurzem einen Porsche 911 GT2 gekauft, warum dieses Auto?"
Heidfeld: "Ich habe schon einige schöne Autos zu Hause stehen, für die ich zum Glück nichts bezahlen musste: einen Mercedes, letztes Jahr einen Lexus und jetzt einen Subaru. Es ist einfach ein super sportliches Auto, deshalb habe ich mich für den Porsche entschieden."

Frage: "Finden Sie das Auto für den Wohnort Schweiz nicht ein wenig unpassend (das Tempolimit beträgt auf Autobahnen 120 km/h, auf Landstraßen 80 km/h)?"
Heidfeld: "(lacht) Schon, ausfahren kann man es hier nicht, aber ich fahre ja auch ab und zu ins Ausland, zwar sehr selten, aber es macht trotzdem Spaß, ein solches Auto zu fahren, auch wenn man es nicht ausfahren kann."

Frage: "Und wie schnell fahren sie, wenn sie Gas geben dürfen?"
Heidfeld: "So schnell wie es geht, wie es erlaubt ist und wie es auch sicher ist."

"Monaco war ein Traum von mir"

Frage: "Warum haben sie sich für die Schweiz als Wohnort entschieden ? abgesehen davon, dass sie so nah beim Team sind?"
Heidfeld: "Ich habe zuvor in Monaco gelebt. Das war für mich schon ganz früher ein Traum, da wir in der Nähe auf der italienischen Seite eine Ferienwohnung hatten. Außerdem wusste ich, dass hier die ganzen Formel-1-Fahrer wohnen und ich dachte, dass ich dann hier auch wohnen muss, wenn ich in die Formel 1 komme, es war also ein Traum, den ich hatte. Es war auch am Anfang ganz schön, aber auf Dauer dort zu wohnen war nicht so mein Ding. Monaco hat nicht meinem Lifestyle entsprochen. Es ist eine kleine, enge Stadt mit viel Beton, die Leute, die dort wohnen sind meistens älter. Die Schweiz hat mir vom ersten Moment an gut gefallen und seitdem ich hier wohne, gefällt sie mir noch viel besser. Ich bin sehr froh über die Entscheidung, in die Schweiz umgezogen zu sein."